Eric Clapton wird 75. Eine Würdigung zum Geburtstag
Eric, genannt „Slowhand“, gehört sicher zu den größten aller Gitarristen. Sein jetzt 75-jähriges Leben zeigt ihn aber so gar nicht erhaben, sondern allzumenschlich
Als einziger Künstler ist er dreifach in der Hall of Fame, als Mitglied der Yardbirds, mit Cream und für seine Solokarriere. Er gewann 17 Grammys und war gerade mal 21, als Fans an Hauswände sprayten: „Clapton is God“. Dass dem Briten nun, da er am 30. März 75 Jahre alt wird und zugleich zum 50. Jubiläum seiner ersten Soloplatte, auf großer Tournee auch in Deutschland als größten lebenden Blues- und Rockgitarristen (in der ewigen Liste des Rolling
Stone nur hinter Jimi Hendrix) gehuldigt wird, das hat Corona verhindert. Alles auf 2021 verschoben. Aber sonst: Ist das nicht ein eindeutiges Bild von Erhabenheit?
Dazu passt jener Auftritt, als Eric Clapton 1992 zum Konzert in der Reihe „MTV unplugged“antrat, seriös wie ein Gentleman und dabei auch die jungen Generationen mit Liedern wie „Tears in Heaven“ansprechend, in dem er den tragischen Unfalltod seines kleinen Sohnes im Jahr zuvor verarbeitete. Oder mit dem sehnsüchtigen Liebeslied „Layla“. Aber bereits unter diesem hier so harmlosen Song klaffen Abgründe dieses an solchen ziemlich reichen, allzumenschlichen Lebens.
Im viel raueren, dunkel verzweifelten Original nämlich war es für die Frau eines Freundes geschrieben, des Beatles George Harrison. Dessen Pattie sah Clapton, erst heroinabhängig, dann Alkoholiker, als seine Rettung an. Um sie dann, nachdem er sie wirklich für sich gewonnen hatte, letztlich zu betrügen, zu ignorieren, zu erniedrigen – wie praktisch alle Frauen vor seiner heutigen Altersehe mit einer sehr viel jüngeren Partnerin.
Ambivalenz ist Claptons Leben praktisch von Beginn an eingeschrieben. Von der Mutter verstoßen und bei den Großeltern zurückgelassen, weil sie nach der unehelichen Geburt in der britischen Provinz damals geächtet war, fand ein überschüchterner Junge erst mit der Entdeckung der Gitarre zu ein bisschen Selbstbewusstsein – und zu seinem großen Helden.
Eric Clapton war 16, im stockkonservativen Land bahnte sich die Blues-Revolte der Jugend an, als ein seit über 20 Jahren toter Künstler wiederentdeckt wurde: Robert Johnson. Dessen Musik war wie ein Schock: „In seiner Musik kommt eine Angst zum Ausdruck, die ich in meinem eigenen Leben erfahren habe“, sagte Clapton. „Ich identifiziere mich mit Robert Johnson, und ich sehe mich ebenfalls oft an einer Kreuzung stehen.“
Die Anspielung gilt dessen „Cross Road Blues“, den Clapton zu seinem „Signature Song“machte, er spielt ihn bei jedem Konzert bis heute, obwohl er wegen eines chronischen Nervenleidens nur noch unter ständigen Schmerzen Gitarre spielen kann. Und es trotzdem noch tut, die letzte Platte hieß „I Still Do“2016. Überhaupt der schwarze US-Blues: Ein Treffen mit Muddy Waters habe, so Clapton, sich angefühlt, „als wäre er mein Vater und ich sein adoptierter Sohn“.
Und doch gab es jenen 5. August 1976. Als Eric Clapton im Odeon Theatre in Birmingham immer wieder das Konzert unterbrach für rassistische Ausfälle: „Ihr müsst verhindern, dass Großbritannien eine schwarze Kolonie wird. Schmeißt die Ausländer raus! Schmeißt die Kanaken raus! Schmeißt die Neger raus! Großbritannien muss weiß bleiben!“Auf Drängen entschuldigte er sich danach ein bisschen und erklärte sich ein bisschen damit, dass er besoffen gewesen sei und sauer, weil ein Araber zuvor seiner Frau an den Po gefasst habe.
Aber Hass ausgerechnet auch auf die Schwarzen, die er künstlerisch so verehrte? Für Clapton war der Blues eine musikalische Ausdrucksform, die er für sich entdeckte, ohne sich für das Politische, das ursprünglich in ihm lag, für das wirkliche Leben ihrer Urheber zu interessieren, sagen Kritiker. Und nennen das die kulturelle „Shopping-Mentalität“weißer Männer, die sich nach ihren Erfolgen wie Aristokraten auf prächtige Landgüter zurückzogen.
Dabei hatten sie sich im Widerspruch gegen ihre eigene Gesellschaft, im Freiheitsgeist der Hobos getroffen, damals in London, rund um um das Kingston Art College und in den Klubs: Clapton und Keith Richards, Mick Jagger und Jeff Beck, Jimmy Page, Rod Stewart und John Mayall – die Brutstätte auch für Bands wie die Yardbirds, zu denen ClapDiese ton stieß, und Cream, die er mit Jack Bruce und Ginger Baker formte.
Es war die Zeit, in der Clapton zu „God“wurde. Aber auch zu „Slowhand“, ein Künstlername, den ihm ursprünglich die Tatsache eingebracht hatte, dass ihm bei Improvisationen immer wieder die Saiten rissen und die Kollegen auf deren Wechsel warten mussten. Der ihm aber auch deshalb blieb, weil dieser Clapton zwar um sein Leben spielen konnte, aber nie als Schnellspieler, sondern das Gewicht der einzelnen Note wirken ließ und dabei stets auf der Suche nach dem neuen Klang blieb, auch im Wechsel zwischen Fender- und Gibson-Gitarren. So wurden Songs wie „After Midnight“von jenem ersten Soloalbum 1970 schon früh zu Klassikern.
Doch „Mr. Slowhand“wurde auch als „Mr. Secondhand“geschmäht – weil ihm Hits nicht selten eigene Versionen der Songs anderer einbrachten, der größte wohl von Bob Marleys „I Shot The Sheriff“. Ein Missverständnis aus der Perspektive des Pop über den Blues. Denn wie im Jazz kann hier alles zur Basis neuen Schaffens werden.
Aber mit Pop hatte Clapton ja immer seine Probleme. Verließ die Yardbirds, weil ihm der Blues fehlte, bezeichnete das Hitträchtige an Cream später als „Schande“. Und trotzdem ist er zum Popstar geworden. Und dabei hatte er mit 27, ausgerechnet im Legendenalter, in dem als erster sein Held Robert Johnson aus der Welt schied, schon versucht, sich das Leben zu nehmen, mit Schlaftabletten. Ist aber einfach wieder aufgewacht. Happy Birthday, Eric Clapton.
» Peter Kemper: Eric Clapton – Ein Leben für den Blues. Reclam. 272 S., 24 ¤