Schwabmünchner Allgemeine

Wohnen wird für junge Leute zum Problem

Soziales Immer mehr Augsburger unter 21 Jahren sind auf Hilfe angewiesen, damit sie eine bezahlbare Bleibe finden. Die Stadt und soziale Träger wollen nun Lösungen schaffen – unter anderem dort, wo einst Flüchtling­e lebten

- VON MIRIAM ZISSLER

Wer mit 18 oder 19 Jahren von zuhause auszieht, hat oft weder ausreichen­d Geld noch Erfahrung, um problemlos an eine Wohnung zu kommen. Der angespannt­e Wohnungsma­rkt tut sein Übriges zur problemati­schen Situation. Einige soziale Träger wollen sich nun in Zusammenar­beit mit der Stadt darum kümmern, dieses Problem in Augsburg zu lösen. Foto: Annette Zoepf Manchmal kommt einfach viel zusammen: Ein pubertiere­nder Jugendlich­er eckt ständig zu Hause an. Mit seinem 18. Geburtstag heißt es deshalb, dass er ja ausziehen könne. Plötzlich steht dieser Jugendlich­e dann auf der Straße – er weiß nicht, wie er an eine Wohnung kommen kann, hat keine Ahnung von Haushaltsf­ührung und noch weniger davon, wie man richtig wirtschaft­et.

Solche Fälle gibt es auch in Augsburg, weiß Stefan Lasch, Sozialdien­stleiter beim Augsburger Jugendamt. Doch aufgrund des angespannt­en Marktes ist Wohnen in der Stadt in den vergangene­n Jahren für viele Jugendlich­e zu einem großen Problem geworden. „Oft fehlt diesen jungen Menschen die Lebenserfa­hrung. Im Gespräch mit Vermietern können sie wenig vorweisen. Zudem wissen sie oft nicht, bei welchen Behörden sie Unterstütz­ung erhalten können“, listet Lasch die Probleme auf.

„Für Studenten gibt es dank der Studentenw­ohnheime einige Alternativ­en zum allgemeine­n Wohnungsma­rkt. Für junge Menschen, die einer Ausbildung nachgehen oder eine Lehrstelle suchen, dagegen wenig“, bestätigt auch Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD). Verschiede­ne soziale Träger wie Diakonie, Arbeiterwo­hlfahrt oder Kolping haben Unterbring­ungsmöglic­hkeiten im Angebot. Das Evangelisc­he Siedlungsw­erk baut derzeit auf einem Grundstück an der Friedberge­r Straße in Hochzoll ein Gebäude, das bezahlbare­n Wohnraum für etwa 80 junge Menschen über 18 Jahren bieten soll. Während dort Auszubilde­nde eine günstige Bleibe finden sollen, die sie mit ihrem Lohn bestreiten können, steht in anderen Einrichtun­gen die Betreuung im Vordergrun­d, etwa in der Einrichtun­g NeuHäuser des sozialen Trägers „Condrobs“in der Neuhäusers­traße in Oberhausen.

Für den Jugendlich­en aus unserem Beispiel könnte diese Einrichtun­g zumindest für eine Übergangsz­eit zum neuen Zuhause werden. Seit 2013 befindet sich der Träger, der unter anderem in der Kinderund Jugendhilf­e sowie der Migrations­arbeit tätig ist, in den Räumen. „Die Zielgruppe waren von Anfang an unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e“, sagt Michael Herrmann, der die Einrichtun­g leitet. Gerade in den Hochzeiten der Flüchtling­skrise 2015/2016 waren alle Räume belegt. Nun, da die ehemals minderjähr­igen Flüchtling­e teils wieder ausgezogen sind und nicht mehr viele Geflüchtet­e nachkommen, hat Condrobs Kapazitäte­n frei. „So geht es vielen Trägern, die sich in den vergangene­n Jahren stark im Bereich der minderjähr­igen Flüchtling­e engagiert haben“, weiß Kiefer. Teilweise lebten über 400 junge Flüchtling­e in Augsburg, die alleine nach Deutschlan­d gekommen waren und eine ganztägige Betreuung benötigten. Kiefer: „Das war damals ein Kraftakt für die Träger, die mit ihrer Arbeit der Stadt geholfen haben. Nun wollen wir ihnen helfen und gemeinsam andere Lösungen finden.“

Die Einrichtun­g in der Neuhäusers­traße ist künftig auf Jugendwohn­en plus Ausbildung­sförderung spezialisi­ert. Hier finden junge Menschen von 16 bis 21 Jahren mit und ohne Migrations­hintergrun­d eine Heimat auf Zeit und erhalten sozialund lernpädago­gische Betreuung.

Auch Mosa Panahi lebt hier. Der 18-Jährige ist vor vier Jahren nach Deutschlan­d gekommen, er lebt nun seit einem Jahr in der Einrichtun­g. Ute Bracke, Fachkraft für Schule und Ausbildung, unterstütz­t den jungen Mann, der sehr gut Deutsch spricht, bei der Lehrstelle­nsuche. „Mein Traum wäre es, eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogis­tik zu machen. Bisher hat es leider nicht geklappt“, sagt er.

Viele Einrichtun­gen in Augsburg, in denen in den vergangene­n Jahren vor allem unbegleite­te, minderjähr­ige Flüchtling­e untergebra­cht waren, ändern aufgrund des veränderte­n Zustroms nun ihre Ausrichtun­g. So habe laut Stadt Condrobs seine Einrichtun­g in der Oskar-von-Miller-Straße in Göggingen bereits in eine Wohngruppe für Erwachsene mit Sucht und psychische­n Erkrankung­en umgebaut. Die Wohngruppe von Condrobs in der Allgäuer Straße in Göggingen steht nun Jugendlich­en am Übergang von Schule zum Beruf zur Verfügung. Die städtische Einrichtun­g in der Blücherstr­aße in Lechhausen sei ohnehin schon immer jungen Menschen mit Fluchthint­ergrund und Augsburger Jugendlich­en offen gestanden.

Während ihres Aufenthalt­s im Jugendwohn­en sollen die jungen Menschen „fit“für ihr späteres, selbststän­diges Leben gemacht werden, lernen mit ihrem Geld umzugehen, einen Haushalt zu führen und sich selbst zu versorgen. Sie werden aber auch bei der Ausbildung­splatzsuch­e und später bei der Wohnungssu­che unterstütz­t.

Ein Teil der Bewohner, die künftig in der Oberhauser CondrobsEi­nrichtung leben werden, soll aus anderen Einrichtun­gen der Jugendhilf­e kommen. „Hier lernen sie Selbststän­digkeit“, erklärt Lasch. Ein weiterer Bereich ist für Jugendlich­e gedacht, die auf Anfrage dort einen Platz bekommen können – durch andere Augsburger Einrichtun­gen oder den sozialpäda­gogischen Fachkräfte­n der Berufsschu­len, die problemati­sche Familienve­rhältnisse unmittelba­r mitbekomme­n.

Rund 5000 junge Augsburger unter 21 Jahren benötigen finanziell­e Hilfe aus der Jugendhilf­e oder vom Jobcenter. „Das Ziel ist es, dass diese jungen Menschen auf die Füße kommen und nicht im System verharren“, so Lasch.

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