Es sind besondere Tage für Hobby-Astronomen. Zum Beispiel in Gundremmingen. Ein Besuch
Blickt man zum Himmel, werden die Probleme auf der Erde ganz klein, sagt Ralf Keller. Der Hobbyastronom steht neben einem Teleskop vom Durchmesser eines Baumstamms und wartet, bis die Sonne untergegangen ist. Etwa zwei Kilometer Luftlinie entfernt steigt Dampf aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Gundremmingen. Der Himmel über der Volkssternwarte jedoch ist klar – was Keller sichtlich erfreut. Er leitet einen gleichnamigen Astronomie-Verein, von denen es in Bayern Dutzende gibt. Es ist ein besonderer Tag für Sternenfreunde: Weil die Erde ihren Schatten auf einen Teil des Monds wirft und so eine partielle Mondfinsternis verursacht; und weil genau 50 Jahren früher Astronauten zum Mond aufbrachen.
Die Apollo 11 faszinierte ihn als damals Neunjährigen, erzählt Keller. Als die Landung bevorstand, weckte ihn sein Großvater um 3 Uhr nachts mit den Worten: „Heute Nacht passiert etwas Besonderes.“Sie setzten sich vor den Fernseher, der zu dieser Uhrzeit sonst kein Signal empfing, und verfolgten das Ereignis. „Da hat mich das WeltraumVirus infiziert.“Er war begeistert. Die Sammelbilder anderer Kinder zeigten Fußballer, seine Astronauten. Später kam eines zum anderen, Abitur, Lehramtsstudium, Familie – Keller ließ das Weltall Weltall sein. Mitte der 90er-Jahre besuchte er einen Volkshochschulkurs zur Astronomie – und wurde rückfällig. „Da ist das Virus ausgebrochen.“
Während der Mond am Horizont auftaucht, verabschiedet sich die Sonne auf der gegenüberliegenden Seite. Im Hintergrund rattert ein Dieselgenerator, obwohl in Sicht
weite ein Kraftwerk steht, das Süddeutschland mit Strom versorgt – nur die Stromleitung zu dem abgelegenen Areal fehlt. Die Teleskope bestehen nicht nur aus Linsen, sondern sind komplexe elektrische Geräte, die sich anhand von GPS-Daten ausrichten.
Doch bevor sich die Erde vor den Mond schiebt, zieht der Saturn das Interesse der Besucher auf sich. Ein Mann richtet das Teleskop aus, es bildet sich eine Schlange von einem Dutzend Menschen. Blickt man hindurch, sieht der Planet aus wie ein Auge – der beleuchtete Planet bildet die Pupille, der ihn umgebende Ring formt die Lider. Zurück zum Mond: Langsam wird er dunkler. Etwa zwei Drittel davon, die von der Erde zu sehen ist, werden werden um 23.30 Uhr verdunkelt sein – aber nicht ganz. Denn das Sonnenlicht, das an der Erde vorbei durch die Atmosphäre reist, wird gebrochen. Der rote Anteil schafft es bis zum Trabanten und färbt seine Oberfläche ziegelfarben. Was mit dem bloßen Auge nur Flecken sind, wird beim Blick durch die Linse zu Kratern. Manche greifen zum Fernglas. Das vergrößert weniger stark, doch der Mond scheint dadurch noch mehr von einer Scheibe zur Kugel zu werden. Vergrößerung ist nicht alles, bestätigt ein Mann. „Manches ist schöner, wenn man das Gesamtbild sieht.“
Als die Menschheit den Mond bereiste, explodierte der Glaube an die Technik, erinnert sich Keller. Was soll als Nächstes kommen? Heute ist das nicht mehr so – die mutmaßliche Unerreichbarkeit großer Teile des Alls rückten ins Bewusstsein. Doch die Beobachtung des Himmels wurde einfacher: Benötigte man früher Laborbedingungen, um durch ein Teleskop ein Foto aufzunehmen, gibt es heute Adapter für Smartphones. Mehrere Buben stellen sich an und montieren ihr Handy unter Anleitung eines jüngeren Vereinsmitglieds, um den Mond zu fotografieren. So blicken Kinder und Rentner an diesem Abend zum Himmel: Manche treffen sich seit Jahrtzehnten jeden Freitag in der Sternwarte, andere pressen ihr Auge zum ersten Mal an ein Teleskop. „Von der Hausfrau bis zum Physiker“, beschreibt Keller die Vereinsstruktur: Sie eint die Faszination Weltall.
Philipp Wehrmann Franz Keller