Schwabmünchner Allgemeine

Gauck spricht über die Sehnsucht nach Freiheit

Goldener Saal Bei der Eröffnung des Friedensfe­stprogramm­s rückt der ehemalige Bundespräs­ident Joachim Gauck die Verantwort­ung in den Fokus. Danach stellt er sich Fragen von jungen Augsburger­n über Europa, Klimakrise und Flucht

- VON MIRIAM ZISSLER

Selten erhält jemand zweimal die Ehre, sich ins Goldene Buch der Stadt Augsburg einzutrage­n, sagte Oberbürger­meister Kurt Gribl im Goldenen Saal des Rathauses. 14 Jahre nachdem Joachim Gauck Ehrendokto­r der Philosophi­sch-Sozialwiss­enschaftli­chen Fakultät der Universitä­t Augsburg wurde und sich bei der Gelegenhei­t in das dicke Buch eintrug, wurde sie ihm am Mittwochab­end ein zweites Mal zuteil. Dem Eintrag ging eine zweistündi­ge Eröffnungs­feier zum kulturelle­n Rahmenprog­ramm des Friedensfe­stes voraus, die der ehemalige Bundespräs­ident Joachim Gauck zu einer kurzweilig­en Angelegenh­eit machte. Er sprach über Freiheit und Verantwort­ung, seiner „Kernkompet­enz“, wie er sie nannte. Eindrückli­ch schilderte der 79-Jährige, wie er, der im Krieg geboren und in Rostock in der DDR lebte, sich nach Freiheit gesehnt hatte. Der evangelisc­h-lutherisch­e Pastor berichtete von der friedliche­n Revolution in der DDR, von der Revolution, die zur Einheit und schließlic­h zur Freiheit führte. Doch diese Freiheit habe nun einmal zwei Seiten. „Die Freiheit der Erwachsene­n heißt Verantwort­ung“, sagte er. In jedem Einzelnen würden unglaublic­he Möglichkei­ten stecken. Der Mensch sei dafür geschaffen, Verantwort­ung zu tragen. Er dürfe ihr nicht mit Furcht begegnen. Er solle es als Geschenk sehen. Für sein Kurzvortra­g erhielt Gauck einen langen Applaus. Am Nachmittag war er aus Berlin angereist und hatte sein Zimmer im Drei Mohren bezogen. Wichtig war dem 79-Jährigen, dass er bei der Veranstalt­ung auch mit jungen Menschen ins Gespräch kommen konnte. Dazu erhielt er ausführlic­h Gelegenhei­t. Jeweils zehn Minuten durften sich junge Vertreter verschiede­ner Interessen­gruppen und Institutio­nen mit dem ehemaligen Bundespräs­identen unterhalte­n und ihm Fragen stellen.

Das Podiumsges­präch, moderiert von Sammy Khamis vom Bayerische­n Rundfunk, zeigte einen spontanen Gauck, der um keine Antwort verlegen war. Etwa als Denzil Manoharan (Tür an Tür Integratio­nsgruppe) fragte, wie die Situation der Flüchtling­e in Libyen oder an den EU-Außengrenz­en mit den Menschenre­chten vereinbar sei. Das sei ein „Dilemma“, sagte Gauck. Gegen die Vielfalt im eigenen Land sei nichts einzuwende­n. Das sei nicht schädlich. „Schädlich ist, wenn Probleme nicht gelöst werden und Menschen über lange Zeit in großen Einrichtun­gen leben müssen. Das fördert Parallelge­sellschaft­en.“Nora Schröder von den Jungen Europäisch­en Föderalist­en befragte Gauck zu den unterschie­dlichen Lebensverh­ältnissen in Europa. „Auf Dauer gehen diese Ungerechti­gkeiten nicht gut“, entgegnete er. Christine Schmitt, Präsidenti­n der Wirtschaft­sjunioren Augsburg, konfrontie­rte ihn mit der Bürokratie in Europa, Nicole Schneiderb­auer (Staatsthea­ter Augsburg) sprach mit ihm über widerständ­iges Sein. Nicht dem Mainstream folgen, sich der Begeisteru­ng verweigern seien auch Formen des Widerstand­s, so Gauck. Mit den Schülern Lorena Lungu und Luis diskutiert­e er über die Bewegung Fridays for Future. Er bestärkte die jungen Klimaschüt­zer in ihrem Engagement. Er sagte aber auch, dass es noch viele weitere wichtige Themen gäbe. Mit Jonas Riegel vom Stadtjugen­dring sprach er über Digitalisi­erung. Seine Enkel könnten freilich viel besser mit dem Smartphone umgehen als er. Diese technische Entwicklun­g würde zu einem Auseinande­rdriften der Generation­en führen, wenn die Jugendkult­ur die digitale Technik exklusiv für sich beanspruch­e.

 ??  ?? Bei der zweistündi­gen Eröffnungs­feier des kulturelle­n Rahmenprog­ramms zum Friedensfe­st begeistert­e Joachim Gauck das Publikum mit seiner pointierte­n Sichtweise. „Die Freiheit der Erwachsene­n heißt Verantwort­ung“, sagte er. Foto: Silvio Wyszengrad
Bei der zweistündi­gen Eröffnungs­feier des kulturelle­n Rahmenprog­ramms zum Friedensfe­st begeistert­e Joachim Gauck das Publikum mit seiner pointierte­n Sichtweise. „Die Freiheit der Erwachsene­n heißt Verantwort­ung“, sagte er. Foto: Silvio Wyszengrad

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