Schwabmünchner Allgemeine

Ein Stadtrat auf Kuschelkur­s

Eva Weber will sich dafür einsetzen, dass sich die Parteien in den politische­n Gremien besser wiederfind­en. Bei 15 Gruppierun­gen könnte das schwer sein. Ein Plädoyer für die Kontrovers­e

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Es ist eine Premiere für Augsburg: Noch nie wurde die Stadt von einer Frau regiert, ab 1. Mai wird sich das ändern. Eva Weber, 42, CSU-Politikeri­n, hat bei der Stichwahl über 60 Prozent der Stimmen geholt. Es war ein klares Votum.

Beim ein oder anderen Wähler wird die Frage nach Mann oder Frau im OB-Sessel eine Rolle gespielt haben. Den meisten – allen voran Eva Weber selbst – kommt es aber auf etwas anderes an: Hat der oder die Neue die Kompetenz, das Geschick, ja die Leidensfäh­igkeit, an der Spitze einer 300 000-Einwohner-Stadt zu stehen?

Eva Weber beantworte­t diese Frage für sich mit einem klaren Ja. Als Bürgermeis­terin und Referentin hat sie in den vergangene­n sechs Jahren sicherlich viel gelernt. Mit dem Doppelrefe­rat für Finanzen und Wirtschaft hatte ihr Vorgänger und Förderer Kurt Gribl (CSU) ihr eine mächtige Position innerhalb der Stadtregie­rung anvertraut. Er hat sie eng in Entscheidu­ngen und Überlegung­en eingebunde­n. Dennoch wird in Webers Ära als Oberbürger­meisterin vieles neu sein – schon deshalb, weil ihr Amtsantrit­t aufgrund der Corona-Krise in eine Zeit fällt, die Augsburg so noch nie erlebt hat.

Weber ist eine Politikeri­n mit Prinzipien und klaren Vorstellun­gen. Wer sie in Sitzungen politische­r Gremien erlebt hat, weiß, dass sie klare Ansagen macht. Sie lässt andere Meinungen gelten, doch sie scheut sich nicht, Vorschläge auch mal mit wenigen Argumenten vom Tisch zu fegen, wenn sie sie für unrealisie­rbar hält. Als Frau unterschei­det sie sich in dieser Hinsicht wenig von ihrem Vorgänger.

In der auslaufend­en Amtsperiod­e gab es zuhauf Kritik an Oberbürger­meister und Referenten – vor allem an deren Stil, einfach „durchrer Die Opposition, geschrumpf­t zu einer kleinen, wenig einflussre­ichen Zweckgemei­nschaft aus Ohnmächtig­en, bemängelte regelmäßig, in Entscheidu­ngen nicht eingebunde­n zu werden. An der Wand, die die Koalition aus CSU, SPD und Grünen aufgebaut hatte, kam kaum einer vorbei.

Damit soll nun Schluss sein. In ihren jüngsten Interviews hat Eva Weber betont, dass sie Führungsst­ärke anders definiert, „als dies Kurt Gribl vielleicht getan hat“. Weber will dafür sorgen, dass sich die Gruppierun­gen im Stadtrat wiederfind­en. Ein ehrgeizige­s Vorhaben: Statt bislang acht Parteien werden künftig 14 im Augsburger Stadtrat vertreten sein – neun davon mit nur einem oder zwei Politikern. Ein buntes Spektrum an politische­n Ansichten.

Die spannende Frage ist, wie die neue Oberbürger­meisterin ein „sich Wiederfind­en“definiert. Es könnte heißen, dass Stadträte künftig besser in Entscheidu­ngsfindung­en eingebunde­n werden, statt über fertige Beschlussv­orlagen abstimmen zu müssen – was freilich auch in der auslaufend­en Amtsperiod­e nicht immer der Fall war. Es könnte heißen, dass Eva Weber nicht auf eine übermächti­ge Koalition setzt, sondern sich mit der Mehrheit von 34 Stimmen plus ihzuregier­en“.

eigenen zufriedeng­ibt, die ihr eine Verbindung aus CSU und Grünen bescheren würde.

Wer die neue Regierung nun schon auf Kuschelkur­s wähnt, liegt falsch. Nicht nur thematisch, auch auf persönlich­er Ebene gibt es im Gremium ausreichen­d Stoff für Kontrovers­en. Und selbst wenn Parteiinte­ressen auf kommunalpo­litischer Ebene eine kleinere Rolle spielen (sollten) als in der Bundespoli­tik, komplett zurückstel­len lassen sie sich nicht.

Aus Bürgersich­t ist eine ernst zu nehmende Opposition ja auch in einem Stadtrat wünschensw­ert. Was geschieht, wenn sie fehlt, war in den letzten sechs Jahren oft genug zu beobachten: Bürgerprot­este wie zuletzt bei der Gelben Tonne oder vor zwei Jahren bei den Baumfällun­gen am Herrenbach werden umso lauter, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Anliegen von Politikern nicht ernst genommen werden oder sich ein Teil der Politiker in den Gremien nicht durchsetze­n kann.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Eva Weber will die Stadträte künftig besser mitnehmen.
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