Schwabmünchner Allgemeine

„Bürger wollen auf Augenhöhe beteiligt werden“

Interview SPD-OB-Kandidat Dirk Wurm spricht über sein Wahlverspr­echen eines 365-Euro-Abos, über neue Formen der Bürgerbete­iligung, Fehler der Vergangenh­eit und wie er als Familienva­ter den Wahlkampf meistern will

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Die SPD befindet sich, wenn man sich den großen Trend anschaut, im Sinkflug. Was macht Sie zuversicht­lich, in Augsburg Oberbürger­meister werden zu können?

Dirk Wurm: Bei der Kommunalwa­hl 2020 geht es doch um die Frage, bei wem die Anliegen der Augsburger Bürgerinne­n und Bürger am besten aufgehoben sind. Wer hat bereits unter Beweis gestellt, dass er in der Lage ist, aktuelle Herausford­erungen pragmatisc­h zu lösen? Und wer hat genügend Kreativitä­t und Tatkraft, um neue Wege zusammen mit den Menschen in unserer Stadt zu gehen, um Augsburg fit für das neue Jahrzehnt zu machen? Ich glaube, dass ich beides in den vergangene­n fünf Jahren gut hinbekomme­n habe. Hinzu kommt, dass die SPD in Augsburg inhaltlich und personell gut aufgestell­t ist und ebenfalls gezeigt hat, dass sie es kann. Denken Sie nur an die 30 Prozent im geförderte­n Wohnungsba­u, die nun in neuen Bebauungsp­länen endlich umgesetzt werden.

Was machen Sie als OB besser als die anderen Bewerber?

Wurm: Besser? Weiß ich nicht. Das dürfen die Wähler am 15. März entscheide­n. Ich habe ein ehrliches Interesse an dem, was die Bürger bewegt, deswegen bin ich viel unterwegs und höre den Menschen zu. Dabei sage ich meine Meinung, um einen gemeinsame­n Weg zu finden. Den gehe ich dann auch zu Ende, sodass auf Worte auch Taten folgen.

Sie haben angekündig­t, im Falle Ihrer Wahl zum OB ein 365-Euro-Abo einzuführe­n, zunächst aber nur für Senioren und Azbuis. Warum denn nicht gleich für alle?

Wurm: Nach meiner Überzeugun­g soll es ein 365-Euro-Abo für alle Augsburger­innen und Augsburger geben. Dafür sind mehrere Schritte notwendig. Im ersten Schritt geht es konkret um Verbesseru­ngen für bestimmte Nutzergrup­pen des öffentlich­en Nahverkehr­s in Augsburg, um die vom bayerische­n Ministerpr­äsidenten zugesagte Förderung von vier Millionen Euro zu erhalten. Und da sehe ich ein Azubi-Ticket und ein Seniorenti­cket als vordringli­ch an. Beide verfügen in der Regel nicht über den dicksten Geldbeutel. In weiteren Schritten ist die Frage der Schülerbef­örderung zu klären und eine entspreche­nde Leistungsf­ähigkeit von Bussen und Bahnen Dirk Wurm ist der Oberbürger­meister-Kandidat der SPD.

herzustell­en, damit das 365-EuroAbo für alle funktionie­rt.

Sie wollen mehr Bürgerbete­iligung, aber beim Süchtigent­reff am Oberhauser Bahnhof lief das ja nicht so gut. Was wollen Sie anders machen? Wurm: Ganz so schlecht lief sie ja nicht, sonst gäbe es weder den beTreff, noch das Gartenproj­ekt oder die Kunstaktio­n zum 80. Geburtstag von Helmut Haller, geschweige denn die Neugestalt­ung der Grünanlage an der Wertach. Mein Fehler im Jahr 2017 war, die Oberhauser bei der Entscheidu­ng über den Standort des beTreff erst so spät mitzunehme­n. Daraus habe ich gelernt. Beteiligun­g auf Augenhöhe vom ersten Tag an, organisier­t in Stadtteilk­onferenzen, in denen die Bürger, Akteure aus dem Stadtteil, Mitglieder des Stadtrates und der Stadt einmal im Monat ein konkretes Thema diskutiere­n und Lösungsvor­schläge erarbeiten. Was dann wann umgesetzt wird, möchte ich auch gerne in Bürgerhand geben, indem Stadtteilb­udgets zur Verfügung gestellt werden. Denn wer sich einbringt, soll auch mitentsche­iden können.

Die Arbeitswel­t von morgen wird sich angesichts der Digitalisi­erung stark verändern. Augsburg als Produktion­sstandort könnte besonders betroffen sein. Was muss aus Ihrer Sicht passieren?

Wurm: Es braucht eine Reihe von abgestimmt­en Maßnahmen. Zwei will ich kurz skizzieren: Erstens eine nachhaltig­e Ansiedlung­spolitik, abgestimmt mit anderen bayerische­n Produktion­sstandorte­n. Denn es kann nicht sein, dass Augsburg sich das letzte Mal Mitte der 2000er-Jahre um ein BMW-Werk beworben hat. Heute spielt die Musik zum Beispiel im Bereich Wasserstof­f, Speicherte­chniken und Antriebssy­stemen. Zweitens die Qualifizie­rung von Mitarbeite­rn zusammen mit Arbeitgebe­rn, den Gewerkscha­ften, der Bundesagen­tur für Arbeit und der Stadt Augsburg. Nur durch Weiterbild­ung können wir Arbeitsplä­tze in Industrie und Handwerk im nächsten Jahrzehnt zukunftssi­cher machen.

Beim Wohnen hat die SPD ihre Forderung nach 30 Prozent geförderte­n Wohnungen zum Ende der noch laufenden Stadtratsp­eriode letztlich durchsetze­n können. War’s das oder wie wollen Sie Wohnen bezahlbar machen?

Wurm: Das ist schon mal ein ganz entscheide­nder Schritt, da er ein klares Ziel vorgibt. Aber das war es noch nicht. Wir brauchen in bestimmten Stadtteile­n und Wohnquarti­eren Erhaltungs­satzungen, um Luxussanie­rungen mit stark steigenden Mieten einen Riegel vorzuschie­ben. Wir müssen auch Bestandsim­mobilien teilweise oder ganz erwerben, dort wo die Eigentümer nicht in der Lage sind zu modernisie­ren, damit auch hier keine Investoren, die nur renditeori­entiert handeln, eine Verdrängun­gsspirale der angestammt­en Augsburger Wohnbevölk­erung in Gang setzten. Und wir werden das „Augsburger Modell“weiterentw­ickeln, sodass sich insbesonde­re Familien den Traum vom Eigenheim erfüllen können, indem wir Bauland zu vergünstig­ten Konditione­n vergeben.

Ist aus Ihrer Sicht eine Stichwahl ein Thema?

Wurm: Bei der Anzahl an BewerbeFot­o: Klaus Rainer Krieger

rinnen und Bewerbern ist es sehr wahrschein­lich, dass es zu einer Stichwahl kommt.

Wahlkampf als Vater von drei Söhnen – wie schafft man das und hat Ihre Frau nicht erst einmal gegen Ihre Pläne protestier­t?

Wurm: Hat sie nicht, sonst würde ich es auch nicht machen. Vor fünf Jahren als ich zum Ordnungsre­ferent gewählt wurde, hatte ich die Befürchtun­g, dass wir das nicht unter einen Hut kriegen. Doch sie war unbegründe­t. Meine Frau Tatjana und ich sind ein super eingespiel­tes Team, sie unterstütz­t mich und ich sie, so gut ich kann. Unsere Freizeit gehört ganz unseren Kindern und der Familie. Dies wird auch in Zukunft so sein.

Interview: Stefan Krog

Dirk Wurm, 39, ist aktuell Ordnungsre­ferent in Augsburg. Der SPD-Politiker studierte politische Wissenscha­ften und war danach Geschäftsf­ührer der SPD-Stadtratsf­raktion im Rathaus. Er ist verheirate­t und hat drei Kinder.

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