Ein Schock zu viel
Viele Betriebe stehen vor dem Aus
Über 20 Jahre hinweg schien Polen immun zu sein gegen alle Konjunkturkrisen. Nach der EU-Erweiterung 2004 stieg das Neumitglied zum Wirtschaftswunderland des Ostens auf. Selbst die Weltfinanzkrise 2008/09 überstand Polen als einziger EU-Staat mit einem Wachstum. Die Corona-Pandemie aber zwingt nun auch den Champion in die Knie. So erwarten die Analysten der Warschauer mBank einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,5 im ersten und fünf Prozent im zweiten Quartal 2020. „Corona ist ein Schock zu viel für die polnische Wirtschaft“, urteilen die Banker. Das zeigte sich auch an den Börsen. Der Leitindex WiG-20 verlor zwischen Mitte Februar und Mitte März 40 Prozent seines Werts. Und auch die Landeswährung ging auf Talfahrt und lag auf dem tiefsten Stand seit der Weltfinanzkrise. Damals war die Abwertung durchaus hilfreich, weil sich Exporte verbilligten. In der CoronaKrise liegen die Dinge allerdings anders. Ähnlich wie Deutschland lebt Polen stark von kleinen und mittleren Betrieben sowie Soloselbstständigen, also von der Realwirtschaft und der Binnennachfrage. Die aber bricht aktuell dramatisch ein. Viele Handwerksbetriebe, Speditionen und Baufirmen, Gastronomen und Ladenbesitzer stehen vor dem Aus. 1,3 Millionen Arbeitslose zusätzlich erwarten Experten. Ob das beschlossene, rund 50 Milliarden Euro schwere Hilfspaket der Regierung reichen wird, ist zweifelhaft. Die guten Nachrichten für Polen lauten: Die Staatskasse ist gut gefüllt, und die Arbeitslosigkeit lag zuletzt mit 3,2 Prozent auf einem Rekordtief.
Ulrich Krökel