Vom grünen Tisch auf die lange Bank schieben
Literatur im Biergarten Gerald Huber unternimmt mit Maria Reiter einen Streifzug durch Bayerns Rechtsgeschichte
Kann man 15 Jahrhunderte bayerische Rechtsgeschichte in knapp zwei Stunden erzählen? Gerald Huber kann das. „Ois was recht is“hieß sein Programm, das er mit Maria Reiter am Akkordeon in der Reihe „Literatur im Biergarten“in den Garten „Drei Königinnen“mitgebracht hatte. Huber, Sprachwissenschaftler und Moderator beim Bayerischen Rundfunk, auch ein wunderbarer Couplet-Sänger, ist zusammen mit Reiter regelmäßiger Gast der Reihe – so beliebt, dass der Abend im Nu ausverkauft war.
„Wachtmeister, führen Sie das erste Gebot herein!“, ordnete Huber als Richter an, und nach dem „Jawoll“von Reiter als Wachtmeister trat das erste Gebot vor das Hohe Gericht, um sich zu erklären. Alle zehn Gebote – die verschiedensten bayerischen Rechtsordnungen – sollten am Abend gehört werden. Als Erstes ging es um den Limes, jenen Grenzwall um das künftige Bayern, dem Land mit seinen fruchtbaren Böden, auf das alle „spechteten“. Mit den Römern kam die „Pax Romana“, der Rechtsfrieden mit seinen Gesetzen und Verträgen, der innerhalb seiner Grenzen („umfriedetes“Gebiet) für Recht und Ordnung sorgen sollte. Herrlich dazu Gerald Hubers Couplet „Die Römer ham den Limes baut, dass koana unsern Wohlstand klaut“.
Was traten nicht alles noch für Gebote vor den Hohen Richter: Da war die „Lex Baiuvariorum“, die älteste Rechtssammlung Europas. Mit einem schalkhaften Couplet über ein „Mägdelein“, das sich nach der Hochzeit als gar nicht so liebreizend herausstellt, erinnerte Huber an das „Ohrenzupfen“, mittels dessen Zeugen etwa bei der Brautschau daran erinnert werden sollten, dass sie das Gesehene nur ja nicht vergessen. Über die „Ottonische Handfeste“, die den Adeligen und Geistlichen die niedere Gerichtsbarkeit verlieh, ging es weiter zu den anwachsenden Städten mit ihren Stadtrechten und einem, vor allem in Augsburg, selbstbewussten Bürgertum, das nur dem Kaiser untertan war.
Immer wieder streute Huber etymologische Erklärungen ein, etwa von den „Spießbürgern“, dem bürgerlichen Fußvolk, das in der Schlacht bei Mühldorf 1322 zwischen Ludwig IV. von Bayern und dem Habsburger Friedrich den Schönen den Feinden mit langen Spießen „die Pferde unter dem Hintern weggestochen haben“. Von den Immerwährenden Reichstagen, die nach dem Westfälischen Frieden 1648 im Rathaus von Regensburg an „mit grünem Filz überzogenen Tischen“abgehalten wurden, wo mancher Streit ausgetragen wurde, stammt der noch heute bekannte „grüne Tisch“– und auch „die lange Bank“, auf die die Schriftstücke geschoben wurden.
Schließlich im 19. Jahrhundert angekommen, war König Ludwig des I. Liebeslied an seine Geliebte Lola Montez zu hören, von Huber und Reiter vertont. So schön, zum Tränenlachen schräg, mit Motiven aus der Carmen. Den Schlusspunkt setzte die bayerische Verfassung von 1946, das Biergartenvolk sang eine Strophe der Bayernhymne, bevor sich die Schleusen des Himmels mit einem Regenguss öffneten und die Sitzung beendeten.