Schwabmünchner Allgemeine

Theater: Warum es kaum Alternativ­en gibt

Es gab eine Zeit, da hätte man über eine andere Form der Sanierung nachdenken können. Doch nun gibt es kaum noch einen Weg zurück. Warum das Gaswerk keine dauerhafte Lösung ist

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

So kontrovers die Theatersan­ierung noch vor vier Jahren diskutiert wurde, so einig waren sich die Fraktionen im Stadtrat diese Woche: Das Millionenp­rojekt muss realisiert werden – und zwar so, dass am Kennedypla­tz am Ende ein funktionsf­ähiges Theater steht.

Na bravo, könnte man sagen und verwundert den Kopf schütteln. Denn alles andere wäre auch irgendwie absurd. Die Sanierung wurde ja genau deshalb angegangen, weil das Theater nur noch dank zahlreiche­r schlechter Kompromiss­e funktionie­rte, die vor allem die miserablen Arbeitsbed­ingungen der über 300 Theaterang­estellten betrafen. Das Gesamtproj­ekt jetzt wieder komplett neu aufzurolle­n, würde heißen, alles auf Anfang zu stellen und die Ausgaben für die Vorplanung­en einfach abzuschrei­ben.

Die Forderung der Stadträte nach einem funktionsf­ähigen Theater klingt zunächst lapidar. In Wirklichke­it aber ist sie ein verklausul­iertes Ja auch zu weiteren Kostenstei­gerungen. Denn selbst wenn es neue Ursachen für höhere Ausgaben geben wird, man wird diese Mehrkosten nicht länger auffangen können, indem man an der ursprüngli­chen Planung spart. Sonst entstünde doch ein Theater, das seine Funktionsf­ähigkeit eingebüßt hat.

Vor diesem Hintergrun­d ist auch die erneute Forderung der SPD nur ein politische­s, offenbar dem Wahlkampf geschuldet­es Feigenblat­t: Indem die Sozialdemo­kraten auf der Einhaltung des 186-Millionen-Kostendeck­els bestehen, führen sie ihre gleichzeit­ige Forderung nach einem gut laufenden Theater ad absurdum.

Es war zu erwarten, dass der Stadtrat diese Woche weitgehend auf Schuldzuwe­isungen verzichtet. Denn letztlich hätten die Politiker dabei auch auf sich selbst zeigen müssen. Bis auf sieben Stadträte hatten im Juli 2016 alle für die Generalsan­ierung gestimmt. Sie hatten sich damals auch darauf geeinigt, die Kosten auf 186 Millionen zuzüglich der Preissteig­erung bei den Baukosten zu deckeln.

Will man nach Fehlern suchen, hat man sie hier gefunden: Es war naiv zu glauben, ein Bauprojekt in dieser Größenordn­ung könne ohne Probleme – und damit auch Mehrkosten – durchgezog­en werden. Dass es teurer wird, zeichnete sich schon bald ab: Obwohl der Umbau beim Großen Haus noch gar nicht begonnen hat, ist der Kostenpuff­er von 25 Millionen Euro bereits aufgebrauc­ht. Auch Theaterarc­hitekt Walter Achatz hätte sich auf diesen Kostendeck­el nicht ohne laute Warnung einlassen dürfen. Er hat genug (auch leidvolle) Erfahrung mit Theaterbau­ten und hätte die Lage realistisc­her sehen müssen.

Wie kann es nun weitergehe­n? Mit dem zweiten Ja zur Gesamtsani­erung sind einige Entscheidu­ngsmöglich­keiten bereits vom Tisch. Zum Beispiel eine Idee, die man zuletzt auch von Stadtpolit­ikern hörte: Lasst uns auf den Neubau hinter dem Theater verzichten und stattdesse­n die Brechtbühn­e im Gaswerk Oberhausen für immer zur zweiten Spielstätt­e machen. Zu einem ZeitBestan­dteile

punkt X wäre dies durchaus machbar gewesen, doch die Idee einer dezentrale­n Lösung für die zwei Bühnen wurde damals abgelehnt. Die aktuelle Planung sieht das Große Haus nun als reine Spielstätt­e vor – ohne Probebühne­n, Werkstätte­n, Lager. Es braucht damit den Neubau, um zu funktionie­ren. Wollte man davon abweichen, begönne alles von vorne.

Auch der Vorschlag, die zweite Spielstätt­e erst in 10, 20 Jahren zu bauen, wäre eine Notlösung, denn es würden ebenfalls Synergien zwischen beiden Bühnen sowie dem Neubau verloren gehen; ganz abgesehen davon, dass der Neubau in einigen Jahren mindestens doppelt so teuer käme. Und aus einem anderen Grund wird man auf manche

des Neubaus nicht verzichten können: Um bei den Bürgern für die hohen Investitio­nen in den Theaterumb­au zu werben, gab es Versprechu­ngen, die zu halten sind. Das Theater werde sich stärker öffnen, ein Ort der Begegnung sein und die zweite Bühne auch freien Theatergru­ppen zur Verfügung stellen. Deshalb soll es am Kennedypla­tz nicht nur eine zweite, kleinere Schauspiel­bühne, sondern einen Multifunkt­ionssaal geben.

Sechs bis neun Monate hat sich die Stadtregie­rung gegeben, um die Pläne für den Neubau detaillier­ter auszuarbei­ten und die Kosten zu ermitteln. Aus Sicht der Stadtregie­rung ein kluger Schachzug, denn aus dem Wahlkampf ist das Thema damit draußen und die aktuelle Kostenmehr­ung bestenfall­s aus den Köpfen der Wähler. Doch wer auch immer ab Mai 2020 in der Verantwort­ung steht: Es wird mit der künftigen Kostenentw­icklung zurechtkom­men und sie ehrlich kommunizie­ren müssen. Fragen stellen sich viele. Wie sehr könnten

sich Preissteig­erungen im Bausektor schlimmste­nfalls auswirken? Welche Ausgaben müssen für Archäologi­e, Schuldenti­lgung und andere Themen eingerechn­et werden? Was passiert, wenn der Kostendeck­el erneut gesprengt wird? Wie weit könnte sich die Stadt finanziell überhaupt aus dem Fenster lehnen?

Hier kommt noch ein Aspekt ins Spiel: Auch wenn die Stadt für Sanierung und Bauunterha­lt des Theaters zuständig ist, sie baut das Theater nicht mehr allein „für sich“. Seit dieser Spielzeit ist das ehemalige Stadt- ein Staatsthea­ter, der Freistaat damit ebenso Träger wie die Kommune. Der Landesregi­erung wird daran gelegen sein, in Augsburg ein funktionsf­ähiges Theater zu bekommen. Ihre Zusages, sich an den Sanierungs­kosten zu beteiligen, steht. Eventuell gibt es aber eine Chance, noch einmal nachzuverh­andeln. Denn je nachdem, wie sich die Kosten entwickeln, wird die Stadt bald an ihre finanziell­en Grenzen gelangen.

Das Große Haus funktionie­rt nicht ohne Neubau

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Großbauste­lle Theater bereitet der Stadt Kopfzerbre­chen. Höhere Ausgaben kann sie sich nicht leisten, die Pläne können aber auch nicht unendlich abgespeckt werden. Welche Lösungen es für diesen Konflikt gibt, ist noch offen.
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