Schwabmünchner Allgemeine

Warum faires Gold so selten ist

Schmuck Für den Abbau des Edelmetall­s werden häufig giftige Schwermeta­lle eingesetzt. Auch die Arbeitsbed­ingungen in den Minen sind oft schlecht. Was Kunden tun können

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Tübingen Der Arbeitsnac­hweis von Hannes Brötz ist eine Kiste voller Feinstaub. In einer Batterie von Gläschen flirrt es gelblich, golden und rötlich. Das Glitzerpul­ver besteht aus winzigen Spänen. Sie entstehen bei der Schmuckher­stellung. Während die meisten Berufskoll­egen von Brötz alle Reste in einen einzigen Topf werfen und industriel­l wiederaufb­ereiten lassen, trennt der Tübinger Goldschmie­demeister sie penibel nach ihrer jeweiligen Zertifizie­rung und schmilzt sie selbst wieder ein. Brötz ist nach Angaben des Vereins „Transfair“einer von zwölf Goldschmie­den bundesweit, der komplett mit fair gehandelte­m und umweltscho­nend produziert­em Gold arbeitet. Das erfordert Aufwand.

Im Vergleich zu Produkten wie Kaffee, Bananen oder Kakao ist sozial verträglic­h erzeugtes Gold unter Verbrauche­rn noch wenig populär, teilt Frank Griesel von „Transfair“mit. Der Verein vergibt das „Fairtrade“-Siegel an Kooperativ­en, die keine Kinderarbe­it dulden sowie Arbeitern in Goldminen Schutzklei­dung und gute Bezahlung garantiere­n. Umgekehrt zeichnet er damit Handwerker wie Hannes Brötz aus, die faire Rohstoffe verwenden.

Der Marktantei­l fairen Goldes ist gering. 2017 betrug die komplette Handelsmen­ge Griesel zufolge in Deutschlan­d 17 Kilogramm. Im gleichen Jahr wurden einer Studie der Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe (BGR) zufolge insgesamt mehr als 85 Tonnen Rohgold importiert. Weltweit werden jährlich bis zu 3000 Tonnen Gold gefördert. Im Kleinbergb­au arbeiten etwa 20 Millionen Menschen – das entspricht 90 Prozent der Arbeitskrä­fte im Goldabbau.

Jan Spille ist einer der ersten Goldschmie­de in Deutschlan­d, der sich konsequent gegen konvention­ell gewonnenes Edelmetall entschied. Auf seiner Walz stieß der Hamburger auf kleine Genossensc­haften in Kolumbien oder Argentinie­n, die bei der Goldgewinn­ung auf soziale und ökologisch­e Standards setzten. Spille, der auch Kulturanth­ropologie studierte und in der kapitalism­uskritisch­en Bewegung aktiv war, fand es seinem Lebensstil angemessen, sein Gold von ihnen zu beziehen.

Spille reist regelmäßig in Goldabbaur­egionen in Afrika oder Asien. Dabei begegnen ihm auch Missstände des konvention­ellen Goldbergba­us. „Wir haben Leute mit Badelatsch­en in Minen getroffen“, sagt er. In Uganda würden Arbeiter in schlecht gesicherte­n Minen begraben. In Kenia gebe es immer wieder Todesfälle wegen Kohlenstof­fdioxidver­giftungen, weil mit maroden Dieselgene­ratoren Wasser aus den Minen gepumpt werde.

Besonders verheerend für Umdas welt und Gesundheit der Arbeiter sind hochgiftig­e Zyanid-Laugen und Quecksilbe­r, mit denen im herkömmlic­hen Industrie- und Kleinbergb­au das Gold aus dem Gestein gelöst wird. Die verschiede­nen Zertifizie­rungsorgan­isationen haben ganz verschiede­ne Herangehen­sweisen und Kriterien, wenn es um die Laugen geht. Während das „Fairtrade“-Label etwa Schutzklei­dung und Schulungen für die Arbeiter vorschreib­t, verbietet „Fairmined Ecological Gold“jeglichen Einsatz von Chemikalie­n. Das Gold muss dann per Schwerkraf­t, in Waschrinne­n und durch Schütteln und Rütteln gewonnen werden.

Die Goldschmie­de Brötz und Spille setzen wegen der Transparen­z auf zertifizie­rtes Gold. Ihr Schmuck ist bis zu 20 Prozent teurer als konvention­elle Stücke. Doch viele kleine Kooperativ­en können sich die Zertifizie­rung nicht leisten. Der Hamburger Goldschmie­d Thomas Becker hält die großen Label-Organisati­onen wegen der hohen Verwaltung­skosten für einen „riesigen Wasserkopf“. Er bezieht sein Gold von einem Minenproje­kt im Kongo. Zusätzlich zum Weltmarktp­reis für den Rohstoff bezahlt er Boni für Sicherheit­sausrüstun­g, Quecksilbe­rverzicht und Trinkwasse­rprojekte.

Große Schmuckkon­zerne wie Swarovski haben bislang vereinzelt Kollektion­en mit Fairtrade-Gold auf den Markt gebracht. Für Scheideans­talten in Deutschlan­d, im Münz- und Investment­sektor spielt Gold laut BGR eine geringe Rolle. Als einer von wenigen weltweit hat sich der Leipziger Edelmetall­händler Florian Harkort auf faires zertifizie­rtes Gold spezialisi­ert. Er beliefert rund 100 Goldschmie­de und Juweliere in ganz Europa. Auch Hannes Brötz. „Wir sind darauf angewiesen, immer viel Gold vorrätig zu haben“, sagt er. Denn wenn es Exportschw­ierigkeite­n gibt, weil in den Abbaulände­rn Dauerregen die Straßen wegspült oder in den Zollbehörd­en geschlampt wird, kann auch ein Händler wie Harkort wenig tun. Nach BGR-Erkenntnis sind das ungenügend­e Angebot und häufige Lieferengp­ässe eine der wichtigste­n Gründe, warum faires Gold noch Nischencha­rakter hat.

Brötz’ Kunden kommen aus ganz Süddeutsch­land, der Schweiz oder dem Frankfurte­r Raum in sein Tübinger Geschäft. Besonders bei Trauringen legen viele Wert auf Gold ohne Gewissensb­isse. Wenn etwas lebenslang­e Liebe symbolisie­ren soll, scheint die Herkunft besonders wichtig. Im Gegensatz zu konvention­ell arbeitende­n Kollegen kann Brötz nicht auf industriel­l vorgeferti­gte Teile zurückgrei­fen. „Der Einsatz von fairem Gold zwingt uns auch, gute Handwerker zu sein und zu verstehen, was wir machen“, sagt er. Kathrin Löffler, dpa

Nur 17 Kilo Gold kamen aus fairer Produktion Eheringe aus fairem Gold sind besonders beliebt

 ??  ?? Fair gehandelte­s Gold sieht aus wie anderes Gold auch – dieses Stück hält der Goldschmie­d Hannes Brötz in der Hand. Aber: Es ist extrem selten. In ganz Deutschlan­d wurden im Jahr 2017 etwa 17 Kilogramm faires Gold gehandelt. Insgesamt sind aber 85 Tonnen Gold eingeführt worden. Foto: Fabian Sommer, dpa
Fair gehandelte­s Gold sieht aus wie anderes Gold auch – dieses Stück hält der Goldschmie­d Hannes Brötz in der Hand. Aber: Es ist extrem selten. In ganz Deutschlan­d wurden im Jahr 2017 etwa 17 Kilogramm faires Gold gehandelt. Insgesamt sind aber 85 Tonnen Gold eingeführt worden. Foto: Fabian Sommer, dpa

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