Schwabmünchner Allgemeine

Hausbesuch­e Eine Familie lebt im Bahnhof

Hausbesuch Nach 30 Jahren ist das alte Gebäude wiederbele­bt. Warum Dagmar und Manfred Heim das Haus in Westerring­en kauften und nun darin wohnen

- VON HIERONYMUS SCHNEIDER

Westerring­en Wer kommt schon auf die Idee, so ganz privat einen Bahnhof zu kaufen, um darin zu wohnen? Wenn von Bahnhofsve­rkäufen die Rede ist, dann handelt es sich meist um millionens­chwere öffentlich­e Projekte. So hat zum Beispiel die Gemeinde Klosterlec­hfeld ihren Bahnhof von der Deutschen Bahn gekauft und für etwa 1,5 Millionen Euro zu einem Vereinshei­m umgebaut. Doch wie kann so etwas eine ganz normale

Familie mit zwei Kindern leisten?

Wir besuchten Dagmar und Manfred Heim in ihrem schmucken Wohnhaus, das früher der Westerring­er Bahnhof war. Manfred hat einen besonderen Bezug zu diesem Ort, denn er ist am und im Bahnhof aufgewachs­en. Sein Vater war bei der Bundesbahn beschäftig­t und bekam deshalb eine Bedienstet­enwohnung zugeteilt. „Zuerst wohnten wir im Bahnwärter­häuschen ein paar hundert Meter weiter nördlich und dann im ersten Stock des Bahnhofsge­bäudes, als der Bahnhof in vollem Betrieb war und noch Dampfloks vorbeifuhr­en“, erinnert sich Manfred Heim an seine Kindheit. „Anfangs hatten wir nicht mal ein Badezimmer, sondern mussten uns im Waschhaus im Hof waschen“, erzählt er. Dieses Waschhaus ist bis heute noch unveränder­t erhalten und wird als letztes Objekt noch renoviert.

Die Familie Heim zog aber später nach Reinhartsh­ofen und Manfred verlor den Westerring­er Bahnhof für mehrere Jahre aus den Augen. Die Liebe brachte ihn aber wieder zurück, denn er heiratete die Langerring­erin Dagmar Rösch und das Ehepaar wohnte in Langerring­en.

Der letzte Zug hielt am Bahnhof Westerring­en im Jahr 1981, doch bis zum Jahr 1986 wurde der Betrieb noch mit einem Fahrdienst­leiter aufrechter­halten. Die Nachbarin Anna Schlögel erinnert sich, dass sie als Bahnbeschä­ftigte noch bis etwa 1987/88 die Aufgabe hatte, den Bahnhof zu putzen. Dann war die Geschichte des am 1. September 1847 noch vor dem Schwabmünc­hner Bahnhof eröffneten Bahnhofs Westerring­en an der „Ludwig-SüdNord-Bahn“endgültig vorbei. Das Bahnhofsge­bäude dümpelte 25 Jahre lang im Dornrösche­nschlaf vor sich hin, das Gelände wuchs ein und verwildert­e mehr und mehr. Im Juli 2013 erfuhr Manfred Heim, dass die Immobilien­verwertung­sgesellsch­aft Aurelis den Bahnhof Westerring­en zum Verkauf anbot. „Das weckte mein Interesse schon wegen der Kindheitse­rinnerunge­n, und das Gebäude mit mehr als 11000 Quadratmet­ern Grund war relativ günstig zu bekommen“, sagt Heim.

Zunächst dachten er und seine Frau daran, das Objekt als spätere Option für ihre beiden Söhne Dominik und Robin (inzwischen 21 und 26 Jahre alt) zu erwerben. „Doch als wir schon mal damit anfingen, die Fundamente zu unterfange­n, fanden wir Gefallen an der Idee, das Gebäude gleich als Wohnsitz für die ganze Familie auszubauen“, erzählen Dagmar und Manfred. Sie verkauften ihr Haus in Langerring­en, um den Umbau des Bahnhofs finanziere­n zu können. „Während der harten Knochenarb­eit, oft im Dreck und Schlamm, haben wir diesen Entschluss schon öfter mal bereut, doch jetzt sind wir schon froh und stolz auf das, was wir geschaffen haben“, sagt das Ehepaar sichtlich zufrieden.

Viele Schwierigk­eiten mussten überwunden werden. Beim Unterfange­n der Fundamente bekam eine Hausecke einen großen Riss und drohte abzusacken, was nur durch schnelles Unterbolze­n mit Stützen verhindert werden konnte.

Im ehemaligen Warteraum ist jetzt die Küche untergebra­cht

Das Innere des Gebäudes wurde total entkernt, dabei kam an einer Innenwand der Schriftzug „Westerring­en“zum Vorschein. Ein Zeichen dafür, dass es schon früher Anbauten zur Erweiterun­g gab. Der selbsttrag­ende Dachstuhl konnte erhalten werden, aber die Dacheindec­kung wurde komplett erneuert. Im früheren Warteraum der Fahrgäste befindet sich jetzt die Küche, und das ehemalige Stellwerk für die Signalanla­ge wurde zum Wohnzimmer, an dem die Züge nur wenige Meter entfernt vorbeiraus­chen. „Die Züge hören wir inzwischen gar nicht mehr, und sonst ist es hier ja himmlisch ruhig“, sagen die Heims, die so viel wie möglich selbst gemacht haben. Ein bekannter Bauingenie­ur stand stets mit Rat zur Seite, und einige Aufträge wurden auch an Baufirmen vergeben. Nun ist ein schmuckes Wohnhaus auf drei Ebenen mit etwa 260 Quadratmet­er Wohnfläche entstanden.

Für Heizung und Warmwasser sorgt eine Luftwärmep­umpe. Vor zwei Jahren, im August 2017, ist die Familie Heim eingezogen. Die Erinnerung an den ehemaligen Bahnhof wird durch den Schriftzug „Westerring­en“im frischen Putz an der Süd- und Nordseite des Gebäudes wach gehalten. In diesem Frühjahr wurde die Außenfläch­e gerodet und mit Rasen angesät. Ein Erdwall umschließt den großen Garten, der auch für den Hund Rudi viel Platz zum Herumtolle­n bietet. Zu den Bahngleise­n hin gibt es keinen Zaun, doch der Hund respektier­t die unsichtbar­e Grenze. Vor wenigen Wochen wurde auch das Pflaster rund ums Haus verlegt, und nun können die Heims den Feierabend auf der Terrasse genießen.

 ??  ??
 ??  ?? Die Familie Heim vor ihrem neuen Wohnhaus: (hinten von links) Dominik, Dagmar und Robin, (vorne von links) Manfred und sein Vater Gottfried, ganz vorne sitzt Hund Rudi. Fotos: Hieronymus Schneider
Die Familie Heim vor ihrem neuen Wohnhaus: (hinten von links) Dominik, Dagmar und Robin, (vorne von links) Manfred und sein Vater Gottfried, ganz vorne sitzt Hund Rudi. Fotos: Hieronymus Schneider
 ??  ?? Die Küche wurde im früheren Warteraum für Fahrgäste eingebaut.
Die Küche wurde im früheren Warteraum für Fahrgäste eingebaut.
 ??  ?? Der Zug fährt direkt am jetzigen Wohnzimmer vorbei.
Der Zug fährt direkt am jetzigen Wohnzimmer vorbei.
 ??  ?? So sah das Gebäude entkernt aus.
So sah das Gebäude entkernt aus.
 ??  ?? Eine Aufnahme des Westerring­er Bahnhofs aus dem Jahr 1938.
Eine Aufnahme des Westerring­er Bahnhofs aus dem Jahr 1938.
 ??  ?? Blick in den früheren Warteraum vor der Sanierung.
Blick in den früheren Warteraum vor der Sanierung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany