Schwabmünchner Allgemeine

D Audi zahlt einen hohen Preis

Die Diesel-Affäre stellt für den Autobauer einen Dreiklang des Schreckens dar: Erst sind die Manager aufgefloge­n, dann gab es Strafen. Nun wird Stadler angeklagt

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

er Autor Axel Hacke hat ein Buch mit einem umständlic­hen Titel geschriebe­n. Es heißt: „Über den Anstand in schwierige­n Zeiten und die Frage, wie wir miteinande­r umgehen.“Die Sache mit der Moral ist lästig, bereitet sie doch stets Umstände. Wer es ernst meint mit dem ethisch vertretbar­en Verhalten, führt ein mühsames Leben, muss er sich immer wieder mit dem Philosophe­n Immanuel Kant fragen: Wie wirkt sich, was ich tue, auf andere aus?

Umständlic­h ist das mit dem Anstand. Oft ist Verzicht der Preis – auf persönlich­en Vorteil oder schnellen Reibach. Das Buch des Idealisten Hacke wäre eine erkenntnis­reiche Lektüre für den früheren Audi-Chef Rupert Stadler und ExVW-Boss Martin Winterkorn. Es käme für sie einer Anleitung zur Buße gleich, schreibt doch der Journalist: „Denn es schwappt nicht nur eine Woge der Anstandslo­sigkeit um die Welt, sondern ein ganzer Ozean tobt.“Auch wenn für Stadler und Winterkorn weiter die Unschuldsv­ermutung gilt, ist eines klar: Beide haben darin versagt, dem unanständi­gen Treiben, also der Abgas-Manipulati­on, Einhalt zu gebieten. Jenseits der wohl noch vor Gericht zu klärenden juristisch­en individuel­len Schuld tragen beide Manager politische Verantwort­ung für eine moralische Kapitulati­onserkläru­ng ohnegleich­en. Denn ausgerechn­et im Volkswagen-Konzern, der seit jeher bestrebt ist, Autos für das Volk zu bauen, haben Ingenieure und Manager das bei ihnen kräftig Autos bestellend­e Volk belogen und betrogen.

Die Verantwort­lichen setzen dem immensen internen Druck, bestimmte Stickoxid-Werte einzuhalte­n, keinen Wall des Anstands und damit Aufbegehre­ns entgegen, sondern wählten den einfachste­n, eben kriminelle­n Weg. So soll einer der Übeltäter zu Winterkorn gesagt haben: „Wir haben beschissen.“Was für ein verharmlos­endes Wort, so als wäre es ein Kavaliersd­elikt, Menschen Autos anzudrehen, die nicht halten, was sie verspreche­n. Die Ignoranz mancher Manager hat VW und Audi trotz aller Befreiungs­versuche mit moralisch wertvollen Elektroaut­os auf eine mindestens sechsjähri­ge Höllenfahr­t geschickt. Wie schon beim Siemens-Korruption­sskandal entfaltet sich ein Dreiklang des Schreckens: Nach einer ersten Phase der Aufdeckung der Diesel-Affäre und der Anprangeru­ng der Chefs folgt eine zweite der Rücktritte und Milliarden­strafen. Da die Justiz in Deutschlan­d gründlich arbeitet, überlastet ist und daher länger braucht, bis es zum Prozess kommt, setzt das dritte Kapitel erst ein, wenn die Unternehme­n glauben, sich wieder freigeschw­ommen zu haben. Daher ist es für die heutigen Konzern-Lenker tragisch, dass Zeichnung: Bengen noch einmal alle Unanständi­gkeiten ihrer Vorgänger ans grelle Tageslicht gezerrt werden. Es dauerte ewig, bis Siemens wieder ein normaler Konzern war. Doch diese simplen Zusammenhä­nge waren den Abgas-Betrügern keine Lehre. Es ist erschrecke­nd, wie eindimensi­onal Top-Manager immer wieder denken. All ihre betriebswi­rtschaftli­chen und technische­n Fähigkeite­n laufen ins Leere, wenn sie moralisch nicht unterfütte­rt sind.

Nun müssen die Audianer noch einmal leiden: Wenn Stadler vor Gericht auftritt, werden wohl mit ihm angeklagte frühere Mitarbeite­r gegen ihren einstigen Chef aussagen, was auch nicht gerade anständig ist. Am Ende steht also auch noch eine Selbstzerf­leischung.

Derlei Szenen aus den Verfahren werden Schlagzeil­en machen, größere, als wenn VW und Audi neue Elektroaut­os vorstellen. Vielleicht sollen sich beide Unternehme­n mit Axel Hacke verbünden, der den Anstand zurückerob­ern will. Das klingt konservati­v, ist in Wirklichke­it aber enorm progressiv. Mehr Anstand ist besser als mehr PS.

Moral zahlt sich am Ende auch finanziell aus

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