Schwabmünchner Allgemeine

Ein Hoch auf Sissi und andere Klassiker

- VON MILAN SAKO ms@augsburger-allgemeine.de

Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage. Sport und Kultur teilen in diesen seltsamen Tagen das gleiche Schicksal. Alles verschoben oder abgesagt. Der Gemeinsamk­eiten gibt es viele. Im Theater wie im Fußballsta­dion wohnen die Zuschauer einer Inszenieru­ng bei, die begeistern oder langweilen kann. Mal liefern die Akteure ein Drama, mal eine Komödie und am Ende folgen Applaus oder Buhrufe. Einen Vorteil hat der Sport. Während in Shakespear­es Hamlet der Dänenkönig irgendwann mit einem Totenschäd­el spricht und sein Ende bekannt ist, weiß man im Sport nie, was hinten rauskommt. Das war zumindest so, bevor ein Virus die Welt infizierte.

Heute ist alles anders. Die Deutschen investiere­n in dreilagige Papiere und die ARD überträgt Klassiker. Da aktuell fast auf dem ganzen Globus kein Ball mehr rollt – außer zuletzt in Weißrussla­nd, dessen Bevölkerun­g gegen das Coronaviru­s seit jeher immun ist –, bot die ARD am Samstagnac­hmittag das ewig junge Duell Deutschlan­d gegen Italien. Fast live. Das nennt sich im neudeutsch­en Fernsehspr­ech Re-Live. So titulieren die Sender Aufzeichnu­ngen von Entscheidu­ngen, die sie nicht zeitgleich ausstrahle­n können. Wenn das WM-Finale im Skeleton und das der Bobfahrer zeitgleich stattfinde­n, dann muss der Zuseher eben eine halbe Stunde auf den Nägeln kauend warten, bis er die Skeleton-Entscheidu­ng als Konserve serviert bekommt. ReLive hat in Corona-Zeiten eine andere Dimension. Die ARD zeigte das EM-Viertelfin­ale von 2016 in Frankreich. Wer außer unserem wandelnden Fußball-Lexikon Herbert S. hätte denn gewusst, dass die Partie nach regulärere­r Spielzeit 1:1 ausgegange­n ist? Am Ende jubelten die Deutschen nach Elfmetersc­hießen, weil ein gewisser Simone Zaza nach dem Anlauf von 17 Trippelsch­ritten den Ball mit einem Uli-Hoeneß-Gedächtnis-Elfmeter über den Kasten jagte.

Das kann man nicht oft genug sehen. In Echtzeit, in Zeitlupe, in Superslowm­otion und natürlich – Re-Live. Wer denkt, dass den ollen Schinken keiner gefressen hat, liegt mindestens so weit daneben wie Zaza. Die Wiederholu­ng des knapp vier Jahre alten Kicks bescherte der ARD 1,83 Millionen Zuschauer und hatte damit mehr Gucker als die zuvor ausgestrah­lte Sportschau mit 1,51 Millionen.

Die Fernsehmac­her haben recht. Jahr für Jahr verfolgen wir zu Weihnachte­n gebannt, ob Sissi die böse Schwiegerm­utter austrickse­n kann und doch noch ihren Franz bekommt. Das funktionie­rt auch im Fußball. Am kommenden Samstag zeigt die ARD das DFB-Pokalfinal­e 2014 zwischen Dortmund und den Bayern. Wer außer Herbert weiß, wie es ausgegange­n ist? Eben!

 ?? Foto: dpa ?? Mesut Özil traf zum 1:0 im EM-Viertelfin­ale 2016 gegen Italien.
Foto: dpa Mesut Özil traf zum 1:0 im EM-Viertelfin­ale 2016 gegen Italien.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany