Prozess um Porträt des Kurdenführers Öcalan
Justiz Die Arbeiterpartei PKK ist seit 1993 in Deutschland verboten. Warum ein 30-Jähriger eine Geldstrafe erhält
Es sind die schlimmsten Krawalle, die Augsburg in der Nachkriegsgeschichte erlebt: Am 19. März 1994 reisen aus ganz Deutschland rund 6000 Kurden an, um hier ihr „Neujahrsfest“zu feiern. Doch das zuvor von der Stadt verbotene Treffen gerät völlig aus den Fugen.
Am Rande des Univiertels kommt es zu einer wilden Straßenschlacht mit der Polizei, Hunderte von militanten Kurden blockieren die Autobahn bei Edenbergen und später bei Adelsried. Fast 50 Polizisten werden teils schwer verletzt. Die gezielt gesteuerten Ausschreitungen sind offenbar die Antwort der Kurden auf das vier Monate zuvor vom Bundesinnenminister erlassene Verbot der PKK, der kurdischen Arbeiterpartei. Seit November 1993 macht sich danach strafbar, wer Fahnen oder Symbole der PKK und ihrer Schwesterorganisationen öffentlich zeigt. Die hochschlagenden Emotionen von damals haben sich inzwischen gelegt. Zwar kommt es in Deutschland seitdem immer wieder zu Demonstrationen der Kurden, die jedoch weitgehend ruhig verlaufen. Das Verbot nach dem Vereinsgesetz freilich besteht weiterhin. Und wird stets aufs Neue in Prozessen thematisiert.
Ein Fall, den Amtsrichter Thomas Müller-Froelich verhandeln muss, erweist sich als komplizierter als gedacht. Der Angeklagte, ein in der Türkei geborener Kurde, 30, ist offenbar Sympathisant der PKK. In Facebook-Account hat er Videos und Fotos von PKK-Demonstrationen zu einer Chronik zusammengestellt und seinen über 100 „Facebook-Freunden“gepostet. Auf den Bildern sind Fahnen und Symbole der PKK sowie ihr nahe stehender Organisationen zu sehen. Auch Porträts des seit 1999 inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan befinden sich in der Sammlung, was nach einer Erweiterung des PKK-Verbots im März 2017 ebenfalls unter Strafe steht.
So wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten nun vor, in neun Fällen gegen das Vereinsverbot verstoßen zu haben. Der Kurde war dem Staatsschutz der Polizei bereits durch ein vorhergehendes Strafverfahren bekannt, und so hatte sich im vergangenen Jahr erneut ein Beamter für ihn interessiert. Er hatte sich mithilfe einer fingierten Freundschaftsanfrage Zugang zu dem Facebook-Account verschafft und dann ermittelt. Wie zwiespältig die Verästelungen des PKK-Verbots vor allem juristischen Laien erscheinen muss, verdeutlicht der aus Nürnberg angereiste Verteidiger Yunus Ziyal. Beispiel 1: das Porträt von Abdullah Öcalan. Demonstrierten Menschenrechtler für die Freilassung des Kurdenführers und hielten sein Konterfei hoch, falle dies, so der Anwalt, straflos unter die freie Meinungsäußerung. Beispiel 2: der militärische Ableger YPG der syrischen Kurdenpartei PYD. Obwohl diese Kurdenmiliz in Syrien an der Seite der USA als wichtiger Verbünseinem deter des Westens gegen den Islamischen Staat kämpfe, sei es hierzulande strafbar, Symbole dieser Miliz in Zusammenhang mit der PKK öffentlich zu zeigen. Den kurdischen Kämpfern im Nordirak hatte die Bundeswehr sogar Waffen geliefert.
Einige Gerichte haben, was die YPG betrifft, bereits eine andere Rechtsansicht vertreten. Die Polizei in Bayern verfolgt das Zeigen der YPG-Symbole weiterhin. Nach der Einstellung zweier Anklagepunkte verurteilt Richter Müller-Froelich den Kurden. Eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro aus einem gleichartigen Verfahren aus dem Jahr 2018 wird um 60 Tagessätze aufgestockt, sodass er 2250 Euro Strafe zahlen muss. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.