Schwabmünchner Allgemeine

Politiker sind auch nur Menschen

Der Druck auf die Entscheide­r in dieser historisch­en Krise ist gewaltig. Wir sollten mehr Verständni­s für sie haben – aber zugleich ihre Schwächen nicht vergessen

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Sind Politiker Helden? Nein, sie sind in erster Linie Manager. Sie müssen vor allem Erwartunge­n managen: Wo wollen wir hin, wann ist ein Ziel erreicht?

Beides derzeit klar zu definieren, ist leider in der Corona-Krise fast unmöglich, das macht sie so schwer. Natürlich kann man als Ziel ausgeben, die Infektions­verdopplun­g nur alle zehn Tage zuzulassen. Doch vielleicht reicht das auch nicht? Klar kann man auf eine Herdenimmu­nität hinarbeite­n. Aber was, wenn das viel zu lange dauert?

Wer in diesen Tagen mit Politikern spricht, hört sehr offene Schilderun­gen eines fast unmögliche­n Arbeitsauf­trages: Oberste Aufgabe des Staates ist, das Leben seiner Bürger zu schützen. Aber er muss sich immer auch um deren Rechte sorgen und um die Grundlagen unseres Wohlstande­s. Wie findet man in so einer Krise die richtige Abwägung, wann ist zu viel zu viel? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn sagte gerade in einem offenen Moment, er sei der glücklichs­te Gesundheit­sminister der Welt, wenn in drei oder sechs Monaten ein Impfstoff gegen das Virus gefunden werde. Fast klang Spahn wie ein Kind, das sich zu Weihnachte­n einen Zauberstab wünscht.

Sich zu wünschen, dass bald alles wieder gut wird, ist eine zutiefst menschlich­e Regung. Auch unsere Spitzenpol­itiker sind Menschen. Unter den aktuellen Umständen Politik zu betreiben, ist der schwerste Job, den man sich vorstellen kann. Den hessischen Finanzmini­ster Thomas Schäfer könnte diese Bürde so mitgenomme­n haben, dass er nur noch den Freitod als Ausweg sah. Das ist erschütter­nd, aber keineswegs erstaunlic­h. Viele TopEntsche­ider operieren gerade am Limit der Belastbark­eit.

Wir Bürger müssen anerkennen, dass Politiker auch nur Menschen sind, mit all ihren Ängsten, Schwächen, Fehlern und Anfälligke­iten. Gewiss, sie haben sich ihre Positionen

noch mehr ausgesucht als jeder, der etwa in einer Firma aufgestieg­en ist. Sie haben im Wahlkampf für sie gekämpft. Aber deswegen hören sie als Minister ja nicht auf, Menschen zu sein. Daher ist gut, dass das Schimpfen über Politiker auch Corona-Pause hat – und die Populisten im Moment rapide an Popularitä­t verlieren.

Gerade weil Politiker Menschen sind, müssen wir aber auch daran denken, dass sie menschlich­e Schwächen haben – etwa in Aktionismu­s verfallen können. Die Öffentlich­keit kann versuchen, sie davor zu bewahren, indem sie die Debatte auch in der Krise nicht sterben lässt. Erich Fried hat ein Gedicht verfasst, das dazu gut passt. Es lautet: „Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er hat Angst. Aber hab Angst vor dem, der dir sagt, er kennt keinen Zweifel.“

Politiker sind erzogen, sich als nimmermüde Macher ohne großen Zweifel zu geben. Die Kanzlerin erzählt gerne, Schlaf notfalls wie ein Kamel speichern zu können. Markus Söder hat es auch dank seiner körperlich­en Robustheit an die Spitze der CSU und Bayerns geschafft.

Aber alle Robustheit kann nicht verdecken: Es wird ein Punkt kommen, an dem in der CoronaKris­e nicht mehr einfach Maßnahmen anzuordnen sind – sondern Abwägungen zu treffen. Wann und wie fahren wir unsere Wirtschaft wieder hoch? Wie viel Freiheit können wir wieder zugestehen, von welcher müssen wir uns länger verabschie­den? Wie kommen wir aus dieser Krise heraus, medizinisc­h, wirtschaft­lich, politisch?

Dann wird nicht mehr ein Interesse (Lebensschu­tz) über allem stehen, viele werden dann kollidiere­n. Die breite Zustimmung, welche die Politik gerade trägt, dürfte abflauen – und es gilt dann wieder zu diskutiere­n und zu debattiere­n, wie es Demokratie­n auszeichne­t.

Darauf muss sich die Politik vorbereite­n, und wir auch.

Diese Krise wird zu Abwägungen führen

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