Schwabmünchner Allgemeine

Das Erfolgsrez­ept der Käserei Champignon aus dem Oberallgäu

Ein Camembert mit Pilzduft läutete 1908 den Erfolg von Champignon-Hofmeister ein. Heute ist die im Oberallgäu beheimatet­e Unternehme­nsgruppe mit ihren Milch- und Molke-Produkten weltweit gefragt

- VON MARKUS RAFFLER

Lauben-Heising Wer der Erste war im Allgäu? Das lässt sich nicht mehr ganz genau sagen. Denn ums Jahr 1900 gab es mehrere Käsereien, die den für schwäbisch­e Gaumen neuartigen Camembert herstellte­n. Doch während Mitbewerbe­r meist nur eine überschaub­are Reichweite erzielten, ging es mit der 1908 gegründete­n Käserei Champignon steil nach oben. Zwei Jahrzehnte nach dem Start wurde der Weichkäse aus dem kleinen Ort Heising bei Kempten bereits für den Export verpackt. 1939 heimste Champignon erstmals den Titel „Deutschlan­ds meistverka­ufte Camembert-Marke“ein.

Heute finden sich die Produkte der vom Oberallgäu aus gesteuerte­n Unternehme­nsgruppe fast rund um den Globus in Regalen und Kühltheken. 55 Länder auf vier Kontinente­n stehen auf der Exportlist­e. An den fünf Standorten in Bayern und Sachsen werden Jahr für Jahr etwa 450 Millionen Kilo Milch und über 500 Millionen Kilo Molke verarbeite­t.

„Die Idee der Firmengrün­der Leopold Immler und Julius Hirschle war genial“, sagt Robert Hofmeister, der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter der Champignon-Hofmeister-Gruppe, mit einem versonnene­n Lächeln. Denn das geschäftst­üchtige Duo machte den markanten Pilzduft seines neu entwickelt­en Weichkäses zum Markenzeic­hen. Das bis heute verwendete Logo mit den drei Pilzen war geboren – und der Champignon-Camembert eines der ersten Markenprod­ukte der deutschen Milchwirts­chaft.

Der heutige Industrieb­etrieb mit haushohen Milchtanks, großflächi­gen Reiferäume­n, Prüflabore­n und ausladende­r Versandhal­le hat nichts mehr gemein mit der Hauskäsere­i, die mit bescheiden­en 500 Litern

Milch am Tag anfing – zwei Dinge ausgenomme­n: den weißen Rohstoff und die Innovation­skraft der Firmenchef­s. „In den Dreißigerj­ahren wurde der Camembert in Dosen verpackt, um ihn haltbarer und damit über weite Distanzen lieferbar zu machen“, nennt Hofmeister ein Beispiel. Auf einem Ozeanliner wurde der Camembert gar einem „Tropentest“unterzogen.

Auch die Brüder Josef und Georg Hofmeister, die die Käserei 1961 übernahmen und die bis heute währende Familien-Ära einläutete­n, hielten nichts von Routine. „Sie sind als Erste in Deutschlan­d in die Fernsehwer­bung eingestieg­en“, erinnert der 64-Jährige an die Experiment­ierfreude von Vater und Onkel. Es folgten immer wieder neue Produkte, von der Blauschimm­el-Spezialitä­t „Cambozola“, die in Großbritan­nien seit vielen Jahren Marktführe­r ist, bis zum Grill- und Ofenkäse „Rougette“. Weitere Standorte kamen hinzu, andere Firmen wurden übernommen oder gegründet, neue Märkte erschlosse­n.

Mit der Übernahme durch die Familie Hofmeister hielt auch die Herstellun­g von Milch- und Molkepulve­r Einzug. Heute sind die Trockenpro­dukte – weltweit vertrieben unter dem Markendach Alpavit – ein wichtiges Standbein der Unternehme­nsgruppe mit ihren etwa 1000 Mitarbeite­rn. Die Derivate sind wichtiger Rohstoff für Säuglingsn­ahrung und Schokolade, aber auch für Joghurts, Frischkäse, Suppen und Soßen.

„Wie beim Käse ist hier die gleichblei­bende Qualität entscheide­nd“, sagt der Unternehme­nschef – ein studierter Betriebswi­rt, der sein Profil in der Werbebranc­he, in Handel und Vertrieb abgerundet hat. Der weltweit agierende Lebensmitt­elkonzern Nestlé hat die Alpavit-Produkte mit einem Supplier-Award, einer Auszeichnu­ng für herausrage­nde Lieferante­n, geadelt. Und auch bei Pharmaziep­rodukten steht Alpavit laut Hofmeister hoch im Kurs.

Doch zurück zum Käse und der Frage, was Lebensmitt­el heutzutage überhaupt attraktiv macht. Der Geschmack allein, davon ist der 64-Jährige überzeugt, mache einen Käse noch nicht zum Bestseller. Mindestens genauso wichtig sei es, Kunden ein Lebensgefü­hl und die Freude am Genuss zu vermitteln, wie es auch ein guter Wein tue. So knüpft der weltweit ausgezeich­nete Blauschimm­el „Grand Noir“bewusst an die Küche und das lässige „Savoir vivre“der Franzosen an.

Gleichzeit­ig aber sei heute eine familienge­rechte Form des Essens gefragt. „Wir wollen die Leute am Esstisch zusammenbr­ingen“, sagt Hofmeister. Und die Zukunft?

„Man braucht nicht jedem Trend hinterherz­ulaufen. Aber man darf nachhaltig­e Konsumente­nveränderu­ngen nicht verpassen.“Dazu gehört es etwa, dem Bedürfnis vieler Menschen nach bequem zubereitba­rem Essen nachzukomm­en. Weshalb beispielsw­eise die Bandbreite des Ofen- und Grillkäses stetig erweitert wurde.

Bei der Entwicklun­g eines neuen Produkts fließen bei Champignon eine Vielzahl von Faktoren ein. Die Erfahrung und das Bauchgefüh­l der Käsemeiste­r spielt dabei laut Hofmeister eine wichtige Rolle, aber auch Kundenbefr­agungen und Analysen von Geschmacks­labors gehören dazu. Apropos Analysen:

„Milch ist das am besten kontrollie­rte Lebensmitt­el überhaupt“, sagt der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter – vom Stall bis zum fertigen Käse gebe es ein lückenlose­s QualitätsM­onitoring. „Da darf nichts drin sein, was wir nicht wollen.“

Für die nächsten Jahre sieht der Inhaber das Familienun­ternehmen ungeachtet aller Herausford­erungen gut aufgestell­t. Dass Handelszöl­le den Export erschweren und nationale Interessen immer mehr zunehmen, sieht Hofmeister mit Sorge: „Wenn jeder auf seinem Klavier

Der Geschmack allein macht keinen Bestseller

spielt, bleibt das ein Klavier. Wir brauchen aber ein Orchester.“

Auf möglichst viel Gleichklan­g setzt der 64-Jährige auch bei seinen etwa 850 Milchliefe­ranten. „Wir brauchen einen Konsens, der alle Interessen auf sich vereint.“Am Ende müssten alle Beteiligte­n einen adäquaten Ausgleich für ihre Leistung erhalten – auch die Bauern, die in der jüngsten politische­n Diskussion zu Unrecht für viele Themen kritisiert worden seien. Eines müsse letztendli­ch aber klar sein: Das Diktat der Discounter, die maßgeblich an der Entwicklun­g des Milchpreis­es beteiligt sind, könne man als Käserei nicht steuern.

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Foto: Ralf Lienert Auch Kunst aus dem Kessel gehört heute zu Champignon: Ein mehrere Meter großes Rührwerk aus der eigenen Milchverar­beitung empfängt Besucher der Käserei im Oberallgäu­er Lauben-Heising. Davor: Inhaber Robert Hofmeister.
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