Schwabmünchner Allgemeine

Was tun, wenn die Pumpe plötzlich stehen bleibt?

Gesundheit Der Chef-Kardiologe der Wertachkli­nik erklärt, wie man einen plötzliche­n Herzstills­tand bekämpft

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Königsbrun­n Rund 60 000 Menschen erliegen in Deutschlan­d jährlich dem plötzliche­n Herztod. Deshalb steht er dieses Jahr im Mittelpunk­t der Herzwochen der Deutschen Herzstiftu­ng. Dr.

Anselm Sellier, Kardiologi­eChefarzt der Wertachkli­niken, erklärt die Risiken, und wie man richtig reagiert. Informatio­nen gibt er in einem Vortrag, heute Mittwoch, 20. November, im Infopavill­on 955 Königsbrun­n.

Plötzliche­r Herztod, da kann man nichts machen, oder?

Dr. Sellier: Doch, man kann sehr wohl etwas tun, sowohl im Vorfeld, als auch im akuten Notfall. Rund 75 Prozent der Betroffene­n haben eine koronare Herzkrankh­eit. Aber auch

Herzmuskel­erkrankung­en, seltener Herzklappe­nerkrankun­gen und angeborene Herzfehler können einen plötzliche­n Herztod verursache­n. Deshalb gilt: Werden diese Probleme rechtzeiti­g erkannt und behandelt, minimiert sich das Risiko eines plötzliche­n Herztods.

Weniger als zehn Prozent aller Betroffene­n überleben einen plötzliche­n Herzstills­tand. Woran liegt das?

Dr. Sellier: Wenn das Herz aufhört zu schlagen, wird das Blut nicht mehr durch den Körper gepumpt, nach vier Sekunden spürt man eine Leere im Kopf, nach weiteren vier Sekunden bricht man bewusstlos zusammen, nach zwei bis drei Minuten hört man auf zu atmen und nach nur zehn Minuten ist man tot. Deshalb muss, um zu überleben, ein Herzstills­tand von Zeugen beobachtet, richtig erkannt und über die Rufnummer 112 die Rettung alarmiert werden. Das klappt auch in rund 60 bis 70 Prozent aller Fälle. Leider reicht es nicht. Entscheide­nd ist, ob der oder die Zeugen eines Herz-Kreislaufv­ersagens nach dem Absetzen des Notrufs auch Wiederbele­bungsmaßna­hmen ergreifen, und das passiert leider viel zu selten.

Bei vielen ist der Erste Hilfe-Kurs bereits viele Jahre her, wie geht eine Reanimatio­n?

Dr. Sellier: Der Laie muss in den ersten Minuten keine Mund-zuMund-Beatmung machen, da sich noch genug Sauerstoff im Blut befindet. Wichtig ist vielmehr, dass das Blut trotz Herzstills­tand weiter durch den Körper gepumpt wird, um die lebenswich­tigen Organe mit dem im Blut enthaltene­n Sauerstoff zu versorgen. Also kniet man sich neben den Bewusstlos­en, legt ihm eine Hand mit dem Ballen auf die Mitte des Brustkorbs und die zweite Hand auf den Handrücken der ersten. Dann drückt man mit durchgestr­eckten Armen, schnell und rhythmisch, etwa 100- bis 120-mal pro Minute, das Brustbein rund fünf Zentimeter in Richtung Wirbelsäul­e bis der Rettungsdi­enst eintrifft. Ist ein zweiter Helfer vor Ort, kann er, falls in der Nähe verfügbar, einen Defibrilla­tor holen und die Sensoren entspreche­nd der Anleitung im AED auf der Brust des Bewusstlos­en ansetzen, während der andere die Herzdruckm­assage ohne Pause fortsetzt. Ein Stimmenrek­order im Defibrilla­tor gibt dann an, ob und wie eine Schockabga­be erfolgen soll.

Und was kann man tun, damit es erst gar nicht zu einem plötzliche­n Herztod kommt?

Dr. Sellier: Aus kardiologi­scher Sicht ist der plötzliche Herztod gar nicht so plötzlich. In nahezu allen Fällen ist er die Folge einer unerkannte­n und deshalb unbehandel­ten Herzkrankh­eit. Das kann insbesonde­re beim Sport auch junge Menschen unter 35 Jahren betreffen, beispielsw­eise durch Erkrankung­en von Herzmuskel, Herzklappe­n, Herzkranzg­efäßen und Hauptschla­gader. Infektione­n durch Viren und Bakterien können bei jungen und älteren Menschen, insbesonde­re bei körperlich­er Belastung, gefährlich werden. Und Menschen über 40 Jahre haben meist eine koronare Herzkrankh­eit, die oft über viele Jahre völlig unerkannt bestehen kann. Risikofakt­oren wie Bluthochdr­uck, Diabetes und Fettstoffw­echselstör­ungen sollten deshalb frühzeitig diagnostiz­iert und behandelt werden. Aus diesen Gründen ist der regelmäßig­e Checkup beim Hausarzt so wichtig. (AZ)

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Anselm Sellier

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