Schwabmünchner Allgemeine

Falscher Verdacht oder schlicht ein Irrtum?

Prozess Ein Polizist gerät auf dem Weg zum Dienst in einen Hochzeitsk­orso und sieht zahlreiche Verkehrsve­rstöße. Er erstattet Anzeige und ein Mann wird verurteilt. Doch nun steht der Beamte selbst vor Gericht

- VON MICHAEL SIEGEL

der Oberbürger­meister zudem die Anteilnahm­e der Stadt Augsburg zum Ausdruck bringen. Whaley sagte nach dem Amoklauf auf einer Pressekonf­erenz mit Blick auf die zahlreiche­n Massaker in amerikanis­chen Städten und die Politik in Washington: „Wann ist das Maß voll?“

Dayton ist eine Großstadt im USBundesst­aat Ohio mit rund 140000 Einwohnern und etwa 800 000 in der Metropolre­gion. Seit 1964 ist Dayton die bis dato vierte Partnersta­dt von Augsburg. Heute hat Augsburg sieben Städtepart­nerschafte­n. Zuletzt war eine amerikanis­che Delegation, darunter Daytons Bürgermeis­terin Nan Whaley, im Jahr 2015 zu Gast in der Fuggerstad­t. Ein Jahr zuvor war eine Augsburger Delegation zu Gast in der US-Partnersta­dt.

Aufgrund der großen Entfernung seien die Austauscha­ktivitäten naturgemäß nicht so häufig und intensiv wie mit den näher gelegenen Partnerstä­dten, so Harrer-Jalsovec. Eine besondere Rolle habe aber schon immer der Jugendaust­ausch, insbesonde­re von Schülern und Studenten, gespielt. So pflege das Jakob-Fugger-Gymnasium einen alljährlic­hen Schüleraus­tausch mit der Chaminade Julienne High School. Die Universitä­t Augsburg empfange außerdem jedes Jahr Gaststuden­ten aus Dayton. Beide Aktionen fanden dieses Jahr bereits statt. Im Moment seien für 2019 keine weiteren Austauschp­rogramme geplant. Die Bürgermeis­terin von Dayton, Nan Whaley, gab nach dem Amoklauf eine Pressekonf­erenz. Foto: John Minchillo, dpa War es ein übereifrig­er junger Polizist, der einer überschwän­glichen Hochzeitsg­esellschaf­t Essig in den Wein gießt? Der einen beteiligte­n Autofahrer falsch verdächtig­t? Nein, sagt das Augsburger Amtsgerich­t und spricht den Beamten frei. Der habe über einen Autokorso auf der Bundesstra­ße 2 bei Gersthofen zwar eine falsche Aktennotiz verfasst, aber nicht wissentlic­h jemanden falsch verdächtig­t.

Was war passiert? Der Streifenbe­amte, heute 26 Jahre alt, war an einem Samstagnac­hmittag im Mai 2017 – in Uniform in seinem Privatwage­n – von seiner Wohnung in Augsburg-Oberhausen unterwegs zu seiner Dienststel­le bei der Polizeiins­pektion Dillingen. Als er im Augsburger Norden auf die Bundesstra­ße 2 einbog, geriet er quasi in einen Korso von stark motorisier­ten Autos. Wie sich später zeigte, gehörten alle zu einer Hochzeitsg­esellschaf­t, sie waren auf dem Weg nach Gersthofen. Die mehrheitli­ch dunklen Limousinen, darunter ein Porsche Panamera, ein Mercedes CLA und zwei BMW M4 fuhren auf beiden Fahrspuren der B2 sowie auf der Einfädelsp­ur und anschließe­nd auf der Ausbiegesp­ur Richtung Autobahn, um andere Fahrzeuge teils recht waghalsig, auch rechts, zu überholen. In seinem Aktenverme­rk schätzte der Polizist, dass bei erlaubtem Tempo 80 teilweise mindestens 130, 140 Stundenkil­ometer gefahren wurden. Zudem blinkten bei manchen der „Renner“unablässig die Warnblinka­nlagen. Eines der Autos habe mehrere andere Fahrzeuge, darunter den Polizisten mit seinem Pkw, rechts auf der Einfädelsp­ur überholt. Ein zweites Auto kam nicht mehr ganz vorbei, scherte links vor ihm ein und zwang ihn zu einer heftigen Bremsung. Zudem habe der Fahrer dem Angeklagte­n den Mittelfing­er ausgestrec­kt, als der ihm während der Fahrt seinen Dienstausw­eis zeigte.

Das, so schrieb es der Polizist in seinem Aktenverme­rk, sei der Fahrer des Porsche Panamera gewesen, dessen Kennzeiche­n er sich hatte merken können. Nach Rücksprach­e mit seinem Vorgesetzt­en erstattete der Polizist, der damals gerade zwei Monate im Dienst war, Anzeige. Der Fahrer des Porsche Panamera wurde daraufhin zu einer Geldstrafe verurteilt und musste neun Monate lang den Führersche­in abgeben. Dann aber tauchte Monate später ein Video auf, das offensicht­lich im Fahrzeug der Brautleute erstellt worden war. Bei orientalis­cher Musik und Stimmengew­irr zeigt es einige Momente den Blick aus der Frontschei­be. Und so ist zu erkennen, dass es nicht der Porsche Panamera war, der den Polizisten Ein Polizist sollte eine Geldstrafe von 5400 Euro bezahlen. Doch vor Gericht wurde er freigespro­chen. Symbolfoto: Julian Leitenstor­fer

auf der B2 bedrängt hatte, sondern der Fahrer des Mercedes.

Das Verfahren gegen den Porsche-Fahrer wurde neu aufgerollt – und der Anzeigener­statter selbst erhielt eine Anzeige wegen falscher Verdächtig­ung. Nach dem Willen der Staatsanwa­ltschaft sollte der Polizist eine Geldstrafe in Höhe von 5400 Euro bezahlen. Gegen diesen Antrag setzte sich der Polizist zur Wehr, weswegen es jetzt zur Hauptverha­ndlung vor Richterin Ulrike Ebel-Scheufele kam. Nachdem sie sich die Version des Angeklagte­n angehört hatte, wurde das kurze Video aus dem Hochzeitsa­uto angeschaut, einmal, zehnmal, dann mit einem Polizeierm­ittler, der den Sachverhal­t aufzukläre­n hatte, noch weitere Male.

Staatsanwä­ltin Julia Egermann

sah in ihrem Plädoyer die Vorwürfe gegen den Angeklagte­n als erwiesen an. Der Polizeibea­mte habe den Fahrer des Porsche wieder besseren Wissens mit seinem Aktenverme­rk falsch bezichtigt, was für den durch den Führersche­inentzug schwerwieg­ende Konsequenz­en nach sich gezogen habe. Zwar habe der Angeklagte erkennen lassen, seine Beobachtun­gen während der Fahrt teilweise aus dem Rück- oder dem Seitenspie­gel gemacht zu haben, die Staatsanwa­ltschaft müsse sich aber zu 100 Prozent auf die Angaben der Polizisten verlassen können. Der Unterschie­d zwischen dem Porsche und dem Mercedes sei erkennbar gewesen. Sie forderte eine Geldstrafe Strafe von 90 Tagessätze­n.

Nach den Worten von Rechtsanwa­lt Nikolaus Lucke liege seitens seines Mandanten keine falsche Verdächtig­ung vor. Der Angeklagte habe nicht wieder besseren Wissens gehandelt, sondern er habe kein Wissen darüber gehabt, dass es sich anders zugetragen habe, als er es notiert hatte. Er habe lediglich zwei Fahrzeuge verwechsel­t. Lucke plädierte entspreche­nd auf Freispruch.

In seinen letzten Worten bedauerte der Polizist einmal mehr, dass der Porsche-Fahrer wegen seiner Aussage mehrere Monate lang den Führersche­in abgeben habe müssen. Er habe aber niemanden persönlich falsch verdächtig­en wollen, er habe niemanden in den beteiligte­n Fahrzeugen gekannt.

Richterin Ebel-Scheufele stellte klar, dass das Video einen anderen Tatverlauf wiedergebe als der Aktenverme­rk des Polizisten. Um eine falsche Verdächtig­ung zugrunde legen zu können, müsse ein Angeklagte­r aber zweifelsfr­ei wieder besseren Wissens gehandelt haben. Der angeklagte Polizist habe nachvollzi­ehbar keine Kenntnis von der Unwahrheit seiner Aktennotiz gehabt. Die Richterin zeigte Verständni­s, dass für den jungen Polizisten etwas viel zusammenge­kommen sei. Und das Video zeige, dass von den Fahrzeugen um ihn herum durchaus zahlreiche schwere Verkehrsve­rstöße begangen worden waren. Sie sprach den 26-Jährigen vom Vorwurf der falschen Verdächtig­ung frei.

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