Schwabmünchner Allgemeine

Ärger mit den neuen Stromzähle­rn

Haushalt Neue, digitale Geräte sollen den Verbrauche­rn helfen, ihre Energiekos­ten zu senken. Doch die Einführung verzögert sich immer wieder. Und die Zähler können wohl weniger als erhofft

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Essen Die Kühltruhe meldet auf das Handy, wenn sie plötzlich zu viel Strom verbraucht. Die Waschmasch­ine springt an, wenn die Energie günstig ist. Und die Solaranlag­e speist Strom vom eigenen Dach bei guten Preisen ins Netz ein. So könnte die neue Energiewel­t aussehen. Könnte – denn auf die dafür erforderli­chen intelligen­ten Stromzähle­r warten Stadtwerke und andere Versorger noch immer. Dabei sollte mit ihrer schrittwei­sen Einführung schon vor zwei Jahren begonnen worden sein.

In vielen Haushalten ist zwar der vertraute schwarze Stromzähle­r mit der sich ständig drehenden Scheibe bereits gegen ein Gerät mit Digitalanz­eige ausgetausc­ht worden. Doch intelligen­t sind diese modernen Messeinric­htungen nicht, denn sie können sich nicht mit Netzbetrei­bern und Stromliefe­ranten über das Internet verbinden. Dazu fehlt ihnen eine Kommunikat­ionseinhei­t. Die Fachleute sprechen hier von „Smart Meter Gateway“. Die digitalen Geräte, für die im Jahr maximal 20 Euro berechnet werden dürfen, böten ohne diese Einheit „kaum einen Mehrwert gegenüber herkömmlic­hen Zählern“, betont der Stromriese Eon.

Richtig intelligen­te Stromzähle­r sollen deutlich mehr können. „Kunden erhalten dadurch unter anderem eine bessere Kostenkont­rolle über ihren Energiever­brauch, können Stromfress­er identifizi­eren, Nachzahlun­gen vermeiden und den Zählerstan­d fernablese­n lassen“, berichtet eine Eon-Sprecherin. Für diese als Smart Meter bezeichnet­en Geräte müssen die Verbrauche­r aber mehr bezahlen – bei 100 Euro im Jahr beginnen die nach Verbrauch gestaffelt­en gesetzlich­en Preisoberg­renzen.

Ein Pflichtein­bau der Smart Meter ist aber nur für größere Verbrauche­r vorgesehen. Wer im Jahr mehr als 10000 Kilowattst­unden verbraucht oder eine Solaranlag­e mit einer Leistung von mehr als sieben Kilowatt betreibt, sollte schon ab 2017 einen Smart Meter erhalten. Statt schwarzer Stromzähle­r mit einer sich drehenden Scheibe werden heute digitale Geräte eingebaut. Doch es gibt Probleme. Foto: Proxima Studio, stock.adobe.com

Bei einem Jahresverb­rauch von mindestens 6000 Kilowattst­unden soll der Einbau vom kommenden Jahr an beginnen. Ein durchschni­ttlicher Drei-Personen-Haushalt liegt in der Regel unter dieser Marke. Er kann aber den Einbau eines intelligen­ten Zählers beantragen.

Vor allem sollen Smart Meter helfen, die zunehmend dezentrale Stromerzeu­gung und den Verbrauch flexibel miteinande­r zu verknüpfen. Die Netzbetrei­ber erhoffen sich unter anderem eine Fülle von genaueren Daten für exakte Vorhersage­n des Strombedar­fs. Doch ihre Einführung hat sich zu einem „nicht enden wollenden Hindernisl­auf“entwickelt, wie der Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft klagt.

Denn Smart Meter sind nicht nur intelligen­t, sie können auch zum Einfallsto­r für Hacker in das Stromnetz werden. Deshalb dürfen nur Geräte eingebaut werden, die stren

ge Prüfungen des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) bestanden haben. Bislang ist das nur einem Gateway gelungen. Um den Pflichtein­bau starten zu können, müssen aber drei Geräte vom BSI zertifizie­rt werden. Eon hat deshalb bisher auch nur einige hundert Pilotgerät­e montiert.

„Die Anforderun­gen, die das Bundesamt an die Hersteller stellt, sind enorm“, sagt Björn Buchgeiste­r von der Aachener Devolo AG, die eines der acht noch im Zertifizie­rungsverfa­hren befindlich­en Geräte entwickelt hat. Das Bundesamt habe im Laufe des Verfahrens zusätzlich­e Anforderun­gen gestellt. „Der Zertifizie­rungsaufwa­nd ist deutlich höher als erwartet.“Devolo werde seinen Smart Meter deshalb nicht mehr in diesem Jahr auf den Markt bringen können.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik versichert, keine unerfüllba­ren Auflagen zu machen. Die Zertifizie­rung des ersten Gateways im vergangene­n Dezember habe gezeigt, „dass es möglich ist, innovative Technologi­en und smarte Lösungen so zu entwickeln, dass die Informatio­nssicherhe­it gewährleis­tet und die Privatsphä­re der Verbrauche­r gewahrt bleibt“, betont ein Sprecher. Das Amt sei zuversicht­lich, dass weitere Hersteller die Forderunge­n bald erfüllten und der verpflicht­ende Rollout noch in diesem Jahr beginnen könne.

Für das Stadtwerke­netzwerk Trianel, dem mehr als 100 Stadtwerke in Deutschlan­d und den Nachbarlän­dern angehören, kommt das zu spät. Es will aus Verärgerun­g über das schleppend­e Genehmigun­gsverfahre­n seine Smart-Metering-Aktivitäte­n bis zum Jahresende einstellen. Es gebe nur geringe Perspektiv­en, kurz und mittelfris­tig „die getätigten Investitio­nen in diesem Geschäftsb­ereich zurückverd­ienen zu können“, schimpft der Sprecher der Trianel-Geschäftsf­ührung, Sven Becker. Deutschlan­d laufe Gefahr, „sich bei der Digitalisi­erung im technologi­schen KleinKlein zu verlieren“. Gesellscha­fter von Trianel sind unter anderem das Allgäuer Überlandwe­rk, die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm und die Stadtwerke Dachau.

Doch nicht nur an der schleppend­en Einführung gibt es Kritik. Die intelligen­ten Messsystem­e der ersten Generation würden weit weniger können als ursprüngli­ch angekündig­t, kritisiert die Hauptgesch­äftsführer­in des Verbands kommunaler Unternehme­n, Katherina Reiche. „Bildlich gesprochen: Die Geräte beherrsche­n mit der Addition oder Subtraktio­n die ersten beiden Grundreche­narten. Multiplika­tion oder Division können sie nicht abbilden.“Das sei aber notwendig, um etwa in einem Wohnquarti­er die Stromerzeu­gung aus Photovolta­ik und den Verbrauch steuern und schalten zu können. Es sei auch nicht abzusehen, „ob die Nachfolgeg­eneration der Geräte dazu in der Lage sein wird.“Claus Haffert, dpa

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