Liebe und Macht
Es gilt das gesprochene Wort Ohne Klischee erzählt der Film von einer ungleichen Beziehung
Aus dem tiefsten Anatolien reist Baran (Ogulcan Arman Uslu) nach Marmaris. Die Stadt an der Ägäis ist ein Urlaubsparadies, in dem sich viele europäische Touristen tummeln. Er landet als Spüler in einer Küche und verdient sich schon bald, wie der Rest der Belegschaft, sein Zubrot mit sexuellen Dienstleistungen für westliche Touristinnen.
Die deutsche Pilotin Marion (Anne Ratte-Polle) zeigt sich wenig interessiert an den Avancen des jungen Gigolos. Als sie vor ihrer Abreise erneut Baran trifft und der sie bittet, ihn nach Deutschland zu holen, Marion (Anne Ratte-Polle) und Baran (Ogulcan Arman Uslu). Foto: X-Verleih lässt sich Marion aus einem Impuls heraus auf die Scheinehe mit dem Unbekannten ein. Vielleicht weil sie im Angesicht ihrer Krebsdiagnose etwas tun will, das in die Zukunft gerichtet ist. Die Gründe bleiben in Ilker Çataks „Es gilt nur das gesprochene Wort“ein Geheimnis der Figur. Und das passt zu dieser selbstbewussten Frau, die von der fabelhaften Anne Ratte-Polle mit einer geradezu strahlenden, persönlichen Integrität verkörpert wird.
Mit großer Sensibilität und ohne melodramatische Posen lotet Çatak die Liebes- und Machtverhältnisse in der ungleichen Beziehung aus. Die beiden ringen darum, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Dabei schaut man gerne und interessiert zu, weil der Film davon weniger in ausgefeilten Dialogen als über Emotionen erzählt, die sich in Blicken, Körperhaltungen oder der Klangfarbe des Gesagten entfalten. Dazu passt das in kühlen Farben gehaltene Setting Hamburgs, in dem es dem Neuankömmling nicht leichtfällt, sich einzurichten. Auch wenn die ein oder andere Plotwendung vielleicht ein wenig überdosiert erscheint, bleibt Çatak seinem differenzierten Konzept bis zuletzt treu. Sein Film findet eine überraschende Schlusswendung, die dem Selbstbewusstsein und der Widersprüchlichkeit seiner Figuren gerecht wird.
Es gilt das gesprochene Wort
(2 Std.), Drama, D/F 2019
Wertung ★★★★✩