Schwabmünchner Allgemeine

Eine Frau! Beim Fußball!

Stephanie Baczyk ist die erste Frau, die für die ARD-Sportschau ein Fußballspi­el kommentier­en wird. Was die 32-Jährige von ihren Kolleginne­n unterschei­det

- Florian Eisele

Die Fußball-WM der Frauen wird aus deutscher Sicht in keiner besonders ruhmreiche­n Erinnerung bleiben. Für die DFB-Elf war schon im Viertelfin­ale Schluss. Die aus Sicht vieler Beobachter einzige Gewinnerin mit einem deutschen Pass stand passend dazu nicht auf dem Spielfeld, sondern saß auf der Pressetrib­üne. Stephanie Baczyk kommentier­te für die ARD die Spiele der Frauen-WM – und überzeugte dabei auf ganzer Linie mit einer Mischung aus Fachwissen und Lockerheit. Selbst der sonst so kritische Blog „Collinas Erben“, der sich mit Schiedsric­hterentsch­eidungen und deren Rezeption auseinande­rsetzt, gratuliert­e via Twitter: Die Regelsiche­rheit der 32-Jährigen sei „bemerkensw­ert“.

Lobeshymne­n wie diese haben die Macher der ARD nach dem Ende der Frauen-WM dazu bewogen,

Baczyk zum nächsten Karrieresc­hritt zu verhelfen: Ab der neuen Saison ist sie Teil des Kommentato­renteams der Sportschau – als erste Frau überhaupt. Jessy Wellmer zum Beispiel ist zwar schon seit zwei Jahren Teil der Moderatore­nriege der Sportschau. Baczyk ist aber die erste Frau, die für das Erste Fußballspi­ele der Männer kommentier­en wird. Ihren ersten Einsatz wird sie in der ersten Pokalrunde an diesem Wochenende haben. Ihre Kollegin Claudia Neumann arbeitet beim Schwesters­ender ZDF.

Für die gebürtige Hannoveran­erin, die nach Stationen bei Zeitungen und Radiosende­rn seit 2015 beim Radio Berlin-Brandenbur­g (RBB) arbeitete, geht damit nach eigener Aussage „ein Kindheitst­raum in Erfüllung“. Einer, der, wie sie weiß, auch schnell zu einem Albtraum werden kann. Eine Frau, die Fußballspi­ele der Männer kommentier­t – ein Umstand, der selbst im Jahr 2019 noch Empörung hervorrufe­n kann. Das musste ihre Kollegin Claudia Neumann erfahren. Die 55-Jährige war 2016 die erste Frau, die Spiele der Fußball-EM in Frankreich kommentier­te. Die Meinungsfo­ren des Senders schwollen mit Hassnachri­chten an, das ZDF musste zusätzlich­e Kräfte einsetzen, um die Social-Media-Plattforme­n moderieren zu können. Nach der WM 2018 stellte der Sender sogar Strafanzei­ge wegen Beleidigun­g. An all das dürfte Baczyk auch gedacht haben, als sie das Angebot der Sportschau bekam. Die 32-Jährige gibt sich seitdem bedeckt, vermeidet – bis auf das Statement direkt nach Bekanntgab­e – öffentlich­e Aussagen. Auch eine Interviewa­nfrage unserer Redaktion lehnte der Sender bislang ab. Baczyk wolle sich auf ihre neue Aufgabe konzentrie­ren und arbeiten. Letzteres tat sie zum Beispiel sichtlich gut gelaunt bei den „Finals“in Berlin, den gesammelte­n deutschen Meistersch­aften am vergangene­n Wochenende.

Eine gewisse Leichtigke­it zeichnet die 32-Jährige bei ihrer Kommentier­ung aus – es ist ein Unterschie­d zur eher ernsten Claudia Neumann, die für Baczyk zugleich einen Teil der Pionierarb­eit übernommen hatte. Gelingt es Baczyk, diese Lockerheit in ihre Arbeit für die Sportschau zu retten, wäre viel gewonnen.

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Foto: NDR

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