Schwabmünchner Allgemeine

Der neue Kinoweltre­kord

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kino@augsburger-allgemeine.de

Neulich stand eine Frau, die man in diesem Umfeld Dame nennen möchte, wie verirrt an der Kasse eines Multiplex-Kinos. Als stünde jemand in Kochhaube bei McDonald’s an. Als die vier Kids vor ihr endlich ihre Karten erhalten und dafür samt Überlängen-, 3D-Brillen und 3D-Zuschlägen insgesamt fast 60 Euro hingeblätt­ert hatten – was die Dame mit Stirnrunze­ln quittierte –, schlenzte ihr der joviale Jüngling hinterm Tresen entgegen: „Hi! Und was darf’s bei dir sein?“Wie schön wäre es gewesen, die Dame hätte den Dreistling daraufhin zurechtgew­iesen: „Junger Mann, Sie mögen in eine Zeit hineingebo­ren sein, in der man der Schludrigk­eit huldigt und unter Erfolg das bloße Aufrechnen von Dollar-Summen versteht…“Woraufhin dann jener verständni­slos die Stirn runzeln würde und die Dame dann, nach einem Seufzen und einem mitleidig wirkenden Lächeln, weiter: „Nun gut, wachen Sie nicht auf, duzen Sie einfach weiterhin alles und jeden und denken Sie weiter, ‚Avengers‘ wäre der erfolgreic­hste Film aller Zeiten – und jetzt geben Sie mir ein Ticket für einen Film, der nicht in 3D läuft und an dem die meisten mitwirkend­en Menschen nicht Computer-Programmie­rer sind…“

Kichernd kehrtmache­nd flüsterte sie dem ratlos erstarrten Jüngling zu: „Nimm ein Taschentuc­h, mein Kind. In den entscheide­nden Augenblick­en deines Lebens hattest du nie ein Taschentuc­h.“Hach, so viel in Hochmut spielende Souveränit­ät wünschte man den Älteren manchmal in der neuen Plastikwel­t – und der Jüngling könnte solche Sprache nur googeln und erführe so vielleicht doch noch von „Vom Winde verweht“. Aber leider hat die Dame sich duzen lassen, irritiert auch die 3D-Brille entgegenge­nommen, auf dem Display einen Sitz ausgewählt und fast 15 Euro bezahlt, um sich den neuen, komplett am Computer gebastelte­n „König der Löwen“anzusehen. Schade.

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