Geformt, gesprengt, geliebt
Eine Reise zum Mond stand bereits am Anfang der Filmgeschichte – und verlor ihren Reiz bis heute nie
Wahrscheinlich seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte stellt der Mond einen Sehnsuchtsort dar. Ein fremder Ort, so nah, dass man seine Krater zählen und benennen kann. Ein Ort, so fern, dass der Fantasie kaum Grenzen gesetzt sind. Nicht ohne Grund ist der Mond Handlungsort vieler Geschichten. Vor allem in Science-Fiction-Filmen konnten sich Drehbuchautoren und Regisseure auf dem Trabanten austoben – und das schon seit mehr als 100 Jahren.
Hoch oben am Sternenhimmel lächelt uns der Mond mit seiner weißen Fratze an. Fast schon herausfordernd, wartend auf den Menschen ihn zu betreten. Und so hat sich einer der ersten Filme der Geschichte überhaupt mit der Reise zum Erdtrabanten beschäftigt. „Le Voyage dans la lune“aus dem Jahr 1902, zu Deutsch „Die Reise zum Mond“, bannte die Geschichte Jule Vernes’ und H.G. Wells’ auf Zelluloid. Dabei wird der Mond wortwörtlich zu einem Gesicht. Die tollkühnen Entdecker lassen sich dank einer gigantischen Kanone mit einer Kapsel auf
den Mond schießen. Und schon in einem der ersten Science-FictionFilme treten die Entdecker in bester Manier als Eroberer und Unterdrücker auf. Die Mondbewohner, die Seleniten, werden bekämpft, ihr Anführer zerschmettert.
Den Mond zu besitzen, zu formen, wird auch im Film „The Time Machine“aus dem Jahr 2002 thematisiert – mit fatalen Folgen. Um dort einen Luxuspark zu bauen, muss ein Loch ins Innere gesprengt werden. Die Sprengung misslingt, der Mond zerbricht. Brocken fallen auf die Erde und verwüsten die Oberfläche. Hunderte, tausende Jahre dauert es, bis wieder menschenähnliche Wesen, die Eloi, über die Welt wandeln. Im Untergrund leben die Morlocks, gorillaähnliche Kreaturen, die die Elois als Nahrung ansehen. Alles nur wegen der unendlichen Arroganz der Menschheit.
In Stanley Kubricks Klassiker „2001: Odyssee im Weltraum“werden dem Menschen dagegen die Grenzen seines Seins aufgezeigt, die Intelligenz ist nur ein Geschenk einer fremden Macht. Und trotz der „Le Voyage dans la Lune“von 1902. Foto: United Archives, Imago Images Fähigkeit, den Mond zu besiedeln, ist der Mensch weder allwissend noch allmächtig. Im Film finden Forscher im Mondkrater Tycho einen seltsamen Monolithen und müssen sich erstmals bewusst werden, dass die Menschheit nicht allein im Universum ist. Der Monolith selbst ist wie eine Brotkrume, da er ein Signal in Richtung Jupiter sendet, nachdem ein Forscher den Quader anfasst – und damit beginnt die Odyssee durch den Weltraum.
Dass der Mond aber für viel rationalere Ziele in der Science-Fiction herhalten muss, sieht man an Beispielen wie „Iron Sky“, „Moon“oder Fritz Langs Klassiker „Frau im Mond“. Darin verkommt der Erdtrabant zu einem Rohstofflieferanten. In „Iron Sky“und „Moon“ist es der Stoff Helium-3, in „Frau im Mond“einfach Wasser und Gold. Dass weder der Abbau noch die Reise zum Trabanten problemlos verlaufen, überrascht da kaum.
Abschließend bleibt der Mond, selbst nachdem der Mensch ihn das erste Mal betreten hat, kein Ausflugsziel, kein Ort für jedermann. Er hat trotzdem seinen Charme nicht verloren. Nur in Science-FictionFilmen sieht man ihn seltener als exotisch an. Mondbasen, das Sprungbrett zu den Sternen oder ein Trainingsgelände – dafür ist der Erdtrabant immer noch eine Szene wert. Vielmehr übernimmt die Wissenschaft statt die Fiktion. Filme wie „Apollo 13“oder „First Man“betrachten den Erdtrabanten als das, was er für die Menschen immer war: Ein unentdecktes Land, das es zu erobern galt. Koste es, was es wolle. Zeit, Material und Menschen. Und der Mond hat alles strahlend beobachtet. Denis Dworatschek