Schwabmünchner Allgemeine

SPD bereitet AKK schweren Start

Bundestag Direkt nach dem Amtseid der neuen Verteidigu­ngsministe­rin sagt ihr der Koalitions­partner, was alles mit ihm nicht geht in der Sicherheit­spolitik und bei der Bundeswehr

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der kommissari­sche SPDFraktio­nschef ist ein höflicher Mensch. Rolf Mützenich wünschte Annegret Kramp-Karrenbaue­r nach ihrer Vereidigun­g als Verteidigu­ngsministe­rin und ihrer ersten Regierungs­erklärung im neuen Amt alles Gute. Danach zeigte er der Ministerin am Mittwoch sofort scharf ihre Grenzen auf.

Er warf ihr erstens vor, einen falschen Sicherheit­sbegriff zu haben, der sich zu eng auf militärisc­he Stärke konzentrie­re. Er erteilte zweitens ihrer Forderung nach einer deutlichen Mittelaufs­tockung für die Bundeswehr eine Absage und nannte das einen Tanz um das Goldene Kalb. Und er wandte sich drittens gegen den Wunsch des Nato-Partners USA nach deutschen Soldaten im Kriegsgebi­et in Syrien. „Allein bündnispol­itische Erwägungen genügen nicht, seitdem ein Rassist im Weißen Haus sitzt, der sich durch Unberechen­barkeit und Egoismus auszeichne­t“, tönte Mützenich. Die neue Chefin der Truppe hatte da nur Minuten zuvor dafür plädiert, Unterstütz­ungsanfrag­en von Verbündete­n nicht reflexhaft abzubügeln. Doch der SPD-Mann machte klar, dass seine Fraktion Ende Oktober den Einsatz der Bundeswehr bei der Bekämpfung des Islamische­n Staates in Syrien nicht verlängern wird. Die Genossen engen damit den Spielraum von Kramp-Karrenbaue­r auf dem ohnehin als Schleuders­itz verschriee­nen Ministerpo­sten deutlich ein. Im politische­n Berlin fragte nicht nur der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner, ob die schwer gebeutelte­n Sozialdemo­kraten schon auf dem Weg in die Opposition sind und die Große Koalition platzen lassen wollen. Noch in diesem Jahr wollen sie schließlic­h eine Halbzeitbi­lanz des ungeliebte­n Regierungs­bündnisses ziehen, das sie massiv an Vertrauen kostet.

Im Falle eines Platzens der Großen Koalition würde Kramp-Karrenbaue­r lediglich ein Intermezzo an der Spitze der Bundeswehr geben. Denn die CDU-Vorsitzend­e hat Größeres vor und will Angela Merkel als Kanzlerin beerben. Ihr Start als Verteidigu­ngsministe­rin ist aber nicht nur durch die klaren Ansagen des Koalitions­partners belastet, sondern vor allem damit, dass sie noch jüngst ausgeschlo­ssen hatte, ein Regierungs­amt anzustrebe­n. Bei den Soldaten könnte die Botschaft ankommen, dass die Führung der Armee allein aus machttakti­schen Perspektiv­en von einer Politikeri­n übernommen wurde, deren persönlich­e Beliebthei­tswerte steil nach unten zeigen. In ihrer Rede vor den Abgeordnet­en tat Kramp-Karrenbaue­r dann alles dafür, sich das Wohlwollen der Truppe zu sichern. „Unsere Soldatinne­n und Soldaten sollen Tag für Tag erleben, wie sich nun endlich die Lücken bei Material und Ausrüstung schließen“, kündigte sie an. Wegen ihrer Vereidigun­g mussten die Abgeordnet­en zur Sondersitz­ung aus dem Sommerurla­ub zurückgeho­lt werden. Schon im Herbst plant die Saarländer­in, ihnen einen Fahrplan vorzulegen, wann welches große Kriegsgerä­t bestellt werden soll.

An Arbeit wird es ihr nicht mangeln. Die frische Inhaberin der Befehlsgew­alt findet die Streitkräf­te nach 14 Jahren mit Verteidigu­ngsministe­rn aus den Reihen von CDU und CSU in einem erbärmlich­en Zustand vor. Die Meldungen über Pleiten, Pech und Pannen sind zahllos. Flugzeuge können nicht abheben, Schiffe nicht auslaufen und Panzer nicht vorrücken, weil Ersatzteil­e und Munition fehlen. Zu wenige geeignete Bewerber wollen das Waffenhand­werk lernen, sodass die Eingangskr­iterien für den Dienst gesenkt werden mussten. Die Skandale um das Segelschul­schiff „Gorch Fock“und Beraterver­träge in Millionenh­öhe offenbarte­n eine groteske Führungssc­hwäche an der Spitze des Militärs.

Weil sich diese Missstände nicht binnen Monaten beheben lassen, hat Kramp-Karrenbaue­r zunächst atmosphäri­sche Verbesseru­ngen ins Auge gefasst. Zum Geburtstag der Bundeswehr am 12. November sollen in allen Bundesländ­ern öffentlich­e Gelöbnisse abgehalten werden. „Unsere Soldatinne­n und Soldaten kommen aus der Mitte unserer Gesellscha­ft. Und deshalb gehört die Bundeswehr in die Mitte unserer Städte und Gemeinden“, sagte die Dienstherr­in. Sie habe wegen der Gelöbnisse alle Ministerpr­äsidenten angeschrie­ben.

Direkt nach der Sondersitz­ung, die wegen Bauarbeite­n im Reichstag in das Ausschussg­ebäude verlegt werden musste, rauschte KrampKarre­nbauer zum Truppenbes­uch nach Celle ab. Dort wird die Nachfolger­in der in der Armee unbeliebte­n Ursula von der Leyen den Soldaten erklären müssen, wie sie die versproche­nen Verbesseru­ngen bezahlen will. Selbst das reduzierte Ziel, 1,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung für die Verteidigu­ng aufzuwende­n, droht verfehlt zu werden. Eigentlich soll es 2024 erreicht werden. Die mittelfris­tige Haushaltsp­lanung kommt aber bis zum Jahr davor nur auf 1,25 Prozent. Deutschlan­d wird damit weiter die militärisc­he Schutzmach­t USA verärgern, ohne die Europa sicherheit­spolitisch allein dastünde.

Öffentlich­e Gelöbnisse zum Bundeswehr-Geburtstag

 ??  ?? Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble gratuliert der frisch vereidigte­n Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Im Hintergrun­d hat sich das Bundeskabi­nett aufgestell­t. Die Vereidigun­g fand im Paul-Löbe-Haus des Bundestags statt, weil der Plenarsaal gerade renoviert wird. Foto: Michael Kappeler, dpa
Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble gratuliert der frisch vereidigte­n Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Im Hintergrun­d hat sich das Bundeskabi­nett aufgestell­t. Die Vereidigun­g fand im Paul-Löbe-Haus des Bundestags statt, weil der Plenarsaal gerade renoviert wird. Foto: Michael Kappeler, dpa

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