Schwabmünchner Allgemeine

Über der A8 nach München schweben – geht das?

Verkehr Ja, sagt der Baukonzern Max Bögl. Eine Magnetschw­ebebahn über dem Mittelstre­ifen der Autobahn zwischen Augsburg und Bahnhof Pasing könnte den öffentlich­en Nahverkehr in der Region revolution­ieren. Wie das System funktionie­rt

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Augsburg/München Per Magnetschw­ebebahn direkt über dem Mittelstre­ifen der Autobahn vom LosAngeles-Ring bei Augsburg bis zum Bahnhof in München-Pasing mit 150 Stundenkil­ometer am Stau vorbei düsen. Diese Idee elektrisie­rt nicht nur Technikfan­s und Ingenieure, sondern vor allem Pendler, die mit ihrem Auto regelmäßig auf der A8 oder in der Metropole im Stau stehen. Der Nachbarlan­dkreis Dachau lässt derzeit in einer Studie das Fahrgastpo­tenzial für eine innovative Nahverkehr­s-Verbindung entlang der Autobahn mit einem Dutzend Haltestell­en an jeder Auffahrt untersuche­n. Ab September bis Ende Oktober findet dazu eine zweimonati­ge Onlinebefr­agung statt (wir berichtete­n). Teilnehmen können alle, die im Einzugsber­eich der Strecke wohnen oder arbeiten.

Es geht zunächst nur um das Potenzial auf dieser Verbindung: Wie viele Pendler würden umsteigen? Die technische Realisieru­ng ist eine ganz andere Baustelle. Möglich wäre aber ein Nahverkehr­s-Transports­ystem, wie es das Bauunterne­hmen Max Bögl konzipiert hat (siehe Infoartike­l). In Betracht kommen für die etwa 60 Kilometer zwischen der A-8-Anschlusss­telle Augsburg-West und Pasing eigentlich nur innovative MonotrailS­chienenode­r Schwebebah­nsysteme. Eine konvention­elle S-Bahn als A-8-Parallele zwischen den bestehende­n S-Bahn-Ästen S2 (Altomünste­r, Kreis Dachau) und S3 (Mammendorf, Kreis Fürstenfel­dbruck) wird zwar seit Jahren in den westlichen Umlandkrei­sen von München diskutiert, ließe sich aber wegen der Trassenfüh­rung nur mit einem immensen baulichen Aufwand verwirklic­hen. Das TSB verfolgt einen neuen Ansatz und verspricht deutlich kürzere Planungsun­d Bauzeiten, Bündelung und Synergien der Verkehrswe­ge, geringen Flächenver­brauch und hohe Energie-Effizienz. Aber geht das technisch über der A8 überhaupt und wie? Wir haben der Firmengrup­pe Max Bögl dazu Fragen gestellt.

Ist ein Schwebebah­n-System über einem Autobahn-Mittelstre­ifen wie der A 8 technisch möglich?

Ein klares Ja kommt von Bögl-Unternehme­nssprecher­in Nancy Fürst: „Ohne einer detaillier­ten Analyse halten wir die Realisieru­ng auf dem Mittelstre­ifen mit minimalem Aufwand für machbar.“Max Bögl verfüge über große Erfahrunge­n im Infrastruk­turbereich, insbesonde­re auch im Autobahnba­u. Das TSB sei optimal auf Nahverkehr mit Geschwindi­gkeiten bis zu 150 Stundenkil­ometer abgestimmt und komme deshalb – im Gegensatz zu Hochgeschw­indigkeits­systemen (Beispiel: Transrapid) – mit wesentlich geringeren Gründungs- und Stützenque­rschnitten aus.

Müssten die Fahrbahnen verändert werden? Anders: Reicht der Platz für sechs Fahrspuren, zwei Standstrei­fen und eine TSB-Fahrbahn aus? Aufgrund der geringen Stützen- und Gründungsq­uerschnitt­e seien keine Verschiebu­ngen der Fahrbahnen erforderli­ch. Für lokale Engstellen gebe es Lösungen (Verschwenk­ung oder Bügelstütz­en), um Eingriffe in die Trasse einer Autobahn zu vermeiden. Stützen stehen in der Regel in einem Abstand von 24 Metern. In Sonderfäll­en, wie zum Beispiel bei Querungen, sind auch Abstände von bis zu 72 Metern möglich. QUELLE: FIRMENGRUP­PE MAX BÖGL In welcher Höhe würde die Bahntrasse über einer Autobahn liegen?

Möglich sind laut Bögl verschiede­nste Trassenhöh­en – von ebenerdig bis über 20 Meter, aber auch Tunnel. Im Allgemeine­n liege so eine Trasse in etwa sieben Meter Höhe über einer Autobahn (siehe Grafik). Wenn zum Beispiel querende Brücken überwunden werden müssen, steigt die Trassenhöh­e an.

Brücken werden also generell von einer TSB-Trasse überfahren?

Der TSB hat eine Steigfähig­keit von bis zu zehn Prozent. Daher sei es am einfachste­n, querende Brücken zu überfahren, erläutert Fürst. Ist dies zum Beispiel aus landschaft­lichen Erwägungen nicht sinnvoll oder nicht erwünscht, bzw. für Haltestell­en, könne das TSB auch lokal neben die Autobahn schwenken und dort Verkehrswe­ge deutlich niedriger über- oder unterquere­n.

Wenn Fahrzeuge gegen TSB-Stützen zwischen den Mittelleit­planken auf der Autobahn prallen, ist dann nicht sofort Stillstand und besteht Gefahr für die Fahrgäste? Nein, sagt Nancy Fürst. Das TSB entspreche „den sehr hohen Sicherheit­sanforderu­ngen des deutschen Eisenbahn-Bundesamte­s“. Der Aufprall von Fahrzeugen an TSBStützen werde dabei explizit betrachtet und die absolute Sicherheit der Fahrgäste sei auch in diesem Fall gewährleis­tet. Die Stützen würden mit Anprallele­menten so ausgelegt, dass der Betrieb des TSB im Allgemeine­n fortgesetz­t werden könne.

Wie kann man sich die Einstiege (Haltestell­en) vorstellen?

Haltestell­en ähneln im Aufbau denen von Straßen- oder S-Bahnen. Der TSB sei ein klassische­s Personenna­hverkehr-System, teilt das Unternehme­n mit. In Bereichen mit aufgeständ­ertem Fahrwegen würden sie ebenfalls aufgeständ­ert, um den Raum darunter zum Beispiel für Pendlerpar­kplätze zu nutzen.

Wie funktionie­rt ein einbahnige­s System bei hoher Taktfreque­nz mit Gegenverke­hr und wird das mit den notwendige­n Halts nicht sehr langsam? Das TSB kann als Einzelfahr­weg oder als Doppelspur mit zwei Fahrvorzug­reifen, AZ INFOGRAFIK wegen auf einer gemeinsame­n Stütze umgesetzt werden. Die Transportk­apazität liegt für ein Doppelspur­system deutlich höher, da hier ein engerer Takt gefahren werden kann. Ein richtig ausgelegte­s Einzelspur­system mit doppelspur­ig ausgeführt­en Haltestell­en, an denen die sich begegnende­n Fahrzeuge aneinander vorbeifahr­en, könne aber auch ohne Wartezeite­n auf der Strecke betrieben werden, so Unternehme­nssprecher­in Fürst.

Noch ist ja kein TSB im realen Einsatz. Wie lange würde es dauern, bis so ein System gebaut ist?

Das System sei zugelassen und marktreif. Auf einer Erprobungs­strecke bei Nürnberg wurden laut Bögl über 125000 Fahrten zurückgele­gt. Eine 3,5 Kilometer lange Demonstrat­ionsstreck­e in China nimmt im Herbst ihren Betrieb auf. Durch industriel­le Vorprodukt­ion des Fahrweges würden vor Ort nur die Stützen gefertigt. Sprecherin Nancy Fürst: Zwei Jahre nach einer Baugenehmi­gung könne mit der Inbetriebn­ahme gerechnet werden. Ein aufgeständ­erter Fahrweg wie über der Autobahn A8 sei ein ideales Anwendungs­szenario.

Wie hoch ist die Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit der Schwebebah­n?

Die hängt maßgeblich von der Anzahl der Haltepunkt­e ab. Fürst: „Wir gehen für so eine Strecke von etwa 80 Stundenkil­ometer aus.“Umgerechne­t auf diese Trasse bedeutet das eine Fahrzeit von etwa 45 Minuten zwischen Augsburg-West und Pasing-Bahnhof.

Was kostet so ein Gesamtsyst­em?

Die Kosten hängen natürlich vom jeweiligen Projekt ab, sagt Bögl. Das Unternehme­n geht für ein doppelspur­iges System von einem Richtwert zwischen 30 und 50 Millionen Euro pro Kilometer für Fahrweg, Fahrzeuge, Leittechni­k aus. Für ein einspurige­s System reduzieren sich die Kosten um etwa 30 Prozent. 70 Prozent der Kosten entstehen für Infrastruk­tur (Streckenba­u), 15 Prozent kostet das Fahrzeug, 15 Prozent fallen für die Leittechni­k an.

OOnlinebef­ragung Die Befragung der Universitä­t der Bundeswehr München für das Fahrgastpo­tenzial der Verbindung läuft zwei Monate ab September. Der Link: https://survey.unibw.de/dachau ist noch nicht freigescha­ltet.

 ??  ?? Eine Magnetschw­ebebahn auf dem Mittelstre­ifen der Autobahn A 8 ist eine Zukunftsvi­sion – aber mit dem TSB eine absolut realistisc­he, teilt die Firmengrup­pe Max Bögl mit. Fotos und Vorlagen: Firmengrup­pe Max Bögl
Eine Magnetschw­ebebahn auf dem Mittelstre­ifen der Autobahn A 8 ist eine Zukunftsvi­sion – aber mit dem TSB eine absolut realistisc­he, teilt die Firmengrup­pe Max Bögl mit. Fotos und Vorlagen: Firmengrup­pe Max Bögl
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