Ein Ankläger ohne Feuer
USA Auf fünf Stunden war die mit Spannung erwartete Aussage des ehemaligen Russland-Sonderermittlers Robert Mueller im Kongress angesetzt. Warum der 74-Jährige dennoch wortkarg und vorsichtig bleibt
Washington Es dauert fast zwei Stunden, bis der Mann mit dem exakt gescheitelten Haar echte Emotionen zeigt. Er habe vergeblich versucht, den amerikanischen Präsidenten auf juristischem Wege anzugreifen, und versuche es nun mit einer politischen Intrige, hat der republikanische Kongressabgeordnete Tom McClintock ihm gerade vorgeworfen. Da schüttelt Robert Mueller leise mit dem Kopf und holt zum Konter aus: „Ich glaube nicht, dass Sie je einen Bericht gelesen haben, der so gründlich, so fair und so konsistent ist wie der, den wir vor uns liegen haben.“
Auf seine Arbeit lässt der 74-jährige Ex-Sonderermittler nichts kommen, und auch nicht auf sein 19-köpfiges Team, das zwei Jahre lang die russische Einmischung in die US-Wahlen und eine mögliche Justizbehinderung durch Präsident Trump untersuchte. Energisch widerspricht er kurz darauf der Unterstellung, seine Mitarbeiter nach Parteibuch ausgewählt zu haben. Ansonsten aber gibt sich der Jurist, der nach der Vorlage seines 448-seitigen Berichts nur einmal für zehn Minuten an die Öffentlichkeit getreten war, am Mittwoch bei der mehr als fünfstündigen Anhörung vor dem US-Kongress ziemlich wortkarg und folgt seiner schon Ende Mai ausgegebenen Devise: „Der Report ist meine Aussage“.
Dabei hätten die Erwartungen an den Auftritt der grauen Eminenz kaum größer sein können: Seit Tagen berichten die US-Medien derart ausführlich über den erwarteten Höhepunkt des politischen Sommers, dass sich die New York Times schon an den Super-Bowl, das End
spiel der US-Football-Liga, erinnert fühlte. Demokratische Abgeordnete sprachen von einem „Wendepunkt“, der massiven Druck für eine Amtsenthebung des Präsidenten auslösen werde. Um 18 Uhr am Vorabend haben sich die ersten Zuschauer angestellt, um am Morgen bei der Anhörung im Saal 2141 des Rayburn-Gebäudes nur ein paar hundert Meter vom Kapitol entfernt dabei sein zu können. Selbstverständlich wird das Ereignis live auf allen großen TV-Kanälen übertragen. Und tatsächlich gelingt es Jerry Nadler, dem demokratischen Vor
des Rechtsausschusses, mit kurzen Fragen ganz zu Beginn der Sitzung, zwei Antworten zu provozieren, mit denen seine Partei in den nächsten Wochen zu punkten versuchen wird. Trump behauptet nämlich immer wieder, die MuellerUntersuchung habe ergeben, dass er die Justiz nicht behindert habe. Ob das stimme, will Nadler von Mueller wissen. „Das ist nicht das, was im Bericht steht“, antwortet der ehemalige Sonderermittler knapp. „Also haben Sie den Präsidenten nicht entlastet?“, hakt der Abgeordnete nach. „Nein!“, betont Mueller.
Er habe nur deshalb keine Anklage erhoben, weil ein amtierender Präsident nach Auffassung des Justizministeriums nicht angeklagt werden könne.
Das könnte der Auftakt für ein Tribunal über Trump sein, dessen autokratische Übergriffe von der Entlassung des FBI-Chefs James Comey über die (nicht umgesetzte) Anweisung zum Rausschmiss von Robert Mueller bis zum Mobbing des ehemaligen Justizministers Jeff Sessions bestens belegt sind. Und es wäre eine Steilvorlage für die Einleitung eines Impeachment-Verfahsitzenden rens, wie es 90 demokratische Abgeordnete seit langem vehement fordern. Doch es kommt anders. Das liegt zum einen daran, dass die Republikaner ihre Redezeit aggressiv nutzen, um die Untersuchung als parteiisches Komplott darzustellen. Vor allem aber trägt dafür der Zeuge eine erhebliche Verantwortung.
„Wir wollen, dass Bob Mueller die Dinge, die im Report stehen, zum Leben erweckt“, hatte Adam Schiff, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, vorher als Erwartung geäußert. Tatsächlich aber bleibt die Filmversion wie öfter hinter dem Buch zurück. Als Fernsehstar taugt Mueller einfach nicht. Der akkurate Staatsdiener fühlt sich ganz den Paragrafen und nicht der Politik verpflichtet. Denkbar vorsichtig antwortet er meist mit „Ja“oder „Nein“oder verweist gleich kommentarlos auf seinen Bericht. Er wirkt fahrig und hat zeitweise Schwierigkeiten, die Fragen zu verstehen. Ausgerechnet seine Aussage, weshalb er Trump nicht angeklagt habe, muss er später korrigieren. Allerdings warnt Mueller noch vor einer neuerlichen Einmischung Russlands und anderer ausländischer Staaten bei künftigen USWahlen.
Trump verfolgt die spröde Darbietung offenbar mit Vergnügen. Ironisch bedankt er sich per Twitter bei den Demokraten. Dafür freilich besteht kein Anlass. In der Sache nimmt Mueller nämlich kein Wort von seinem Bericht zurück. Und kaum hat Trump seinen Tweet abgeschickt, lässt er sich sogar noch einmal zum offenen Widerspruch hinreißen: „Das ist keine Hexenjagd“, weist er die gängige Charakterisierung der Untersuchung durch den Präsidenten zurück.
Auf seine Arbeit lässt der Jurist nichts kommen Trump bedankt sich ironisch bei den Demokraten