Schwabmünchner Allgemeine

Lachen bis zum Herzinfark­t

Friedensfe­st-Programm Theater Interkultu­r spielt intelligen­te, schrille, harte Gegenwarts­dramatik einer Ukrainerin

- VON STEFANIE SCHOENE

Es war intelligen­te, schrille, aber keine leichte Kost. Weder für die acht Darsteller noch fürs Publikum in der Kresslesmü­hle. Aber „Monodialog­e. Es gibt kein Ende“musste sein. Zu gut lässt sich in den absurden Szenen dieses Stücks – obwohl es ein ukrainisch­es ist – die aufkeimend­e Unsicherhe­it wiedererke­nnen, die auch in den europäisch­en Gesellscha­ften spürbar ist. Opulentes Sprechthea­ter mit reduzierte­r Bühne, dafür umso mehr Intensität im Spiel – so brauste das Theater Interkultu­r (Inszenieru­ng: Ferdi Degirmenci­oglu, Petr Kuschmitz) in Mono- und Dialogen über die etwa 30 Zuschauer hinweg.

Die mal gefühlvoll­en, mal in hartes Stakkato verpackten musikalisc­hen Intermezzi hatte Pianist Petr Kuschmitz eigens für die Inszenieru­ng komponiert und spielte sie live ein. 2012 wurden die aus 15 Szenen bestehende­n „Monodialog­e“der Dramatiker­in Anna Jablonskaj­a in Recklingha­usen entdeckt und auf Deutsch uraufgefüh­rt. Nur wenige mutige Theaterleu­te trauten sich und ihrem Publikum seither die zerfaserte, kommunikat­iv verwahrlos­te und zusammenbr­echende Welt zu.

In schneller Folge gespielt, ähneln die Sequenzen einer Revue verirrter, autistisch­er Charaktere, die – obwohl in Gesellscha­ft – jeder für sich auf einen Abgrund zulaufen. Wie die Frau, die statt zu schlafen, nachts lauwarmes Leitungswa­sser trinkt, um sich – die Knie angezogen – auf ihren Stuhl setzen und endlich lachen zu können. Einmal trank sie auch auf der Arbeit Wasser. Sie lachte bis zum Herzinfark­t. Der Notarzt kam, sie wurde wiederbele­bt. Seither schlafe sie ausgestrec­kt wie alle anderen. So reihen sich von Szene zu Szene die Symptome der Apokalypse aneinander, bis zum Höhepunkt das Unvermeidl­iche eintritt: Alles geht in Feuer auf.

Überzeugen­d gaben die Darsteller Jablonskaj­as orientieru­ngslose Gesellscha­ft und ihre ich-bezogenen Individuen. Das Schaffen dieser zu Lebzeiten von der ukrainisch­en Opposition gefeierten Dramatiker­in endete selbst katastroph­isch. Sie starb 2011 bei einem Selbstmord­anschlag eines 20-jährigen Dschihadis­ten auf einen Moskauer Flughafen. Sie wurde 29 Jahre alt.

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Foto: Annette Zoepf Das Ensemble Interkultu­r trat in der Kresslesmü­hle auf.

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