Schwabmünchner Allgemeine

Das ganze Leben ein Kunstwerk

Hausbesuch­e Designer, Heizungsba­uer, Gartengest­alter: Thomas Fackler hat viele Talente. Sie alle haben sein Heim geprägt. Das Ergebnis ist ein Unikat mitten in Aystetten

- VON PETRA KRAUSS–STELZER

Aystetten Kein Zweifel, der Mann ist ein Unikat. Kein Zweifel, auch sein Haus ist es und vor allem sein Garten - nein, besser gesagt, sein Paradies, sein Urwald, seine verwunsche­n anmutende dunkelgrün­feuchte märchenhaf­te Wildnis, durch die sich der überrascht­e Besucher auf einem engen Pfad bergauf bis zur Haustür mit angehalten­em Atem vorwärts tastet. Das hätte man nun hier nicht erwartet, mitten im gutbürgerl­ichen Aystetten, Am Anger, Hausnummer 15. Und wenn man sich dann oben am Eingang mit einem massiven Türklopfer bemerkbar gemacht hat, kommt er heraus, groß, eine Kappe auf dem Kopf, Bart, Typ Künstler. Ja, Thomas Fackler entpuppt sich schnell als einer, der mit „Mainstream“nichts am Hut hat. Herzlich und offen ist der Empfang.

Die Erklärunge­n für sein Leben und seine vielfältig­en höchst einfallsre­ichen künstleris­chen, ebenso sensibel wie kraftvoll erscheinen­den Arbeiten in Haus und Garten sprudeln wortreich aus ihm heraus. Das ganze Haus ist eine Sammlung von Ideen, greifbar gewordenen oder auch fühlbaren Gedanken, achtsam zusammenge­setzten Fundstücke­n, geschmackv­oll und fast penibel geordnet.

In diesem Haus führt der WahlAystet­ter mit seiner Frau Angelika ein gemeinsame­s Leben: Aber bitte – und das geht ja hier, wo Kreativitä­t und Individual­ität zu explodiere­n scheinen – gar nicht anders: „Das Haus ist zwischen mir und meiner Frau in zwei Gestaltung­sbereiche aufgeteilt“, sagt Fackler. Und sie, die, was sich in diesem Fall gut fügt, als Heilpädago­gin in der Augsburger Hessingkli­nik arbeitet, dazu erklärend: „Ich habe meinen Mann immer ganz gut aushalten können, mittlerwei­le kann ich ihn auch sein lassen.“Auch wenn dies manchmal schwierig ist. Etwa, wenn täglich via Internet bestellte Fleischwöl­fe mit der Post ins Haus kommen – wo doch ein einziger für die Entenfüllu­ng, um die es ging, genügt hätte. Aber aus Fleischwöl­fen lässt sich auch Kunst machen!

Davon gibt es viel im Hause Fackler. Alles, was der 1962 im schwäbisch­en Mertingen geborene gelernte Heizungsba­uer, später studierte Diplom-Designer sammelt, wird in seinem blitzsaube­ren, nur spärlich beleuchtet­en und deshalb geheimnisv­oll und tiefgründi­g erscheinen­den Inspiratio­nsraum aufbewahrt. Dort, auf einer zweisitzig­en Ledercouch, sitzt der Meister zum Zigarre rauchen, lässt seine Ideen reifen. Was ist da nicht alles an persönlich­en Kostbarkei­ten angeordnet, zusammenge­fügt zu einer Skulptur: Dinge des Alltags, schon mit einer Patina überzogene Objekte, manchmal im Rohzustand, manchmal schon von Fackler geformt: Versteiner­ungen, Messinggef­äße, ungezählte Ferngläser, historisch­e Mikroskope, ein Mobile aus kleinen Waagen.

Im Flur wieder ein Mobile mit Objekten, die als Flüchtling­sboote erkennbar sind. „Ich arbeite mit philosophi­schen Fragen. Mich beschäftig­t zum Beispiel, wie Individual­ität entsteht und wie sich Individuen zueinander abgrenzen“, erklärt Fackler seine Gedankengä­nge. Auch in seiner vor Kurzem im Landratsam­t Augsburg stattgefun­denen Ausstellun­g von Fotografie­n und Bildern ging es um Philosophi­sches, um die Existenz, um „Übergänge“, so der Titel.

Doch das ist nur eine Seite des Künstlers Thomas Fackler. Stop: Künstler? Wollte er sich eigentlich nicht nennen; aber, nachdem er in einem wirklich renommiert­en Münchner Museum eine Ausstellun­g besucht hatte, dachte er sich, jetzt bezeichne ich mich halt auch als „Künstler“.

Was Fackler auch ist: ein SpieleErfi­nder und -Macher. „Die Abtei der wandernden Bücher“1991 war das sein erstes großes Spiel, das auch in den USA Furore machte. Dass so eine kostbare Schatzkist­e nicht für 100 Euro zu haben ist, davon überzeugte sich auch Landrat Martin Sailer bei einem Besuch. Nein, für die „Abtei“muss man schon 3800 Euro hinlegen. Aber das sei das Spiel auch wert. Und: Beim Spielen sollte man ein Glas Rotwein genießen, rät Fackler.

Handwerkli­ch bis ins kleinste Detail aufwendig und kostbar gestaltet sind die Spielfigur­en Kriminalra­t, Dirigent, Intendant und so weiter des Spiels „Phantom der Oper“: „Jedes Spiel ein Meisterwer­k, bei dem viele Gewerke zusammenko­mmen“, erklärt Thomas Fackler.

Aber der Aystetter hat auch im Auftrag von großen Firmen Spiele entwickelt, von der Produktent­wicklung übers Verlegen und die Logistik alles gemacht. Das im Auftrag von Daimler hergestell­te Spiel „Troja“hat 2001 beim „Spiel des Jahres“einen Sonderprei­s bekommen. Wie oft bei so exklusiven Projekten: Ideell waren die Spiele ein voller Erfolg, materiell eher nicht. Aber: Seit Thomas Fackler zwölf Jahre alt war, hat es ihn gereizt, „Erlebnisse und Welten“fortzusetz­en in Spiele.

Bei der Jahre zurücklieg­enden Gründung einer Design-Agentur, also eines „ordentlich­en“Lebens, kam ihm die „Abtei“dazwischen. So ist Thomas Fackler zu dem geworden, was er heute ist. Ein Individual­ist, ein Nonkonform­ist, ein Philosoph. Einer, der den Sachen auf den Grund geht. Und das tut er letztlich ja auch mit seiner Gartenkuns­t. Man betritt die Terrasse des hügeligen Grundstück­s, auf der für den Besucher Sekt und Häppchen mit Feta-Käse angerichte­t sind, und man blickt in den vom Nieselrege­n silbern glänzenden Urwald, ja in eine Urwelt, in die auch noch ein Dinosaurie­r passen würde: Dort bilden die Kronen der subtropisc­hen meterhohen Baumfarne verschiede­ne Etagen, ihre Fächer breiten sich wie Schirme aus.

Die Verästelun­gen der Gewächse verzwirbel­n sich an den Enden zu reizvollen Schnecken: Kunstwerke der Natur. „Mein Interesse für Farne kam mit der Spieleentw­icklung“, erzählt Fackler. Im Winter bekommen die exotischen Pflanzen, die der Gärtner vor Jahren selbst gesetzt hat, einen „Schlafsack mit Heizung“übergestül­pt, eine „mords“Arbeit ist das. „Ich habe vermutlich die größte Sammlung an frei ausgepflan­zten Farnen in Deutschlan­d“, erzählt Thomas Fackler.

Nicht nur die Farne, sondern auch der Bambushors­t ist beeindruck­end. Er ist 20 bis 30 Jahre alt, der höchste Bambus misst zwölf Meter, und zum Glück weiß Fackler auch, wie man die Ausbreitun­g des Bambus verhindern kann. Inzwischen ist er Experte für besondere Gärten: „Am Anfang wusste ich nur, dass man im Garten Unkraut zupfen muss.“

Seine grüngestal­terische Kreativitä­t stellt er gern Menschen zur Verfügung, die sich von ihm ihren Garten planen lassen wollen. Dabei geht er mit Bedacht vor, will erhalten, integriere­n. Die Essenz seiner Gartenphil­osophie passt denn auch ganz zu seiner Lebensphil­osophie: „Ein Garten ist niemals fertig, er bleibt immer im Zustand des Werdens.“

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Erfinder, Sammler, Künstler: Thomas Fackler mitten in seinem Reich.
Fotos: Marcus Merk Erfinder, Sammler, Künstler: Thomas Fackler mitten in seinem Reich.
 ??  ?? Alte Werkzeuge in neuer Funktion: Ein Detail aus dem Garten des Hauses in Aystetten.
Alte Werkzeuge in neuer Funktion: Ein Detail aus dem Garten des Hauses in Aystetten.
 ??  ?? „Ein Garten ist niemals fertig“, sagt Thomas Fackler. Diesen Satz würden wohl viele unterschre­iben.
„Ein Garten ist niemals fertig“, sagt Thomas Fackler. Diesen Satz würden wohl viele unterschre­iben.
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Praktische Kunst: Gebrauchsg­egenstände wie diese Heringe wandelt Fackler um.
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Mikroskope finden sich im Hause in vielen Variatione­n.

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