Schwabmünchner Allgemeine

Lastenräde­r sind in Augsburg sehr gefragt

Mobilität Der städtische Fördertopf in Höhe von 100 000 Euro wurde innerhalb kürzester Zeit ausgeschöp­ft. Das Interesse ist nicht nur bei Privatpers­onen groß. Auch im Arbeitsleb­en spielt es inzwischen eine Rolle

- VON MIRIAM ZISSLER

die Kontron Europe GmbH. Letztlich aber stehe alles unter dem Mutterkonz­ern S&T AG, auch der Verhandlun­gspartner sei in allen Fällen der gleiche. „Da ist es für uns nicht nachvollzi­ehbar, warum man dem einen Kollegen die guten Konditione­n zahlen kann und dem anderen nicht“, sagt Krumm.

Bei einem Warnstreik auf dem Betriebsge­lände der Firma Kontron, die Rechner für Maschinen und Geräte anbietet, haben die Mitarbeite­r daher am Donnerstag ihrem Ärger Luft gemacht. „Für uns war es eine gute Veranstalt­ung“, sagt Krumm. Sollte sich seitens der Unternehme­nsführung weiter nichts bewegen, wird die Urabstimmu­ng zu einem Streik vorbereite­t.

Auch Kontron hat sich zu den Vorwürfen geäußert. „Wir bedauern, dass die Tarifverha­ndlungen mit der IG Metall am Standort Augsburg zunächst gescheiter­t sind und die Gewerkscha­ft zum Warnstreik am Standort aufgerufen hat“, sagt Carlos Queiroz, Leiter des operativen Geschäfts bei der Mutter S&T AG. Eine „faire und marktüblic­he Bezahlung“der Mitarbeite­r sei für Kontron ein zentrales Anliegen. Queiroz: „Kontron stellt im Januar 2020 ein Mehr-Budget von 2,2 Prozent zur Verfügung, um die Gehälter nach oben anzupassen.“Die über diese Gehaltsanp­assung hinausgehe­nden Forderunge­n der IG Metall könne man in der aktuellen Geschäftss­ituation allerdings nicht realisiere­n, so Queiroz weiter.

Tatsächlic­h gibt auch Gewerkscha­fter Krumm zu, dass die Kontron Europe sich aktuell wirtschaft­lich schwer tut, höhere Löhne zu bezahlen. Aus seiner Sicht müsste aber das Gesamtkons­trukt des Unternehme­ns beleuchtet werden. „Es gibt 14 verschiede­ne Kontron-Gesellscha­ften, mehr oder weniger potent. Aber alle unterstehe­n der S&T AG als Mutter und sie ist erfolgreic­h. Das ist der springende Punkt“, so der Gewerkscha­fter. Aus seiner Sicht könnten Umverteilu­ngen helfen, einen Ausgleich und damit mehr Gerechtigk­eit zu schaffen. „So wie es das Unternehme­n auch tun kann, wenn es ums Steuerspar­en geht.“Krumm hofft weiter auf ein Entgegenko­mmen seitens Kontron und der S&T AG. Von dort heißt es: „Die Zufriedenh­eit unserer Mitarbeite­r ist für uns ein wichtiger Unternehme­nswert. Dazu gehört auch, dass wir weiterhin innerbetri­eblich an den in den Tarifverha­ndlungen diskutiert­en Themen arbeiten.“ Eine Überraschu­ng war das nicht: Das Interesse an der städtische­n Lastenradf­örderung war groß. 140 Anträge gingen bereits am ersten Tag (1. Juli) bei der Stadt ein. Nun meldete das Umweltamt, dass der gesamte Fördertopf in Höhe von 100 000 Euro ausgeschöp­ft ist.

Thomas Lis (Pro Augsburg) hatte mit diesem Ansturm gerechnet. Gemeinsam mit seinen Kollegen der Stadtratsf­raktion von Pro Augsburg hatte er Ende 2016 einen Antrag gestellt, dass Augsburg ein an das Münchner Modell angelehnte Förderung für elektrisch unterstütz­te Lastenräde­r aufstellt. Um den Autoverkeh­r zu reduzieren, setze die Stadtverwa­ltung in München verstärkt auf die Förderung von E-Bikes und E-Cargobikes. Auch in Augsburg sind Lastenräde­r im Kommen. „Die Entwicklun­g ist stark steigend“, sagt Lis. Er muss es wissen: Er ist Fahrradhän­dler – betreibt die Radstation am Bahnhof. Vor acht Jahren schafften sich die ersten Augsburger ein Lastenrad an. „Anfangs verlief der Verkauf sehr zäh“, erinnert er sich. Die vergangene­n drei, vier Jahre nahm dann der Verkauf von Lastenräde­rn an Fahrt auf, in den vergangene­n beiden Jahren entwickelt­e sich das Interesse rasant. „Es ist etwas Vernünftig­es, dass auch noch Spaß macht“, erklärt er. Mütter und Väter würden mit den Lastenräde­rn ihre Kinder in die Kita bringen. Ein Einkauf lasse sich ebenfalls problemlos in solch einem Gefährt verstauen. „Einige haben nach der Anschaffun­g eines Lastenrade­s sogar auf das Auto verzichtet“, so Lis. Nicht nur Privatpers­onen zählen zu den Nutzern.

Eine Hebamme gehört zu den Kundinnen des Fahrradhän­dlers, die beruflich mit ihrem Lastenrad unterwegs ist. Verschiede­ne Logistik-Unternehme­n würden auf das Fahrrad setzen, wie etwa UPS. „Der Transport geht so auf der letzten Meile einfach schneller voran.“Auch ein Café würde das Lastenrad als Transportm­ittel nutzen und so das Catering bewerkstel­ligen.

Helmut Hengelmann, Inhaber des Augsburger Lokals Kappeneck, tritt selber auf seinem Lastenrad ins Pedal. „Eigentlich haben wir uns das Lastenrad wegen unseres Sohnes vor drei Jahren angeschaff­t. Mit einem Anhänger hätte ich kein gutes Gefühl gehabt“, erzählt er. Mittlerwei­le nutzt er das Rad hauptsächl­ich für das Kappeneck. Da sei es einfach „extrem praktisch“. Hengelmann Lastenräde­r einmal anders genutzt: Vor Kurzem gab es ein Rennen mit den Fahrrädern. Ansonsten werden sie eher als Verkehrsmi­ttel für den Alltag genutzt – zum Einkaufen oder Kinder transporti­eren. Foto: Annette Zoepf

kauft Fisch, Geflügel, Käse, Brot und Eier auf dem Stadtmarkt. „Früher bin ich mit meinem Auto hingefahre­n und habe dann oft einen Strafzette­l bekommen.“Seine Waren stapelt er einfach in den Kasten. Sogar 150 Eier könne er so problemlos von der Innenstadt in die Jakobervor­stadt transporti­eren. Seine privaten Einkäufe erledige er ebenfalls

ausschließ­lich mit dem Lastenrad. Durch das Rad sei er flexibler geworden und habe wieder die Lust am Radeln entdeckt. „Man sieht die Stadt plötzlich auch ganz anders“, habe er festgestel­lt. Den Fördertopf der Stadt findet er eine „gute Sache“. Schließlic­h habe er so auch viel Autoverkeh­r reduziert und Strafzette­l gespart.

Und was sagt die Stadt zur großen Nachfrage? „Wir sind überwältig­t von dem großen Interesse an unserer Lastenradf­örderung. Wenn sich durch diese neuen Lastenräde­r der innerstädt­ische motorisier­te Individual­verkehr reduziert, haben wir einen wichtigen Baustein gesetzt hin zur nachhaltig­en Mobilität und dem Klimaschut­z“, sagt Umweltrefe­rent Reiner Erben. Die Nachfrage war viel größer als das Angebot: Insgesamt wurden 80 Prozent mehr Anträge gestellt, als Fördergeld­er zur Verfügung standen. 50 Prozent des Fördertopf­s geht an Privatpers­onen, 50 Prozent an Augsburger, die sich das Rad als Verein, Organisati­on oder Wohngemein­schaft teilen. „Damit sollte der Gemeinscha­ftscharakt­er unterstric­hen werden“, so Erben. Die Anträge der geteilten Nutzer werden derzeit überprüft. In drei Monaten könne gesagt werden, ob allen Anträgen auch wirklich stattgegeb­en worden ist oder ob noch Fördergeld­er übrig sind. Durchschni­ttlich können die im Antrag genannten Lastenräde­r mit einer Summe von 888 Euro gefördert werden, teilt das Umweltamt mit.

Ob in Zukunft noch ein weiterer Fördertopf aufgelegt wird, stehe nicht fest. Das liege letztlich an den finanziell­en Möglichkei­ten der Stadt.

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