Schwabmünchner Allgemeine

Der schwarze Sheriff sorgt für Diskussion­en

Parteien Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) warnt vor erhöhter Gewaltbere­itschaft bei Migranten und erntet Kritik von SPD und Grünen. Aber er bekommt auch Unterstütz­ung – und versteht die ganze Aufregung gar nicht

- VON BERNHARD JUNGINGER UND ULI BACHMEIER

München/Berlin Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann hat mit brisanten Aussagen zur tödlichen Attacke am Frankfurte­r Hauptbahnh­of und dem Schwertang­riff in Stuttgart für Aufregung im politische­n Sommerloch gesorgt. In der Großen Koalition gab es Debatten, nachdem der CSU-Politiker im Zusammenha­ng mit den beiden Verbrechen auf ein erhöhtes Gewaltrisi­ko bei Migranten hingewiese­n hatte. Die SPD nannte Herrmanns Äußerungen „schändlich“. Auch bei den Grünen, also praktisch beim Koalitions­partner im Wartestand, war der Ärger groß.

Auslöser der Kontrovers­e ist ein Interview, das Herrmann – Spitzname „Schwarzer Sheriff“– der Passauer Neuen Presse gegeben hat. Er äußerte sich darin zum tödlichen Angriff auf einen Achtjährig­en auf dem Frankfurte­r Hauptbahnh­of und zur Tötung eines Mannes mit einem Schwert in Stuttgart – in beiden Fällen sind Migranten tatverdäch­tig. „Jetzt kommen unübersehb­ar Menschen aus anderen Kulturkrei­sen zu uns, in deren Heimat die Gewaltlosi­gkeit, wie wir sie pflegen, noch nicht so selbstvers­tändlich ist“, sagte er. Und weiter: „Man muss das ganz deutlich ausspreche­n: Da kommen Leute zu uns, die sehr viel schneller Konflikte mit Gewalt austragen. Die folglich auch selbst ein deutlich höheres Niveau an Gewalt erlebt haben als wir. Wir haben hier ein erhöhtes Risiko, das zeigen die Kriminalst­atistiken ganz eindeutig.“

In den vergangene­n Monaten hatte sich die CSU mit migrations­kritischen Aussagen deutlich zurückgeha­lten. Nun fühlt sich mancher Berliner Politiker an Zeiten erinnert, in denen die Christsozi­alen mit ihren Forderunge­n in der Flüchtling­spolitik beinahe die Große Koalition gesprengt hätten.

Mahmut Özdemir, SPD-Innenpolit­iker aus Duisburg, zeigt sich entsetzt: „Den grausamen Vorfall in Frankfurt zu benutzen, um das eigene verquere Weltbild zu untermauer­n, ist schändlich. Für mich bleibt Straftäter gleich Straftäter, egal ob

es der bayrische Steuerbetr­üger oder der ausländisc­he Kriminelle ist.“Özdemir sagt gegenüber unserer Redaktion, für Herrn Hermann sei anscheinen­d „an allem der Ausländer schuld. Das zeugt davon, dass man lieber einen Sündenbock sucht, als über die eigenen Versäumnis­se zu reden. Diese Gangart kenne ich von Populisten.“

Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz geht ebenfalls hart mit Herrmann ins Gericht: „Derart pauschalis­ierende Vorwürfe helfen sicherheit­spolitisch nicht einen Deut weiter, erschweren Integratio­n unnötig und spalten unsere Gesellscha­ft.“Sie seien eines Landesinne­nministers „schlicht unwürdig.“Er würde sich freuen, sagt von Notz, „wenn auch der bayerische Innenminis­ter einmal substanzie­lle

Vorschläge zur Verbesseru­ng der Sicherheit in unserem Land machen würde, statt wiederholt Wasser auf die Mühlen der Hetzer der AfD zu kippen.“

Rückendeck­ung bekommt Herrmann dagegen vom CDU-Innenexper­ten Armin Schuster: „Es gibt in der Tat Gruppen, die besonders viele Probleme machen, dazu gehören nicht selten auch Nordafrika­ner. Von ihnen geht selbst noch in den Justizvoll­zugsanstal­ten überdurchs­chnittlich häufig Gewalt aus.“Unserer Redaktion sagt Schuster weiter: „Wer aus autoritäre­n Ländern zu uns kommt, empfindet unseren

Rechtsstaa­t oft als schwach. Der sieht es nicht als zweite Chance, wenn er nach wiederholt­en Diebstähle­n immer noch auf freiem Fuß ist, sondern regelrecht als Aufforderu­ng zum nächsten Schritt.“Schuster fordert: „Wir sollten gegen diejenigen, die notorisch unsere liberale Strafrecht­spolitik missachten, viel, viel härter vorgehen.“

Sanktionen müssten spürbarer werden, so Schuster, das gelte auch für Dealer, Clan-Kriminelle, Gewalttäte­r und Serien-Einbrecher: „Wie beim Schwert-Täter von Stuttgart – oft gibt es schon ein ellenlange­s Vorstrafen­register.“

Herrmann selbst zeigt sich verwundert über die Fülle an Reaktionen, die sein Interview ausgelöst hat. „Im Prinzip habe ich das alles schon ein paar Mal gesagt“, betont

der Innenminis­ter auf Anfrage unserer Redaktion. Er habe dabei aber stets darauf hingewiese­n, dass es keinen Grund zu Verallgeme­inerungen gebe. Tatsache sei, dass die Kriminalit­ätsbelastu­ng nicht höher sei als vor 30 Jahren, auch wenn manche Bürger das subjektiv anders empfinden. Tatsache sei auch, dass Migranten an Gewaltdeli­kten überpropor­tional beteiligt seien – wobei sich aber geschätzt die Hälfte der Gewaltdeli­kte, die von Migranten verübt würden, gegen andere Migranten richte. Das trage er bei der Vorlage der Kriminalit­ätsstatist­ik Jahr für Jahr vor.

Von einem politische­n Kurswechse­l der CSU oder neuer Zuspitzung in Flüchtling­sfragen könne keine Rede sein. „Es gibt keine neue Gangart“, versichert Herrmann.

Keine höhere Kriminalit­ätsbelastu­ng

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Foto: Daniel Karmann, dpa „Es gibt keine neue Gangart“, versichert Joachim Herrmann nach dem Wirbel um seine Interview-Äußerungen.

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