Was Augsburg gegen das Insektensterben tut
Natur Wildbienen, Hummeln und Co. werden in der Stadt immer weniger. Nun sollen Grünflächen mehr Artenvielfalt bieten. Grünamtsleiterin Anette Vedder sieht Autoverkehr als tödliche Falle
Das große Insektensterben in Deutschland macht vor den Stadtgrenzen Augsburgs nicht halt. Ein neuer Bericht der Umweltverwaltung kommt zu dem Ergebnis, dass einige Entwicklungen Wildbienen, Hummeln und Co. besonders zu schaffen machen. Gegen diesen Negativ-Trend will die Stadt nun gezielt vorgehen.
Ein Problem für Insekten in Augsburg ist die Kanalisierung großer Flüsse wie Lech und Wertach. Weil sich das Flussbett am Lech immer tiefer eingräbt und der Grundwasserspiegel sinkt, leiden besonders Eintagsfliegen, Libellen und andere Insektengruppen, deren Larven sich im Wasser entwickeln. Diese hätten massiv abgenommen, sagen Fachleute. Im Vergleich zu den 1970er-Jahren sei ein deutlicher Unterschied in der Insektendichte zu beobachten. Experten hoffen aber auch, dass die Flussrenaturierung an der Wertach und der geplante große Flussumbau des Freistaates am Lech Verbesserungen bringen. Bis das Jahrhundert-Projekt „Licca liber“am Lech kommt und Wirkung entfalten kann, wird es jedoch viele Jahre dauern.
Auch die fortschreitende Bebauung in Augsburg und die intensive landwirtschaftliche Nutzung wirken sich auf die Insektenvielfalt negativ aus. Große Teile der ursprünglichen Wildflusslandschaft und der benachbarten Heiden seien dadurch verloren gegangen. Fast 44 Prozent des Stadtgebiets sind laut Bericht inzwischen überbaut. Arten wie Wildbienen, Tagfalter, Laufkäfer, Heuschrecken und Wanzen gehen des
halb zurück. Die Sicherung und Pflege der noch vorhandenen Standorte im Stadtwald, in den LechauenNord und auf der Alten Flugplatzheide in Haunstetten sei deshalb besonders wichtig, so die Experten.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft gilt ebenfalls als großes Problem für die Artenvielfalt. Bewirtschaftete Felder und Wiesen machen rund 25 Prozent der Flächen im Stadtgebiet aus. Dem Bericht zufolge trifft der Einsatz von Pestiziden insbesondere auf der Augsburger Hochterrasse, aber auch in der Singoldund Wertachaue alle Arten von Insekten – auch deshalb, weil sie vom Wind auf benachbarte Biotope verweht werden können.
Nach Einschätzung der Umweltverwaltung könnten Pufferflächen einen erheblichen Beitrag zur Insektenvielfalt leisten. „Wer sich den Unterschied vor Augen führen möchte, sollte sich die Ackerflächen auf der Hochterrasse im Vergleich mit denen im Trinkwasserschutzgebiet ansehen“, heißt es in dem Bericht. Im Schutzgebiet Stadtwald sind beispielsweise noch viele seltene Schmetterlinge unterwegs.
Besonders alarmierend ist die Situation am Höhgraben im Augsburger Norden. In dem europäischen „Natura-2000“-Schutzgebiet ist die seltene Helm-Azurjungfer-Libellen zu finden. Noch. Sie kommt in der Stadt nur an dieser Stelle vor. Dünger aus der Landwirtschaft gelangt
jedoch bis in den Graben und setzt den Libellenlarven zu. Experten fordern, das Flurneuordnungsverfahren Lechhausen III mit festgelegten Randstreifen müsse dringend umgesetzt werden. Die Stadt hat dieses Verfahren zuletzt aus ökologischen Gründen mit rund 600 000 Euro unterstützt.
Soweit die erste Einschätzung von Fachleuten. Wie geht es weiter? Und was wird für Insekten getan? Die Stadt will nun das gesamte Stadtgrün genau erfassen und die Pflege von Grünflächen verbessern. Deshalb nimmt sie am LabelingVerfahren „Stadtgrün naturnah“teil. Darüber hinaus soll ein ökologisches Grünflächenkonzept entwickelt werden. Als Herausforderung
gilt, dass viele größere Grundeigentümer in Augsburg beim Insektenschutz zusammenarbeiten müssen – etwa der Forst, die Stadtwerke, aber auch staatliche Stellen.
In den vergangenen Jahren gab es aber auch viel Kritik von ausgewiesenen Insektenspezialisten in Augsburg und darüber hinaus. Der Vorwurf: In Augsburg werde das Grün in der Innenstadt und an Straßen zu früh und zu oft gemäht. Für einige Hummel- oder Wildbienenarten seien aber Blüten im Frühjahr überlebenswichtig.
Wie Grünamtsleiterin Anette Vedder erklärt, wird die ökologische Grünflächenpflege verbessert. In diesem Jahr seien 37 Flächen in diesem Programm – hauptsächlich in Grünanlagen am Lech, aber auch auf der Spickel-Wiese oder im Sheridan-Park. In diesem Park ist zu sehen, wohin die Reise gehen soll. Dort blühen artenreiche Wiesen mit Kartäusernelken, Schafgarbe und Zittergras. In einem Drittel des Parks wurde Samen aus der Region gesät, die Pflanzen werden nur zweimal pro Saison gemäht. Biologin Birgitt Kopp zeigt im Park, dass bestimmte Blumen wie Hornklee auch im häufig gemähten Rasen blühen. Nach Angaben des Grünamtes werden bereits mehr als 30 Prozent seiner Flächen erst spät im Frühjahr gemäht. Das Problem: Diese ökologische Grünflächenpflege könne aus personellen und finanziellen Gründen, aber auch mit Blick auf die Verkehrssicherheit, nicht beliebig ausgeweitet werden.
Derzeit gibt es fünf Mähfirmen, die im Auftrag der Stadt arbeiten. Diese könnten ihre Mähtermine nicht komplett umstellen. Ein weiteres Problem: Die Stadt kann den dritten Schnitt am Straßenrand nicht wirtschaftlich weiterverwerten. „Wir bräuchten Abnehmer wie Biogasanlagen“, sagt Mitarbeiter Franz Lernhard. Wenn das Gras jedoch liegen bleiben würde, werde der Boden zu sehr gedüngt, was wiederum der Artenvielfalt der Pflanzen schade. Amtsleiterin Anette Vedder hält die Kritik der Insektenspezialisten für eine „Scheindebatte“. Im Augsburger Straßenbegleitgrün sei es nicht sinnvoll, auf mehr Artenvielfalt zu setzen. Straßen seien für Hummeln und Bienen ohnehin ein gefährliches Terrain. Schadstoffe und Zusammenstöße von Insekten mit vorbeifahrenden Autos würden die Sterberate erhöhen.