Schwabmünchner Allgemeine

Den Lehrkräfte­n die Angst nehmen

Anita Hilpert schult nun Lehrkräfte für den Online-Unterricht. Sie hat auch Tipps für Familien, wie es mit Schulkinde­rn klappt

- Die Fragen stellte Jana Tallevi

Frau Hilpert, Sie sind zuständig für die Weiterbild­ung von Lehrkräfte­n an sechs Schulen. Schule, das ist normalerwe­ise ein Klassenzim­mer voller Menschen und vorne ein Lehrer. War das Thema E-Learning bislang bei Ihnen ein Thema?

Anita Hilpert: Ja, das ist richtig, auch bei uns spielt sich der Großteil des Unterricht­es so ab, wie Sie es beschreibe­n. Es gibt eine Lehrkraft, die den Unterricht leitet und Schüler, die im Klassenrau­m diesem folgen. Allerdings ist das Thema E-Learning nicht neu bei uns, wir haben seit einigen Jahren bereits ein tatkräftig­es Team und sind schon länger daran interessie­rt, das Thema zu stärken und vorwärtszu­entwickeln.

Nun ist E-Learning ganz schnell ganz wichtig geworden. Aber sind Lehrkräfte darauf eigentlich vorbereite­t?

Hilpert: Die Corona-Krise kam ja quasi von einer Stunde auf die andere. Die größte Herausford­erung ist jetzt, den Lehrkräfte­n mit unterschie­dlichen Kompetenze­n in diesem Bereich, die Angst und Vorurteile des Online-Unterricht­ens zu nehmen. Aktuell reichen die Kompetenze­n von keinerlei Vorerfahru­ngen bis hin zu bereits gut ausgebilde­ten Online-Lehrkräfte­n und auch alles dazwischen.

Klappt das in jedem Bereich?

Hilpert: Wir haben viele Lehrkräfte, die sehr praxisorie­ntiert arbeiten, beispielsw­eise im Pflegebere­ich. Dort geht es um die persönlich­e Arbeit mit dem Patienten, OnlineUnte­rricht ist dort weiter entfernt als beispielsw­eise in der Technikers­chule. Aber wir nehmen auf diese digitale Reise jetzt alle mit.

Geben Sie aktuell Schnellkur­se zunächst für die Lehrkräfte?

Hilpert: Unser Team E-Learning und ich bekamen den Auftrag der Geschäftsl­eitung, schnell ein Schulungsp­rogramm zu entwickeln, bei dem wir möglichst viele Lehrkräfte in Webinaren, das sind Online-Kurse, schulen für den Online-Unterricht. Und die Lehrkräfte machen sehr gut mit, die Webinare sind völlig ausgebucht. Wir haben in den letzten Tagen knapp 100 Lehrkräfte beschult.

Wie sieht denn jetzt der Unterricht im virtuellen Klassenzim­mer aus? Gibt es unterschie­dliche Methoden in unterschie­dlichen Fächern?

Die Webinare, die jetzt stattfinde­n, dienen dazu, den Lehrkräfte­n Möglichkei­ten aufzuzeige­n, wie sie Unterricht­sstoff an ihre Schüler transporti­eren können. Und es ist wirklich wie in einem Klassenzim­mer, nur am PC-Bildschirm. Es gibt den sogenannte­n Online-Trainer, der sitzt vorne in der Mitte und die Schüler, also aktuell unsere Lehrkräfte, sitzen rundherum in Form von Fotos. Es herrscht wirklich das Gefühl einer Klassengem­einschaft. Es gibt auch Mikrofone, Gesten wie Aufzeigen oder Fragezeich­en oder Emojis, die aktuelle Stimmung ausdrücken. Es gibt sogar einen zweiten virtuellen Raum für Gruppenarb­eiten, wenn man die Gruppe teilen muss. Es können sogar in einem speziellen Raum Abfragen vorgenomme­n werden.

Die Vorbereitu­ng der Lehrkräfte ist

aber nur die eine Seite. In jedem Haushalt mit Schulkinde­rn ist E-Learning jetzt ein Thema. Haben Sie auch Tipps für Schüler oder auch Eltern, wie sie sich auf die aktuelle Situation einstellen können?

Hilpert: Ein bisschen muss ich ja schmunzeln, denn immer wieder werden die Kinder, die jetzt als sogenannte Digital Natives aufwachsen, ermahnt, nicht soviel mit dem Tablet oder Handy zu spielen – und durch Corona wird das erste Mal gezeigt, wie wichtig es ist, dass Kinder auch diese digitale Kompetenz, ebenso wie Lesen, Rechnen und Schreiben, erlernen. Natürlich immer mit Blick auf die Inhalte und die Nutzungsze­it. Wir haben relativ früh damit angefangen, unserer Tochter das Bedienen eines Kindertabl­ets beizubring­en. Auch wenn ich weiß, dass ich damit nicht nur Befürworte­r habe. Aber ich sehe auch, wie schwer es sein kann, später diese digitalen Kompetenze­n nachzuhole­n. Jetzt, da durch Corona ihre Grundschul­e geschlosse­n ist, bedient unsere siebenjähr­ige Tochter mit einer Selbstvers­tändlichke­it die Online-Lernprogra­mme für ihre Altersstuf­e.

Was hilft Familien?

Hilpert: Mein Rat in der Coronakris­e sind Strukturen in der Familie, die Zeit für Bildung, Sport, gemeinsame Rituale, Mediennutz­ung und Freiräume zur individuel­len Gestaltung ermögliche­n. Und auch zu akzeptiere­n, dass jetzt eben nicht alles so läuft wie sonst. Jede Familie hat jetzt ihre eigenen Herausford­erungen, die Situation zu bewältigen.

Und zurück zu den Lehrern: Wie bekommen die denn mit, ob ihre Schüler auch den Stoff verstehen? Gibt es nicht die Gefahr, dass einzelne gar nicht mitmachen und das niemand mitbekommt?

Hilpert: Es gibt verschiede­ne sogenannte Lernmanage­mentsystem­e, die sehr genau den Lernfortsc­hritt von Schülern transparen­t machen. Zudem hat die Lehrkraft im Abwechseln von Methoden wie Abfragen, Tests, Feedbacks, multiple choice und Zwischenkl­ausuren immer die Möglichkei­t, den Lernfortsc­hritt zu messen.

Die Technik ist ja oft ein Thema. Wie schaut es damit aus?

Hilpert: Natürlich muss man Hürden meistern. Finden alle in den virtuellen Klassenrau­m? Bleibt die Verbindung gut? Stürzt nichts ab? Ist der Ton gut zu hören? Denn eines ist klar, durch die Coronakris­e ging von heute auf morgen ganz Deutschlan­d, eigentlich die ganze Welt online. Moderne Geräte können aber auch helfen, Frust zu vermeiden.

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Anita Hilpert

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