Kommt die Hilfe im Notfall schnell genug?
Medizin Die Retter in der Region müssen immer öfter ausrücken. Mancherorts schaffen sie es aber zu oft nicht in der Zwölf-Minuten-Frist zum Einsatz. Deshalb wird aufgestockt – die nächste Lücke zeichnet sich dennoch schon ab
Augsburg Im Notfall kommt es auf jede Sekunde an. Je früher Sanitäter und Notarzt bei einem Patienten sind, um so bessere Chancen bestehen, ihn zu retten. Weil das nicht überall im Großraum Augsburg gleich gut funktioniert, soll die Zahl der Rettungswagen nun aufgestockt werden. Sowohl in der Stadt Augsburg selbst als auch im Umland soll es Verbesserungen geben. Auch ein neuer Standort für ein Rettungsdienst-Fahrzeug in Nordwesten des Landkreises Augsburg ist vorgesehen. Dort drohen laut einer Analyse aktuell die größten Lücken in der Notfallversorgung. Das heißt: Wer im Holzwinkel lebt, also dem Grenzgebiet zwischen den Kreisen Augsburg und Dillingen, hat das größte Risiko, dass ein Retter nicht innerhalb der vorgesehenen Fahrzeit von zwölf Minuten da ist.
Fachleute der Münchner Uniklinik nehmen regelmäßig die bayerischen Regionen unter die Lupe und prüfen, ob es genug Rettungswagen gibt. Für Stadt und Landkreis Augsburg sowie für den Landkreis Aichach-Friedberg sehen die Experten Nachholbedarf: Insgesamt fünf zusätzliche Rettungswagen sollen neu in dem Gebiet stationiert werden. Die meisten davon sollen tagsüber für Einsätze bereitstehen. Die zusätzlichen Fahrzeuge werden deshalb benötigt, weil die Zahl der Einsätze stark angestiegen ist. Im Jahr 2009 gab es im Bereich der Augsburger Rettungsleitstelle – sie deckt das Stadtgebiet von Augsburg und die Kreise Augsburg, AichachFriedberg, Donau-Ries und Dillingen ab – knapp 54 000 Notfallereignisse. Ein Jahrzehnt später ist die Zahl solcher Notfälle auf rund 78500 hochgeschnellt. Immerhin ein Plus von um die 45 Prozent.
Erklärungen für die Explosion der Einsatzzahlen gibt es mehrere. Die Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Außerdem gibt es mehr ältere Menschen. Noch schwerer wiegt aber nach dem Eindruck vieler Sanitäter, dass Men
schen heute öfter einen Rettungswagen rufen, obwohl es medizinisch nicht erforderlich wäre. „Viele sehen es so, dass sie einfach einen Service in Anspruch nehmen“, sagt ein ehrenamtlicher Mitarbeiter einer Augsburger Hilfsorganisation unserer Redaktion. Gerade jüngeren Menschen sei offenbar auch ein Stück weit das Körpergefühl verloren gegangen. Sie könnten schlecht einschätzen, wie schlimm eine Verletzung oder andere körperliche Beschwerden wirklich seien.
Am meisten aufgestockt wird in Gersthofen. Hier ist bisher rund um die Uhr ein Rettungswagen stationiert. Nun soll noch ein zweiter hinzukommen – ebenfalls im 24-Stunden-Betrieb. Auch im Stadtgebiet von Augsburg wird es einen neuen Wagen geben, der tagsüber eingesetzt werden kann. Und für Königsbrunn ist ein neuer Rettungswagen eingeplant. Auch hier sind die Einsatzzahlen stark gestiegen. Im Stadt
von Augsburg und in den direkt angrenzenden Städten und Gemeinden sind die Retter in der Regel schneller da, als es die sogenannte Hilfsfrist von zwölf Minuten vorgibt. Eine Auswertung zeigt: In 98 Prozent der Fälle schafft es der Rettungswagen hier, in maximal zwölf Minuten zum Einsatz zu kommen.
Die gute Versorgung im Ballungsraum Augsburg liegt aber auch daran, dass hier im Notfall´Fahrzeuge eingesetzt werden, die eigentlich weiter außerhalb stationiert sind. Die Rettungsleitstelle fordert immer das nächstgelegene freie Fahrzeug an. Das heißt in der Praxis: Ein Rettungswagen, der zum Beispiel in Zusmarshausen stationiert ist und gerade am Augsburger Uniklinikum einen Patienten abgeliefert hat, wird dann zu einem Notfall im Stadtteil Kriegshaber geschickt. In dieser Zeit fehlt er aber im westlichen Landkreis, seinem eigentlichen Einsatzgebiet. Passiert dort auch noch
etwas, müssen die Retter teils weite Wege in Kauf nehmen, um sich auszuhelfen und die Lücke zu füllen.
Deshalb werden auch die ländlichen Regionen nun teils besser versorgt. In der Holzwinkel-Gemeinde Emersacker wird in der Zeit von 7 bis 19 Uhr ein Rettungswagen neu stationiert. In Baar im Landkreis Aichach-Friedberg wird ebenfalls ein neuer Rettungswagen-Stellplatz eingerichtet. Hier soll ein Fahrzeug von 9 bis 21 Uhr einsatzbereit sein. Dass die neuen Fahrzeug kommen sollen, wurde nun vom Rettungszweckverband, in dem die betroffenen Kreise und die Stadt Augsburg zusammengeschlossen sind, so abgesegnet. Auch die Krankenkassen, die die Kosten tragen müssen, haben zugestimmt. Allerdings wird es noch etwas dauern, bis die Fahrzeuge auch zur Verfügung stehen. Zuerst müssen die Aufträge dafür vergeben werden – entweder an private Anbieter oder an Hilfsorganisatiogebiet
nen wie das Rote Kreuz. Als Starttermin für die neuen Fahrzeuge ist Anfang 2020 vorgesehen.
Michael Gebler, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Augsburger Hilfsorganisationen, sagt, mit dem neuen Konzept könne man „ganz gut leben“. Auch wenn er der Ansicht ist, dass der Bedarf in Wirklichkeit noch größer ist – unter anderem auch bei den Krankentransporten, bei denen es für Patienten teils lange Wartezeiten gibt. Er rechnet damit, dass die Arbeit für die Retter in den nächsten Jahren weiter zunimmt. Auch deshalb, weil die Bevölkerung im Großraum Augsburg den Prognosen zufolge weiter wächst. Kritiker bemängeln deshalb auch, dass die Kapazitäten im Rettungsdienst immer nur mit Blick auf die Vergangenheit angepasst werden. Es sei quasi nur ein Stopfen von Löchern. Michael Gebler sieht es dennoch positiv: „Es ist eine Verbesserung.“