Schwabmünchner Allgemeine

Kommt die Hilfe im Notfall schnell genug?

Medizin Die Retter in der Region müssen immer öfter ausrücken. Mancherort­s schaffen sie es aber zu oft nicht in der Zwölf-Minuten-Frist zum Einsatz. Deshalb wird aufgestock­t – die nächste Lücke zeichnet sich dennoch schon ab

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Im Notfall kommt es auf jede Sekunde an. Je früher Sanitäter und Notarzt bei einem Patienten sind, um so bessere Chancen bestehen, ihn zu retten. Weil das nicht überall im Großraum Augsburg gleich gut funktionie­rt, soll die Zahl der Rettungswa­gen nun aufgestock­t werden. Sowohl in der Stadt Augsburg selbst als auch im Umland soll es Verbesseru­ngen geben. Auch ein neuer Standort für ein Rettungsdi­enst-Fahrzeug in Nordwesten des Landkreise­s Augsburg ist vorgesehen. Dort drohen laut einer Analyse aktuell die größten Lücken in der Notfallver­sorgung. Das heißt: Wer im Holzwinkel lebt, also dem Grenzgebie­t zwischen den Kreisen Augsburg und Dillingen, hat das größte Risiko, dass ein Retter nicht innerhalb der vorgesehen­en Fahrzeit von zwölf Minuten da ist.

Fachleute der Münchner Uniklinik nehmen regelmäßig die bayerische­n Regionen unter die Lupe und prüfen, ob es genug Rettungswa­gen gibt. Für Stadt und Landkreis Augsburg sowie für den Landkreis Aichach-Friedberg sehen die Experten Nachholbed­arf: Insgesamt fünf zusätzlich­e Rettungswa­gen sollen neu in dem Gebiet stationier­t werden. Die meisten davon sollen tagsüber für Einsätze bereitsteh­en. Die zusätzlich­en Fahrzeuge werden deshalb benötigt, weil die Zahl der Einsätze stark angestiege­n ist. Im Jahr 2009 gab es im Bereich der Augsburger Rettungsle­itstelle – sie deckt das Stadtgebie­t von Augsburg und die Kreise Augsburg, AichachFri­edberg, Donau-Ries und Dillingen ab – knapp 54 000 Notfallere­ignisse. Ein Jahrzehnt später ist die Zahl solcher Notfälle auf rund 78500 hochgeschn­ellt. Immerhin ein Plus von um die 45 Prozent.

Erklärunge­n für die Explosion der Einsatzzah­len gibt es mehrere. Die Bevölkerun­g ist in den vergangene­n Jahren gewachsen. Außerdem gibt es mehr ältere Menschen. Noch schwerer wiegt aber nach dem Eindruck vieler Sanitäter, dass Men

schen heute öfter einen Rettungswa­gen rufen, obwohl es medizinisc­h nicht erforderli­ch wäre. „Viele sehen es so, dass sie einfach einen Service in Anspruch nehmen“, sagt ein ehrenamtli­cher Mitarbeite­r einer Augsburger Hilfsorgan­isation unserer Redaktion. Gerade jüngeren Menschen sei offenbar auch ein Stück weit das Körpergefü­hl verloren gegangen. Sie könnten schlecht einschätze­n, wie schlimm eine Verletzung oder andere körperlich­e Beschwerde­n wirklich seien.

Am meisten aufgestock­t wird in Gersthofen. Hier ist bisher rund um die Uhr ein Rettungswa­gen stationier­t. Nun soll noch ein zweiter hinzukomme­n – ebenfalls im 24-Stunden-Betrieb. Auch im Stadtgebie­t von Augsburg wird es einen neuen Wagen geben, der tagsüber eingesetzt werden kann. Und für Königsbrun­n ist ein neuer Rettungswa­gen eingeplant. Auch hier sind die Einsatzzah­len stark gestiegen. Im Stadt

von Augsburg und in den direkt angrenzend­en Städten und Gemeinden sind die Retter in der Regel schneller da, als es die sogenannte Hilfsfrist von zwölf Minuten vorgibt. Eine Auswertung zeigt: In 98 Prozent der Fälle schafft es der Rettungswa­gen hier, in maximal zwölf Minuten zum Einsatz zu kommen.

Die gute Versorgung im Ballungsra­um Augsburg liegt aber auch daran, dass hier im Notfall´Fahrzeuge eingesetzt werden, die eigentlich weiter außerhalb stationier­t sind. Die Rettungsle­itstelle fordert immer das nächstgele­gene freie Fahrzeug an. Das heißt in der Praxis: Ein Rettungswa­gen, der zum Beispiel in Zusmarshau­sen stationier­t ist und gerade am Augsburger Unikliniku­m einen Patienten abgeliefer­t hat, wird dann zu einem Notfall im Stadtteil Kriegshabe­r geschickt. In dieser Zeit fehlt er aber im westlichen Landkreis, seinem eigentlich­en Einsatzgeb­iet. Passiert dort auch noch

etwas, müssen die Retter teils weite Wege in Kauf nehmen, um sich auszuhelfe­n und die Lücke zu füllen.

Deshalb werden auch die ländlichen Regionen nun teils besser versorgt. In der Holzwinkel-Gemeinde Emersacker wird in der Zeit von 7 bis 19 Uhr ein Rettungswa­gen neu stationier­t. In Baar im Landkreis Aichach-Friedberg wird ebenfalls ein neuer Rettungswa­gen-Stellplatz eingericht­et. Hier soll ein Fahrzeug von 9 bis 21 Uhr einsatzber­eit sein. Dass die neuen Fahrzeug kommen sollen, wurde nun vom Rettungszw­eckverband, in dem die betroffene­n Kreise und die Stadt Augsburg zusammenge­schlossen sind, so abgesegnet. Auch die Krankenkas­sen, die die Kosten tragen müssen, haben zugestimmt. Allerdings wird es noch etwas dauern, bis die Fahrzeuge auch zur Verfügung stehen. Zuerst müssen die Aufträge dafür vergeben werden – entweder an private Anbieter oder an Hilfsorgan­isatiogebi­et

nen wie das Rote Kreuz. Als Starttermi­n für die neuen Fahrzeuge ist Anfang 2020 vorgesehen.

Michael Gebler, der Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft der Augsburger Hilfsorgan­isationen, sagt, mit dem neuen Konzept könne man „ganz gut leben“. Auch wenn er der Ansicht ist, dass der Bedarf in Wirklichke­it noch größer ist – unter anderem auch bei den Krankentra­nsporten, bei denen es für Patienten teils lange Wartezeite­n gibt. Er rechnet damit, dass die Arbeit für die Retter in den nächsten Jahren weiter zunimmt. Auch deshalb, weil die Bevölkerun­g im Großraum Augsburg den Prognosen zufolge weiter wächst. Kritiker bemängeln deshalb auch, dass die Kapazitäte­n im Rettungsdi­enst immer nur mit Blick auf die Vergangenh­eit angepasst werden. Es sei quasi nur ein Stopfen von Löchern. Michael Gebler sieht es dennoch positiv: „Es ist eine Verbesseru­ng.“

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Wie schnell sind die Retter im Notfall vor Ort? Im Raum Augsburg sollen mehrere Rettungswa­gen zusätzlich installier­t werden.
Symbolfoto: Alexander Kaya Wie schnell sind die Retter im Notfall vor Ort? Im Raum Augsburg sollen mehrere Rettungswa­gen zusätzlich installier­t werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany