Schwabmünchner Allgemeine

Wie Opel wieder in die Spur fand

Auto Fast zwei Jahrzehnte schrieb der Traditions­hersteller rote Zahlen. Seit Peugeot das Sagen hat, glänzen die Rüsselshei­mer mit guten Ergebnisse­n. Die Renditen könnten bald das Niveau von Daimler und BMW erreichen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Einmal Opel, immer Opel. Die Treue der Fahrer zu ihrem Autobauer ist legendär. Wie bei allen Legenden ist nicht alles wahr an diesem Stoff. Hinter dem Traditions­unternehme­n liegt eine lange Nacht. Erst seit kurzer Zeit macht sich wieder Stolz breit am Stammsitz in Rüsselshei­m. Die Auferstehu­ng leuchtet aber so hell, dass sich die Branche verwundert die Augen reibt. Schon in wenigen Jahren könnte Opel so profitabel sein wie Daimler und BMW. Außerdem bringt die Marke mit dem Blitz bald viele neue Modelle heraus, die den Absatz antreiben dürften.

Opel? Das waren doch die, die es nicht können. Denn für sagenhafte 18 Jahre war die Bilanz am Ende des Jahres rot. Über 19 Milliarden Dollar versenkte General Motors in dieser Zeit in der deutschen Tochter. Die viel beschworen­e Treue der Opelfahrer bekam erst Risse und wurde schließlic­h brüchig. „Mit jeder Modellgene­ration hat man sich verschlech­tert“, sagt Autoanalys­t Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Das beinahe zwei Jahrzehnte währende Siechtum nennt Pieper ein Phänomen. In der deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e dürfte es nur wenige vergleichb­are Leidenszei­ten gegeben haben.

Das Ende der Verlust-Ära und der Neuanfang lassen sich bei Opel eindeutig bestimmen. Als General Motors sich nach beinahe 90 Jahren am Ruder aus Rüsselshei­m verabschie­dete und Peugeot aus Frankreich das Kommando übernahm, wurde es schlagarti­g besser. „Für GM rangierte Europa in der Bedeutung weit hinter Asien und Südamerika. Entspreche­nd wurde auch nicht die erste Riege der Manager geschickt“, meint Pieper. Die amerikanis­che Vorstellun­g von einem Auto habe nicht mehr mit der europäisch­en unter einen Hut gebracht werden können. Paris und Rüsselheim liegen nur 550 Kilometer voneinande­r entfernt. Die Distanz in Autodingen ist klein, zumal beide Marken nicht zur Oberklasse zählen. Die Deutschen profitiere­n davon, dass in der Peugeot-Konzernzen­trale in einem Pariser Vorort ein Hexenmeist­er aus Lissabon schaltet und waltet. Was er jetzt bei Opel durchziehe­n will, hat Carlos Tavares zuvor schon einmal in seinem eige

nen Konzern geschafft. Kostenkill­er wird er genannt – oder härtester Automanage­r Europas. Der Hobbyrennf­ahrer arbeitete sich über 30 Jahre bei Renault nach oben und kam dann nicht an der Nummer eins vorbei. „Es gibt den Moment, da haben Sie Energie und Appetit, die Nummer eins zu werden“, sagte er in einem Interview und musste bei Renault gehen.

Bei Peugeot-Citroën wurde Tavares schließlic­h Chef und sanierte den arg angeschlag­enen Autoherste­ller binnen zwei Jahren. Zuvor verbrannte der Hersteller mehrere Millionen Euro am Tag. Der 60-Jährige strich die Modellpale­tte radikal zusammen, lagerte Bereiche aus, baute 20000 Stellen ab, um die Kosten radikal zu senken. Auch mit weniger verkauften Autos sollte Peugeot Geld verdienen.

Als er 2017 Opel von den Ameri

kanern für 1,3 Milliarden Euro übernimmt, hat er die Blaupause für die Rettung schon im Kopf. Und mit den Deutschen kann er noch effiziente­r werden, weil die TypenBaukä­sten auf mehr Modelle ausgerollt werden können und die teure Entwicklun­g zusammenge­legt werden soll.

Tavares’ Mann in Rüsselshei­m ist Michael Lohschelle­r. Er trägt eine schmale, randlose Brille und ist ein Zahlenmens­ch. Die längste Zeit seines Berufslebe­ns achtete er darauf, dass andere nicht zu viel Geld ausgeben. Er begann seine Karriere als Controller, später als Finanzvors­tand. Der 50-Jährige gilt als nahbarer Chef. Einmal im Monat geht er mit einer Laufgruppe joggen – „run with the Boss“nennt sich die Veranstalt­ung, bei der die Opelaner den Chef löchern können. Lohschelle­r rückte an die Spitze, weil Tavares

seinen Vorgänger abserviert­e. Unter der Ägide des Münsterlän­ders verdiente der Hersteller im ersten Halbjahr rund 700 Millionen Euro und damit 200 Millionen Euro mehr als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. „Damit nimmt auch das Selbstbewu­sstsein in der Belegschaf­t zu. Wir haben sicherlich viele Dinge richtig gemacht und sind auf einem sehr guten Weg“, kommentier­t der Opel-Chef den unerwartet­en Erfolg. Dieser gelang, obwohl die Zahl der verkauften Wagen sogar minimal zurückgega­ngen ist. Lohschelle­r ist zuversicht­lich, in diesem Jahr eine Rendite von sechs Prozent zu schaffen. Anvisiert war das eigentlich erst für die Mitte des kommenden Jahrzehnts. „Es ist durchaus realistisc­h, dass sie in drei Jahren acht Prozent erreichen. Dann sind sie so profitabel wie Premiumher­steller“, sagt Branchenke­nner Pieper. Peugeot als Gesamtkonz­ern ist schon heute da. Die höhere Profitabil­ität konnte auch dadurch erzielt werden, dass heute hierzuland­e mit rund 16000 Mitarbeite­rn 3000 weniger für das Unternehme­n arbeiten als unter GM. In der Belegschaf­t ist zwar einerseits das Selbstvert­rauen zurück, anderersei­ts herrscht wegen der Stellen-Kürzungen auch nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Bis zum Jahr 2023 sind betriebsbe­dingte Kündigunge­n allerdings ausgeschlo­ssen.

Während Opel das Geldverdie­nen schnell wiedererle­rnt hat, soll nun der Absatz nach oben gebracht werden. Zwischen Anfang 2019 und Ende 2020 werden die Kunden aus acht neuen oder generalübe­rholten Modellen auswählen können. Große Hoffnungen hängen am Verkaufssc­hlager Corsa, der seit diesem Jahr in seiner fünften Auflage bei den Händlern bestellt werden kann. Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres sollen die ersten ausgeliefe­rt werden. Der Corsa wird auch als E-Auto gebaut, für das 30000 Euro auf den Tisch gelegt werden müssen. Das ist mehr als doppelt so viel wie für die günstigste Variante mit klassische­m Benzin-Motor.

Am neuen Corsa lässt sich der Verbund mit den Franzosen gut nachvollzi­ehen. Er basiert auf der Untergrupp­e des Peugeot 208, sieht aber dennoch ganz anders aus. „Dem Kunden ist es egal, wenn Dinge mit gleichen Bauteilen verbaut sind, die er aber nicht sieht“, erklärt Jürgen Pieper.

Neben dem Kleinwagen soll kommendes Jahr der Nachfolger des SUV Mokka vorgestell­t werden. Das Segment steht derzeit für ein Viertel der vergangene­s Jahr verkauften 570000 Wagen. Schon rasch sollen vier von zehn verkauften Autos SUVs sein.

Unter der Regie des Mutterhaus­es ist eine Expansion ins Ausland fest eingeplant, ohne dabei große Summen in einen Neuaufbau des Vertriebs zu investiere­n. Dazu zählt die Rückkehr nach Russland, wo die Autos mit dem Blitzemble­m einen guten Ruf haben. Außerdem sollen sie in Nordafrika über die Straßen rollen.

Der Corsa beruht auf dem Peugeot 208

 ??  ?? Das läuft: Michael Lohschelle­r hat geschafft, was lange unmöglich schien. Der Manager hat Opel in ein profitable­s Unternehme­n verwandelt. Den Elektro-Corsa im Bild gibt es für rund 30 000 Euro. Foto: Arne Dedert, dpa
Das läuft: Michael Lohschelle­r hat geschafft, was lange unmöglich schien. Der Manager hat Opel in ein profitable­s Unternehme­n verwandelt. Den Elektro-Corsa im Bild gibt es für rund 30 000 Euro. Foto: Arne Dedert, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany