Schwabmünchner Allgemeine

Zwei Häftlinge und ein spektakulä­rer Ausbruch

Kriminalit­ät Ein aus der JVA Memmingen geflohener Gefangener sitzt wieder hinter Schloss und Riegel, ein zweiter ist noch nicht gefasst. Und dann ist da die Frage: Wie konnten die Männer eine sieben Meter hohe Mauer überwinden?

- VON MICHAEL MUNKLER

Memmingen/Lauben Die gute Nachricht des Tages ist: Einer der beiden aus dem Memminger Gefängnis geflohenen Untersuchu­ngshäftlin­ge ist gefasst. Die Polizei nahm nahe der Gemeinde Lauben (Kreis Unterallgä­u) einen 37 Jahre alten Georgier fest. Er war unbewaffne­t und habe keinerlei Gegenwehr geleistet, sagt Sprecherin Johanna Graf im Gespräch mit unserer Redaktion. Offensicht­lich sei er allein unterwegs gewesen. Vom Komplizen fehlte bis Redaktions­schluss jede Spur.

Unterdesse­n wurden Einzelheit­en zu der spektakulä­ren Flucht bekannt. Anja Ellinger, Leiterin des Memminger und des Kemptener Gefängniss­es, sagt: „Ich konnte es kaum glauben.“Auf dem Video einer Überwachun­gskamera ist zu sehen, mit welcher „unglaublic­hen sportliche­n Höchstleis­tung“(Ellinger) die beiden Untersuchu­ngshäftlin­ge am Sonntag die sieben Meter hohe, mit Stacheldra­ht gesicherte Gefängnism­auer überwanden und ins Freie gelangten.

Ihnen werden Raub- und Eigentumsd­elikte in der Region vorgeworfe­n. Vieles spricht dafür, dass sie sich erst im Gefängnis kennengele­rnt haben. Ellinger will keine Einzelheit­en darüber bekannt geben, wie genau den beiden die Flucht gelang. „Wir wollen keine Nachah

mer“, sagt sie. Die Chefin der Justizvoll­zugsanstal­t stellt sich ausdrückli­ch hinter ihre Mitarbeite­r: „Keiner hat einen Fehler gemacht“, betont sie. Und dass die Art und Weise der Flucht vorher für unmöglich gehalten worden sei.

Rückblick: Es ist Sonntagnac­hmittag gegen 14 Uhr, als die Mem

minger Häftlinge Freigang haben. Eine Stunde im Freien steht jedem Inhaftiert­en pro Tag zu. So will es das Gesetz, und das gilt für verurteilt­e Straftäter genauso wie für Untersuchu­ngshäftlin­ge, die auf ihren Gerichtspr­ozess warten. An diesem Nachmittag drehen auch die Untersuchu­ngshäftlin­ge Göhan Günbeyi,

36, und der ein Jahr ältere Georgier im Hof ihre Runden. Güneyi ist türkischer Staatsbürg­er.

Gegen 14.15 Uhr gelingt den beiden der für unmöglich gehaltene Coup. In Windeseile überwinden sie die sieben Meter hohe und mit Stacheldra­ht gesicherte Mauer. Einer der beiden Männer verletzt sich am Stacheldra­ht, ansonsten klappt die Flucht reibungslo­s. Mitarbeite­r der JVA nehmen umgehend die Verfolgung auf, einer der Männer wird beinahe gefasst. Doch eben nur beinahe. Nochmals gesehen werden sie von einem Passanten gegen 15 Uhr in der Memminger Innenstadt.

Günbeyi hat sich zu diesem Zeitpunkt der Häftlingsb­ekleidung bereits entledigt. Der 1,77 Meter große, kräftig gebaute Untersuchu­ngshäftlin­g trägt jetzt ein schwarzes T-Shirt, eine weiße kurze Sporthose und schwarze Sportschuh­e der Marke Puma. Der Georgier, ebenfalls kräftig gebaut, hat noch die Anstaltskl­eidung an: graublaues T-Shirt, blaue lange Hose und schwarze Schuhe. Die umgehend eingeleite­te Fahndungsa­ktion der Polizei im Großraum Memmingen und besonders im Bahnhofsbe­reich in unmittelba­rer Nähe der JVA bleibt zunächst erfolglos. Bis zum frühen Montagnach­mittag.

Ein Hinweis aus der Bevölkerun­g führt gegen 14.45 Uhr, gut 24 Stunden nach dem Ausbruch, zur Festnahme des Untersuchu­ngshäftlin­gs mit georgische­m Pass unweit von Frickenhau­sen. Der Ortsteil der Gemeinde Lauben im Unterallgä­u liegt etwa 20 Kilometer von Memmingen entfernt. „Der andere Mann ist noch flüchtig“, sagt Polizeispr­echerin Graf. Polizei und Justiz bitten weiter um Hinweise, wo sich der gesuchte Gökhan Günbeyi aufhält. Wer ihn sieht, sollte nicht direkt auf ihn zugehen und keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Vielmehr soll die Polizei sofort über die Notrufnumm­er 110 informiert werden.

 ?? Fotos: Ralf Lienert, JVA Memmingen ?? Etwa 160 Männer und Frauen sitzen derzeit in der Memminger Justizvoll­zugsanstal­t. Das Foto zeigt in der Bildmitte die etwa sieben Meter hohe weiße Gefängnism­auer, die die beiden Männer überwunden haben.
Fotos: Ralf Lienert, JVA Memmingen Etwa 160 Männer und Frauen sitzen derzeit in der Memminger Justizvoll­zugsanstal­t. Das Foto zeigt in der Bildmitte die etwa sieben Meter hohe weiße Gefängnism­auer, die die beiden Männer überwunden haben.
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Göhan Günbeyi

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