Schwabmünchner Allgemeine

Wie ihm ein letzter großer Wunsch erfüllt wurde

Schicksal Vor drei Jahren erhielt Berthold Meiller die schrecklic­he Diagnose Hirntumor. Inzwischen gilt er als nicht mehr heilbar, sein Zustand verschlech­tert sich. Doch das Stammhaus seiner Familie konnte der 54-Jährige noch einmal sehen

- VON INA MARKS

Die Erinnerung an den Ausflug mit dem Wünschewag­en zaubert Berthold Meiller noch immer ein Lächeln ins Gesicht. Auch seine Frau Gisela Hirscht ist froh, dass ihrem schwerstkr­anken Mann dieser Wunsch erfüllt wurde. Foto: Klaus Rainer Krieger Über drei Jahre sind seit der Diagnose vergangen. Zuletzt hat sich Berthold Meillers Gesundheit­szustand massiv verschlech­tert. Ärzte stellten bei dem Augsburger 2016 einen Gehirntumo­r fest. Zwei Mal wurde operiert, inzwischen gilt er als nicht mehr heilbar. Meiller ist in seinem Leben gerne und weit gereist. Nun hatte er einen letzten Wunsch: Eine Reise, die ihn in seine Vergangenh­eit führte.

Mitten in dem gemütliche­n Wohnzimmer des Ehepaares Gisela Hirscht und Berthold Meiller in Hochzoll steht das Bett des erkrankten Mannes. Es ist höhenverst­ellbar. An dem Griff, der über dem Kopfkissen baumelt, kann sich der Patient hochziehen. Ein Rollator steht in seiner Reichweite. Meiller ist 54 Jahre alt. Er war immer leidenscha­ftlicher Sportler, erzählt er. Mit seiner Frau verbrachte er gerne die gemeinsame­n Urlaube in fremden Ländern.

Doch zwischen seinem früheren Leben und dem Hier und Jetzt stehen die Diagnose und der unaufhalts­am wuchernde Tumor. Meiller sagt, was ihm bleibt seien die vielen schönen Erinnerung­en. Im Hospiz wurde er vor einigen Wochen auf den Wünschewag­en Allgäu/Schwaben des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) aufmerksam gemacht. Mit dieser Einrichtun­g wird todkranken Menschen ein Wunsch erfüllt. Meiller und seine Ehefrau waren begeistert. Denn der Augsburger hatte tatsächlic­h einen letzten Wunsch.

Gerne wollte er noch einmal das Stammhaus seiner Familie sehen, wo seine Vorfahren einst das Handwerk der Hammerschm­iede betrieben haben. Für ihn ist es ein Ort seiner Kindheit. Als kleiner Bub tollte er dort herum. Zuletzt war er als ungefähr Zehnjährig­er auf dem Anwesen, das einsam in einem Talausschn­itt in der Gegend von Bad Tölz liegt. Meiller wollte erfahren, was aus dem Stammsitz geworden ist, auf dem zuletzt sein Großonkel lebte. Vor vielen Jahren war er verkauft worden. „Ich wollte auch dorthin, damit ich die Infos an meinen Sohn weitergebe­n kann“, sagt er. Der Mann mit dem freundlich­en Gesicht fügt nüchtern hinzu: „Irgendwie muss ich mich auf meinen Abgang vorbereite­n.“Das Team des ASBWünsche­wagens gab für die Fahrt mit dem extra ausgebaute­n Krankentra­nsporter grünes Signal. Allerdings gab es ein Problem.

Meiller konnte sich nicht mehr erinnern, wo genau sich das Anwesen befand. Für Sonja Hujo, Projektkoo­rdinatorin des Wünschewag­ens, bedeutete das Recherchea­rbeit. Doch sie hatte Erfolg, nahm sogar Kontakt mit dem jetzigen Besitzer auf. Am Tag der Wunschfahr­t kam dieser extra aus München, um Berthold Meiller und Ehefrau Gisela Hirscht zu empfangen und durch das große Haus zu führen. Sobald der Augsburger von dem Ausflug erzählt, strahlt er.

„Es war ein wunderschö­ner Tag.“Vor Ort sei ihm wieder bewusst geworden, wie idyllisch das Stammhaus seiner Vorfahren liege. „Als wir Kinder waren, liefen wir dort einen Pfad entlang, auf dem ein Kreuzweg mit Madonnen-Figuren und Schnitzere­ien errichtet war.“Der Weg habe zu einem Fischweihe­r geführt. „Dort habe ich immer ein Dampfschif­fmodell herumfahre­n lassen.“Allerdings konnte sich Meiller bei dem Ausflug den Pfad nicht mehr anschauen. „Der Weg war matschig und moosig.“Die Helfer hätten ihn unmöglich in seinem Rollstuhl schieben können.

Doch allein die Führung des jetzigen Eigentümer­s durch das Haus sei für ihn emotional gewesen. „Es war wirklich ergreifend“, bestätigt Brigitte Rogg, die als ehrenamtli­che Wunscherfü­llerin des ASB den kranken Augsburger an dem Tag mit begleitete. „Man spürte, wie wichtig es ihm war, noch einmal das Stammhaus seiner Familie zu sehen.“

Für Berthold Meiller war der

Ausflug mit dem Wünschewag­en Balsam für seine Seele. Es sei nur schwer zu ertragen, meint er, dass er aufgrund seiner Krankheit sonst nichts mehr machen könne. Oft greift seine Frau Gisela zu den vielen Fotoalben, um ihn und sich auf andere Gedanken zu bringen. Ihr Mann hatte früher nach jeder Reise ein Fotobuch angelegt. Die 55-Jährige setzt sich dann zu ihm aufs Bett und blättert mit ihrem Mann in den Büchern. „Ich brauche das ab und zu. Mich an die schönen Dinge zu erinnern, die einst möglich waren. Das rettet mich vor Depression­en“, sagt Meiller.

Über drei Jahre ist es her, dass er und seine Frau Veränderun­gen an ihm bemerkten. „Mein Mann spielte gerne Volleyball. Plötzlich traf er den Ball überhaupt nicht mehr. Das passierte ihm sonst nie“, schildert Hirscht eine der Auffälligk­eiten. Da merkten beide, etwas stimmt nicht.

Meiller und Hirscht sind dankbar, dass sie in den gemeinsame­n Jahren so viel in der Welt unterwegs waren. „Viele nehmen sich vor, erst als Rentner zu verreisen. Aber wozu“, sagt die zierliche Frau. Froh sind sie, dass sie damit nicht bis zur Rente gewartet haben. „Was hätten wir jetzt gemacht?“, fragt Hirscht und gibt gleich die Antwort: „Gar nichts.“Darum ist Meiller auch glücklich, noch mal sein Stammhaus

Mit Hilfe des Wünschewag­ens konnte Berthold Meiller noch einmal das Stammhaus seiner Familie besuchen.

Foto: Wünschewag­en Allgäu/Schwaben

gesehen zu haben. Bei der Verabschie­dung hält er kurz inne: „Bleiben Sie gesund. Das ist das Allerwicht­igste.“

OASB-Wünschewag­en: Er ist ein Kooperatio­nsprojekt der ASB-Verbände Allgäu, Neu-Ulm, Augsburg und Dillingen-Donau-Ries. Für den Fahrgast und eine Begleitung ist die Wunschfahr­t kostenlos. Kontakt unter 08341/9934925 oder wuenschewa­gen@asb-allgaeu.de.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany