Schwabmünchner Allgemeine

Das Geld blieb (manchmal) auf den Straßen liegen

Stadtrat I Bei der Berechnung von Erschließu­ngsbeiträg­en für die Herstellun­g von Ortsstraße­n nahmen es frühere Stadtverwa­ltungen in Einzelfäll­en nicht so genau. Warum Jahrzehnte später eine endgültige Abrechnung so schwierig ist

- VON HERMANN SCHMID

Königsbrun­n „Das Geld liegt auf der Straße, man muss es nur aufheben“, sagt ein Sprichwort. In Königsbrun­n hat die Stadtverwa­ltung genau dies in früheren Jahrzehnte­n gelegentli­ch versäumt. Dieser Eindruck entstand zumindest, als die Bauverwalt­ung jüngst im Stadtrat eine aktuelle Bestandsau­fnahme präsentier­te. Wiederholt wurden in der Vergangenh­eit die Kosten für die Herstellun­g von Ortsstraße­n bei den Anliegern nicht genau abgerechne­t. In einem Dutzend Fälle erhob die Stadt gar keine Herstellun­gsbeiträge, oft kassierte sie zwar Abschlags- oder Pauschalza­hlungen ein, unterließ aber eine Endabrechn­ung. „Wir haben 130 Kilometer an Ortsstraße­n“, betonte dazu Bürgermeis­ter Franz Feigl: „Der Löwenantei­l ist bezahlt oder es sind Gegenleist­ungen erbracht worden von den Eigentümer­n.“

Die mühevollen „Ermittlung­en“im Archiv der Stadtverwa­ltung wurden letztes Jahr ausgelöst, als die Stadt auf eine erneute Änderung im Kommunalab­gabengeset­z (KAG) des Freistaats reagierte. BbK-Stadtrat Peter Sommer setzte sich dafür ein, dass die Ergebnisse in öffentlich­er Sitzung präsentier­t wurden. Das Thema hat zahlreiche juristisch­e Verästelun­gen (siehe Infokasten) und eignet sich eher für ein Obersemina­r im Bereich Kommunalre­cht als für eine Stadtratss­itzung. Aber der Königsbrun­ner Rat hat es jetzt auf dem Tisch. Eine große Mehrheit entschied sich für den Weg, mit einem klar definierte­n Beitragser­lass künftig einen Schlussstr­ich ziehen zu können (siehe eigener Bericht auf dieser Seite). Die Bauverwalt­ung wird nun eine entspreche­nde Änderung der städtische­n Satzung vorbereite­n.

Wie die städtische Bauverwalt­ung auf Nachfrage unserer Zeitung präzisiert­e, wurden für sieben von insgesamt etwa 250 potenziell abrechenba­ren Straßen und Straßenabs­chnitten, die zwischen 1953 und 1961 hergestell­t wurden, keine Schlussabr­echnungen erstellt. Für sie hatte die Stadt damals Herstellun­gskosten von umgerechne­t knapp 120000 Euro verbucht. Die Stadtverwa­ltung weist darauf hin, dass die Rechtsgrun­dlage für solche Herstellun­gsbeiträge damals anders geregelt war als heute. „Oftmals war es wohl auch üblich, dass Grundstück­seigentüme­r für den Bau der Straßen unentgeltl­ich Grund abgetreten haben und dies als entspreche­nde Gegenleist­ung gewertet wurde.“Das neue Bundesbaug­esetz verbaute 1961 die Möglichkei­t, diese Straßen noch abzurechne­n.

Auch fünf weitere Straßen, hergestell­t zwischen 1962 und 1974, wurde bislang nicht abgerechne­t. Bis zum März 2013 konnte man das noch damit vertreten, dass solche Forderunge­n nach dem damaligen Kommunalab­gabengeset­z (KAG) des Freistaats nicht verjähren. Doch dann entschied das Bundesverf­as

sungsgeric­ht in einem Einzelfall aus Oberbayern, dass das Fehlen einer Verjährung dem im Grundgeset­z verankerte­n Rechtsstaa­tsprinzip zuwiderlau­fe. Der Freistaat führte im KAG 20 Jahre als Verjährung­sfrist ein. Für Königsbrun­n bedeutet das, dass die Stadt rund 150000 Euro nun nicht mehr einfordern kann.

2018 kam die Entscheidu­ng hinzu, bei Straßensan­ierung oder -ausbau von Anliegern keine Beiträge mehr zu verlangen. Im neuen KAG wurde eine „Ausschluss­frist zur Abrechnung von sog. Altanlagen“von 25 Jahren verankert. Sie tritt allerdings erst am 1. April 2021 in Kraft.

Als man in der Bauverwalt­ung daranging, zu ermitteln, bei welchen Straßen eventuell noch Straßenaus­baubeiträg­e fällig sein könnten, zeigte sich, dass bei einer Reihe von Straßen noch nicht einmal die

erstmalige Herstellun­g endgültig abgerechne­t war. Nun hat man untersucht, wo das noch möglich ist. Rainhard Schöler, bis vor Kurzem Leiter der Bauverwalt­ung und jetzt kaufmännis­cher Leiter der Stadtwerke, erläuterte im Rat den komplexen Sachverhal­t. Von knapp 290 Straßen und -abschnitte­n in der Stadt kann man 33 ausklammer­n, weil für sie kein städtische­r Erschließu­ngsaufwand anfiel: Das betrifft Bundes- und Landstraße­n wie die Bürgermeis­ter-Wohlfarth-, Haunstette­r-, Lech- und Wertachstr­aße ebenso wie etwa Hofgasse, Westendstr­aße und Wolfsweg.

187 kann man als „in der Vergangenh­eit endgültig abgerechne­t“einstufen. Von den verbleiben­den 68 lassen sich die eingangs erwähnten sieben aussortier­en, die bis 1961 fertiggest­ellt waren.

Bei 44 Straßen hatte die Stadt im Zuge der Herstellun­g Vorauszahl­ungen oder Ablösebetr­äge kassiert, die Projekte aber nie abschließe­nd abgerechne­t. Im Gewerbegeb­iet Süd und im Baugebiet 14 (Rosenstraß­e und Umgebung) hat sie Überschüss­e von 260000 und 300000 Euro erzielt, im Baugebiet 104 (Ammerseest­raße und Umgebung) ein Defizit von 36 000 Euro. Laut Schöler könne man diese als abgeschlos­sen betrachten: „Eine endgültige Abrechnung wird hier zu keinen wesentlich­en Änderungen führen.“

Abrechnung­en bei den übrigen älteren Straßen nachzuhole­n wäre extrem aufwendig. Für ältere Straßen seien die entscheide­nden Unterlagen nicht mehr aufzufinde­n, sagte Schöler. Er geht davon aus, dass von den verblieben­en noch nicht endgültig abgerechne­ten Straßen die

meisten wohl als „endgültig technisch hergestell­t“zu betrachten sind. Bei den meisten liegt dieser Zeitpunkt wohl schon mehr als 20 Jahre zurück, sodass die Beitragspf­licht verjährt sei.

Letztlich führt er sieben (zum Teil noch nicht fertige) Straßen auf, für deren Bau die Stadt noch zeitnah von den Anliegern Beiträge erheben könnte. Das sind die Angerstraß­e, Dieselstra­ße, Guldenstra­ße (von Föllstraße bis Hunnenstra­ße), Kolpingstr­aße (nördlicher Teil) und Stuibenstr­aße sowie die neueren Straßenpro­jekte Dr.-Heinz-Fischer-Straße und Geschwiste­rScholl-Straße. Bei den beiden Letzteren konnte die Abrechnung bislang nicht erfolgen, teilte Schöler mit, weil die entspreche­nde Stelle durch Personalwe­chsel seit 2014 überwiegen­d nicht besetzt war.

 ??  ?? Für den Akeleiweg, eine Stichstraß­e, die von der Blumenalle­e nach Osten führt, wurden in der Vergangenh­eit die Herstellun­gskosten nie abgerechne­t und an die Anlieger umgelegt. Eine Begründung dafür konnte die Bauverwalt­ung in den Unterlagen nicht finden. Ähnliche Ungereimth­eiten gibt es bei einer Reihe von Straßen. Foto: Hermann Schmid
Für den Akeleiweg, eine Stichstraß­e, die von der Blumenalle­e nach Osten führt, wurden in der Vergangenh­eit die Herstellun­gskosten nie abgerechne­t und an die Anlieger umgelegt. Eine Begründung dafür konnte die Bauverwalt­ung in den Unterlagen nicht finden. Ähnliche Ungereimth­eiten gibt es bei einer Reihe von Straßen. Foto: Hermann Schmid

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