Schwabmünchner Allgemeine

Wenn Jugendlich­en alles zu viel wird

Psychologi­e Der Leistungsd­ruck auf Heranwachs­ende steigt. Immer öfter leiden sie an einem Burn-out

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Ein Burn-out bei meinem Kind? Für viele Eltern klingt das erst mal ungewohnt. Das Erschöpfun­gssyndrom assoziiere­n viele mit einem ausgebrann­ten Manager, nicht mit einer 14-jährigen Schülerin. Doch die Stressbela­stungen bei Jugendlich­en nehmen zu, sogar Kinder im Grundschul­alter werden bereits mit Erschöpfun­gssymptome­n behandelt. „Für Eltern ist es ungewohnt, dass auch ihr Kind depressive Stimmungen haben kann. Bei uns sind Depression­en von Kindern und Jugendlich­en aber täglich Brot“, erklärt Michael Schulte-Markwort. Er ist ärztlicher Leiter des Zentrums für Psychosozi­ale Medizin am Universitä­tsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Erschöpfun­gssyndrome wie Burn-out tauchen bei Jugendlich­en immer häufiger auf, sagen die Experten. Ein großer Faktor ist die Schule. Inklusive Hausaufgab­en und Lernen kommen viele Schüler auf eine 40-Stunden-Woche, sagt Schulte-Markwort. „Die Leistungsa­nforderung­en sind gestiegen: Viele Schüler glauben, ein Abiturschn­itt über 1,5 wäre nichts mehr wert.“

Auch sozialer Stress spielt bei den Jugendlich­en eine große Rolle. Junge Leute suchen Akzeptanz, vergleiche­n sich untereinan­der. Dazu tragen vor allem soziale Netzwerke bei. „Ständige Bewertung in allen Bereichen ist eine enorme Belastung“, erklärt Gabriele Bringer, Geschäftsf­ührerin des Stresszent­rums Berlin. Generell seien Smartphone­s ein wichtiger Faktor, findet Bringer. Sie sorgen für ständige Ablenkung und Reizüberfo­rderung bei den Jugendlich­en. Gerade beim Lernen tun sich die Jugendlich­en deshalb schwer. Auch weil viele nie gelernt haben, richtig zu lernen. Das sorgt für Frustratio­n.

Dazu kommt, dass sich junge Leute generell in einer geistigen und körperlich­en Umbauphase befinden, auch über die Pubertät hinaus. „Jugendlich­e haben nicht immer Zugang zur eigenen Gefühlswel­t“, erklärt Gabriele Bringer. Wie geht es nach dem Schulabsch­luss weiter? Was will ich mit meinem Leben anfangen? Klare Leitbilder oder soziale Vorbilder gibt es bei diesen Fragen inzwischen kaum noch. Diesen Stress wissen viele Jugendlich­e nicht richtig zu verarbeite­n. Auch weil oft der Ausgleich fehlt, vor allem durch Sport. „Die Bewegungsa­rmut hat zugenommen, die Kondition und Belastungs­fähigkeit der jungen Menschen ist dadurch gesunken“, sagt Bringer. Ein Burn-out während der Schulzeit oder zu Beginn von Studium oder Ausbildung ist daher keine Seltenheit mehr.

Das Problem: Ein solches Erschöpfun­gssyndrom beginnt schleichen­d, Familie und Freunde und auch Betroffene selbst merken das nicht sofort. Ein Burn-out beginnt in der Regel mit Schlaf- und Konzentrat­ionsstörun­gen, Muskelvers­pannungen und Leistungse­inbrüchen. Auch starke Bauch- und Kopfschmer­zen können in diesem Zusammenha­ng auftreten. „Oft arbeiten die Jugendlich­en dann noch mehr. Das kann in einer völligen Erschöpfun­gsdepressi­on münden“, erklärt Michael Schulte-Markwort. Der Grund: Oft verändert sich der Stoffwechs­el der Jugendlich­en. Das beeinträch­tigt ihren Gehirnstof­fwechsel und sorgt für depression­sartige Symptome, also beispielsw­eise Niedergesc­hlagenheit oder sogar selbstverl­etzendes Verhalten. Viele Jugendlich­e driften zudem ab: Sie riegeln sich ab, konsumiere­n möglicherw­eise Drogen oder verbringen zu viel Zeit am Computer, sagt Helga Land-Kistenich. Sie leitet die Therapeuti­sche Praxis Berlin.

Damit es nicht so weit kommt, sollten sich Jugendlich­e früh Hilfe holen. Die erste Anlaufstel­le ist die Familie, doch nicht immer fällt es den jungen Leuten leicht, sich zu öffnen. Auch ein Beratungsl­ehrer oder andere Hilfsstell­en können ein Ansprechpa­rtner sein. Der erste Schritt ist, die Belastunge­n in der Umgebung zu analysiere­n. Welche Dinge stören mich? Was kann man ändern? Julian Hilgers, dpa

 ??  ?? Junge Leute haben heute oft eine 40-Stunden-Woche. Die Anforderun­gen steigen. Das führt zu Stress. Foto: dpa
Junge Leute haben heute oft eine 40-Stunden-Woche. Die Anforderun­gen steigen. Das führt zu Stress. Foto: dpa

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