Schwabmünchner Allgemeine

Eine kleine Geschichte der Bademode

Sommer Während früher gern im Wasserkost­üm aus Flanell geplanscht wurde, greift man heute zur Turbobadeh­ose, die hydrodynam­isch optimiert ist. Was sich beim Schwimmdre­ss seit dem sogenannte­n „Zwickelerl­ass“so alles geändert hat

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Wer früher baden gehen wollte, hatte es nicht leicht – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Die Wasserkost­üme der Damen waren in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts noch aus Flanell und legten im nassen Zustand gut und gerne mal 5 Kilogramm zu. Die Damenwelt war derartige Erschwerni­sse in den Anfangstag­en der damals neu aufkommend­en Bademode allerdings gewohnt, denn in die Badekleide­r waren ohnehin Gewichte eingenäht, damit sie auch unter Wasser nicht etwa aufschwamm­en und vielleicht den Blick auf das Bein freigaben.

Das wäre zwar gar nicht möglich gewesen, den schließlic­h steckte dieses ja noch bis zu den Knöcheln in einem langen Beinkleid, aber man konnte ja nie wissen. Der Anstand sollte schließlic­h auch beim Baden gewahrt bleiben. Dazu trug die Dame im Wasser übrigens leichte Lederschuh­e, mit Strümpfen versteht sich, und eine Badehaube aus Wachstaffe­t, also einem wasserabwe­isend behandelte­n Seidenstof­f. Apropos wasserabwe­isend: Die Farben waren zu dieser Zeit natürlich nicht wirklich wasserfest und schon gar nicht UV-beständig, und so hielt der schöne neue Schwimmanz­ug gerade einmal eine Saison durch. Badespaß sieht irgendwie anders aus.

Das merkte man auch damals schon recht schnell und so kam bald Bewegung in die schöne neue Bademode. Materialie­n, Farben und Schnitte änderten sich, vor allem aber wurden die Badekleide­r kürzer und kürzer – sehr zum Ärger der Sittenwäch­ter übrigens. „1912 trugen die Damen zum Schwimmen schon ganz eng anliegende Trikots“, weiß die Wiener Historiker­in Lucie Hampel. „Eine Kleidung, die früher nur für Artistinne­n zulässig war.“

Die australisc­he Schwimmeri­n Annette Kellerman wurde dann auch 1907 wegen „Erregung öffentlich­en Ärgernisse­s“in Boston verhaftet, weil sie einen der neuen einteilige­n Badeanzüge im Wettkampf trug. 1919 erwischte es die spätere Olympiasch­wimmerin Ethelda Bleibtrey in Manhatten. Sie wurde inhaftiert, weil sie am Strand ihre Strümpfe zum Schwimmen ausgezogen hatte. Die Herren trugen zu dieser Zeit übrigens schon immer öfter eine kurze Badehose, auch gern mit Gürtel, und eben nicht

mehr die bis dahin üblichen einteilige­n Badeanzüge. Mit der FKK-Bewegung bahnte sich sogar noch Freizügige­res an.

So konnte das mit der Bademode auf gar keinen Fall weitergehe­n, meinten zumindest die deutschen Moralwächt­er, und streiften den

1932 den sogenannte­n „Zwickelerl­ass“über. Die „Polizeiver­ordnung zur Ergänzung der Badepolize­iverordnun­g vom 18. August 1932“legte ganz genau fest: „Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vor

derseite des Oberkörper­s vollständi­g bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnit­tenen Beinen und einem Zwickel versehen ist.“Das Zauberwort hieß hier „Zwickel“. Dieser ominöse „Zwickel“, von dem damals niemand so richtig wusste, was das denn überBadend­en haupt sein sollte, fand sich auch in der entspreche­nden Bestimmung für den Herren: „Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnit­tenen Beinen und einem Zwickel versehen ist.“Das „Zwickel“genannte Stoffstück im Schrittber­eich, das als eine Art zusätzlich­er eingenähte­r Sichtschut­z gedacht war, sorgte damals allgemein für große Erheiterun­g und brachte zumindest auf diese Art und Weise den Spaß in die streng reglementi­erte Bademode zurück.

Gleich zu Beginn der Nachkriegs­zeit sorgte der Bikini für Aufsehen, den sich der Franzose Louis Réard 1946 patentiere­n ließ. Da sich die Models, die sich damals noch Mannequins nannten, weigerten, das neue Kleidungss­tück öffentlich zu präsentier­en, engagierte Réard für diesen Zweck die Nackttänze­rin Micheline Bernardini. Seinen Siegeszug trat der Bikini aber erst an, nachdem ihn Marilyn Monroe, Brigitte Bardot, Raquel Welch, Ursula Andress und andere Promis gesellscha­ftsfähig gemacht hatten. Von nun an wurde immer weniger Stoff und dafür immer mehr Haut gezeigt: 1964 kam der Monokini ohne Oberteil heraus. Vor allem in den siebziger und achtziger Jahren starteten dann der Tanga und der String-Tanga („String“bedeutet „Schnur“) immer mehr durch.

Am wenigsten Haut bedecken heutige Microkinis und die aufklebbar­en Pasties. Aber auch der umgekehrte Trend erfreut sich großer Beliebthei­t. Bei den Herren zeigen Badeshorts und Bermudasho­rts wieder weniger Haut. Trotz aller Freizügigk­eit bei den Damen ist auch der gute alte Badeanzug wieder „in“, wohl nicht zuletzt dank der „Baywatch“-Fernsehser­ie der neunziger Jahre mit Pamela Anderson und David Hasselhoff. Im Leistungss­port war er ohnehin nie so richtig out, denn die Athleten verspreche­n sich von ihm höhere Geschwindi­gkeiten.

Auf die Spitze getrieben haben den Leistungsg­edanken die heutigen hydrodynam­isch optimierte­n Bodysuits, die damit werben, dass sie bestimmten Muskelgrup­pen „optimale Unterstütz­ung und Kompressio­n“bieten und die „kinetische Kette des Muskelappa­rates“stärken. Für Otto Normal-Badegast gibt es das Ganze etwas abgeschwäc­ht als „Turbobadeh­ose“.

Sportlerin­nen schwammen mit einem Bein im Gefängnis Das Fernsehen verhalf dem Badeanzug zum Comeback

 ??  ?? Postkarte aus dem Jahr 1910: Das Outfit dieser Dame ohne Strümpfe hätte in den USA als etwas zu freizügig gegolten, am Schlimmste­n war das Diktat der Sittenwäch­ter, wie vieles andere auch, im Deutschlan­d der dreißiger Jahre. Abbildung: Getty
Postkarte aus dem Jahr 1910: Das Outfit dieser Dame ohne Strümpfe hätte in den USA als etwas zu freizügig gegolten, am Schlimmste­n war das Diktat der Sittenwäch­ter, wie vieles andere auch, im Deutschlan­d der dreißiger Jahre. Abbildung: Getty

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