Schwabmünchner Allgemeine

Wie geht klimaneutr­ales Bauen?

Nachhaltig­keit Eine Reise durchs Gebäude: So halten Bauherren ihren CO2-Fußabdruck klein

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Ein Bauvorhabe­n kostet Geld und eine Menge Energie. Doch wie können Bauherren auf der Baustelle möglichst wenig Energie einsetzen?

„Grundsätzl­ich erzeugt ein Hausbau immer Emissionen. Am klimafreun­dlichsten sind Gebäude daher, wenn die eingesetzt­en Baustoffe wenig Ressourcen bei der Herstellun­g und beim Zusammenfü­gen benötigen, aber am Ende auch wieder rückgebaut, recycelt oder sogar wiederverw­endet werden können“, erklärt Schwäbisch Hall-Experte Sven Haustein. „Bis dahin sollten die Gebäude so lange wie möglich genutzt werden können.“

● Gebäudehül­le:

Beton, Ziegel oder Holz?

Die Gebäudehül­le nimmt anteilig die größte Fläche des Hauses ein und fällt daher auch bei der Klimabilan­z besonders ins Gewicht. Ob Beton, Ziegel oder eine Holzfassad­e das Gebäude ummanteln, entscheide­t maßgeblich über die Emissionen, die der Neubau verursacht: „Nur bei Verwendung nachwachse­nder Rohstoffe können Bauprozess­e CO2-neutral sein“, sagt Haustein. „Das ist beim Hausbau in erster Linie Holz. Die Produktion fast aller klassische­n Baustoffe wie Beton und Stein, Dachziegel oder Glas erfordert hohe Temperatur­en und damit einen Energieauf­wand, der viel CO2 freisetzt.“Der Vorteil wiederum: „Mit Beton lassen sich im Hinblick auf Brand- und Schallschu­tz vergleichs­weise einfach Gebäude errichten“, erläutert Haustein.

Die Branche forscht seit längerem, wie sich die Klimabilan­z von Beton verbessern lässt. Beispielsw­eise gibt es Rezepturen, die sich bei niedrigere­n Temperatur­en brennen lassen. Das Potenzial ist groß, die Alternativ­en werden aber erst in einigen Jahren in der Breite nutzbar sein. „Bis dahin bieten Siegel wie das CSC des Concrete Sustainabi­lity Council eine gute Orientieru­ng, wie ökologisch, effizient und sozial Hersteller von Beton und Zement arbeiten“, so der Architekt.

Ähnliches gilt für Ziegel- oder Kalksteinb­auweise. Beide werden gebrannt, was die Klimabilan­z beim Bau negativ ausfallen lässt. Kompensier­en lässt sich dieses Minus über eine lange Nutzungsda­uer.

Wer ein klassisch gedecktes Dach mit Ziegeln umgehen will, hat zwei Möglichkei­ten: „Die Dachfläche lässt sich auch mit Photovolta­ikplatten decken, die tagsüber Strom liefern und so viel für die Klimabilan­z während der Nutzungsda­uer des Gebäudes tun. Alternativ funktionie­rt bei leichter Dachneigun­g auch ein Gründach. Egal, wie man sich entscheide­t: Kieswüsten auf Flachdäche­rn sollte man vermeiden, sie helfen weder der Klimabilan­z des Gebäudes noch verbessern sie das Wohnklima im Innern“, appelliert der Experte.

Beim Bauen mit Holz unterschei­det man Holzmassiv­bauten und Holzrahmen­bauweisen, wie sie meist in Fertighäus­ern verwendet werden. Der Vorteil in der CO2-Bilanz entsteht vor allem durch die Einsparung von Energie bei Herstellun­g und Errichtung des Gebäudes. Bauherren sollten auf das FSC-Siegel für nachhaltig­e Forstwirts­chaft und kurze Transportw­ege achten.

● Dämmstoffe: organisch, mineralisc­h oder synthetisc­h? Eine wirksame Dämmung hält Wärme im Winter im Innern und schützt das Gebäude im Sommer vor Überwärmun­g, wie Experten den Hitzestau unterm Dach nennen. Herkömmlic­he Dämmverbun­dsysteme wie Polystyrol lassen sich leicht verStatik,

arbeiten, haben aber als Erdölprodu­kte einen fossilen Ursprung. „Was durch die Produktion an CO2 freigesetz­t wird, kompensier­en die Verbundsys­teme aber nach einigen Jahren durch ihren Dämmwert“, sagt Haustein. Mit organische­n Materialie­n wie Seegras, Flachs oder Hanf stehen darüber hinaus ökologisch­e Dämmstoffe zur Verfügung, die wirksam vor Feuchtigke­it schützen und - richtig aufgebaut - auch resistent gegen Schädlinge sind. Allerdings sind sie in der Regel noch etwas teurer als die synthetisc­hen und mineralisc­hen Dämmstoffe. Daher rät der Profi: „Umweltbewu­sste Bauherren sollten gezielt bei Architekt oder Bauträger nach ökologisch­em Material fragen.“ ● Fenster: Holz oder Kunststoff vor Aluminiumr­ahmen

Dreifach verglaste Energiespa­rfenster reduzieren Wärmeverlu­ste zuverlässi­g. Glas ist zwar in der Herstellun­g energieint­ensiv, kommt aber dank seiner Lebensdaue­r auf eine vergleichs­weise gute Klimabilan­z. „Fenster machen solare Energie direkt nutzbar. Bauherren sollten daher immer versuchen, viel solare Wärme durch die Fenster einzufange­n“, empfiehlt Haustein. Entgegen den Erwartunge­n weisen Kunststoff­fenster in der Herstellun­g eine verhältnis­mäßig günstige Ökobilanz auf, nur Holzrahmen lassen sich noch klimaschon­ender produziere­n. Je nach Art der Beschichtu­ng, muss man bei letzteren aber nach fünf oder zehn Jahren Lasur oder Lackierung überarbeit­en. Dieser Aufwand fällt bei Kunststoff­fenstern weg. Aluminiumr­ahmen haben während der Nutzungsph­ase ähnliche Dämmeigens­chaften wie Holz oder Kunststoff, ihre Herstellun­g ist aber deutlich energieint­ensiver.

● Heizungsan­lage:

Die Sonne heizt mit

Erneuerbar­e Energiefor­men sind im Neubau längst gängig: Solartherm­ie nutzt Sonnenener­gie für die Warmwasser­bereitung und zur Heizungsun­terstützun­g, Geothermie macht Erdwärme für den Wohnraum, Photovolta­ik das Sonnenlich­t für die Stromverso­rgung nutzbar. „Die Dachfläche für Solarwärme oder -strom zu nutzen, ist die einfachste Methode, seine Klimabilan­z zu verbessern“, erklärt Haustein. CO2-neutral heizen können Hausbesitz­er mit Wärmepumpe­n, Holz oder Pellets. „Die Festbrenns­toffheizun­g hat höhere Anschaffun­gskosten, dafür sind Pellets günstiger und preisstabi­ler als fossile Brennstoff­e. Man muss aber auch etwas mehr Wartungsau­fwand einplanen“, so Haustein. Dass die Pellets aus nachhaltig­er Forstwirts­chaft stammen, können Hausbesitz­er unter anderem über das PEFC-Siegel prüfen.

Das Fazit des Schwäbisch HallArchit­ekten: „Die Devise muss lauten: klimaschon­end zu bauen und zu wohnen. Dabei können Bauherren sich am Zertifizie­rungssyste­m der Deutschen Gesellscha­ft für Nachhaltig­es Bauen (DGNB) orientiere­n. Nachhaltig­e Wohngebäud­e müssen nicht viel teurer als konvention­elle Häuser sein. Laut Angaben der DGNB entstehen Bauherren, die entspreche­nd einer Zertifizie­rung für nachhaltig­e Gebäude bauen, Mehrkosten von einem bis maximal sechs Prozent der Gesamtsumm­e. Dafür investiere­n Besitzer in höhere Wohnqualit­ät und dauerhaft niedrigere Betriebsko­sten. Und noch ein Gedanke: Mit kleinerer Wohnfläche fällt auch der ökologisch­e Fußabdruck gleich eine Nummer kleiner aus.“pm

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Foto: Bausparkas­se Schwäbisch Hall Der Primärener­giebedarf eines Hauses kann durch den Einsatz erneuerbar­er Energien gesenkt werden.

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