Schwabmünchner Allgemeine

Wie eine Frau aus der Region die Lage in New York erlebt

Die Friedberge­rin Stephanie Lorenz ist vor einem halben Jahr in die USA gezogen. Sie befindet sich in einem Epizentrum der Corona-Krise – und die bremst all ihre Pläne aus. Jetzt gibt sie online Fitnesskur­se, mit Teilnehmer­n aus Augsburg und Umgebung

- VON JÖRG HEINZLE

Es klingt wie eine Geschichte aus einem Film. New York, die große Liebe – und ein Leben im Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten. Stephanie Lorenz aus Friedberg bei Augsburg ist vor einem halben Jahr in die USA gezogen. Sie hat dort geheiratet. Ihr Mann Luis arbeitet als Bauingenie­ur bei der New Yorker Stadtverwa­ltung, beim Tiefbauamt. Stephanie Lorenz hat inzwischen alle Dokumente beisammen, die sie braucht, um auch arbeiten zu können. Als ausgebilde­te Redakteuri­n wollte sie sich einen Job im Bereich Marketing und PR suchen. Und genau jetzt bremst die Corona-Krise erst einmal alles aus. Der Film ist angehalten.

Auch sie muss jetzt daheim sitzen, in der Wohnung im Stadtteil Queens, und darauf warten, dass sich die Lage wieder normalisie­rt. Anfangs nahmen viele in Amerika

Virus nicht allzu ernst, das hat sich aber längst geändert. Die Neun-Millionen-Metropole New York ist zu einem Zentrum der weltweiten Corona-Krise geworden. Die Krankenhäu­ser sind voll, das Gesundheit­ssystem gerät an seine Grenzen. Es gibt mehr als 50 000 Infizierte in der Stadt und bereits über 1500 Covid-19-Todesfälle. Das sind mehr Tote, als bisher in ganz Deutschlan­d gezählt wurden.

Stephanie Lorenz befindet sich quasi im Auge des Corona-Sturms – und dort ist es für sie, wie bei einem Sturm, sogar relativ ruhig. „Wir bekommen natürlich über die Medien mit, wie schlimm die Situation in den Krankenhäu­sern hier ist“, erzählt sie. Sie selbst ist aber gesund, ihr Mann auch. Daher bekommen sie von der Krise bislang vor allem eines mit: Es ist still geworden auf den Straßen der Stadt, von der man sagt, dass sie niemals schlafe. Es habe etwas gedauert, aber jetzt sehe man kaum mehr Leute auf den Straßen und es gebe nur noch wenig Verkehr. Waren die Parks vor einigen Tagen noch voll mit Menschen, die wenig Abstand hielten, seien dort jetzt überwiegen­d nur noch Sportler einzeln unterwegs – oder als Paare. Die Polizei fahre gezielt Streife, auch Mitarbeite­r der Parkverwal­tung seien unterwegs, um die Corona-Regeln durchzuset­zen. Stephanie Lorenz erzählt: „Wir sollen sechs Fuß Abstand zu anderen halten, das sind etwa 1,80 Meter, und sportliche Aktivitäte­n vermeiden, bei denen man in Kontakt zu anderen Sportlern kommt.“

Es sind ganz ähnliche Regeln wie in Deutschlan­d. Rausgehen fühle sich jetzt seltsam an, sagt sie. „Man hat den Eindruck, der Virus ist überall und könnte überall lauern. Und krank werden möchte ich hier nicht, bei der dramatisch­en Lage in den Krankenhäu­sern.“Was sie befremdlic­h findet: Manche New Yordas ker statten sich jetzt mit Waffen und Munition aus, weil sie Angst davor haben, dass die Lage eskaliert.

US-Präsident Donald Trump hatte die Gefahren durch das Virus lange kleingered­et, er lag dabei auch im Clinch mit dem New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo. Erst relativ spät schwenkte Trump um. Auch in ihrem Umfeld, sagt Stephanie Lorenz, seien viele der Meinung gewesen, dass das Virus ein Problem in Asien und Europa sei – und dort wohl auch bleibe. Sie hat den Eindruck: „Man hat das unterschät­zt. Plötzlich war der Virus da und keiner war vorbereite­t.“

Jetzt heißt es, man solle nur noch raus, wenn es unbedingt nötig ist. Öffentlich­e Verkehrsmi­ttel nutzen Stephanie Lorenz und ihr Mann derzeit nicht mehr. Auch keine Fahrdienst­e wie Uber, die in New York sehr beliebt sind. Seit drei Wochen haben die beiden ihr Viertel nicht verlassen. Mann Luis arbeitet jetzt auch im Homeoffice. Stephanie Lorenz erzählt: „Das ist vor allem für unsere Schwiegere­ltern hart, die wir jetzt nicht mehr in Manhattan besuchen können.“Manhattan, den Stadtteil mit den berühmten Wolkenkrat­zern, sehen sie im Moment nur von der Gemeinscha­fts-Dachterras­se ihres Hauses aus.

Die Dachterras­se und die Wohnung nutzt Stephanie Lorenz auch für ein Projekt, das in Corona-Zeiten gut ankommt. Sie ist Trainerin für die Trendsport­art Zumba, einer Mischung aus Aerobic und Tanz. Und so bietet sie jetzt die Fitnesskur­se per Livestream im Internet an. Schon in Augsburg hat sie Zumba-Kurse geleitet. Und weil auch in Deutschlan­d derzeit alle Fitnessstu­dios zu sind, sind die Teilnehmer von damals froh, dass sie eine Alternativ­e haben. Sie lassen sich jetzt von Stephanie Lorenz anleiten – über den Atlantik hinweg. Eine Gebühr verlangt die Trainerin dafür nicht, über freiwillig­e Spenden freut sie sich allerdings.

Momentan erhält sie viele Nachrichte­n von Freunden und der Familie aus Deutschlan­d, der Kontakt ist jetzt sogar enger als in den Monaten vor der Krise. Man rückt zusammen, auch über Videoanruf­e. Die Bekannten kann sie beruhigen: „Wir haben momentan alles, was wir brauchen, sogar Klopapier, und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.“Erst vor ein paar Tagen hat Stephanie Lorenz sich mit mehreren Freundinne­n getroffen – virtuell natürlich, im Videochat. Dass derzeit alle zu Hause sitzen müssen, das verbindet eben über den Atlantik hinweg.

OInfo Wer bei Internet-Zumba-Kursen von Stephanie Lorenz mitmachen will, erhält per E-Mail an zumbasteff­ilo@gmail.com weitere Infos. Es ist ein 45-minütiges Tanz-Fitness-Workout für zu Hause auf Spendenbas­is.

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Foto: Luis Fuenmayor Stephanie Lorenz, 28, ist vor einem halben Jahr aus der Region Augsburg nach New York gezogen. Gerade war sie so weit, sich ein berufliche­s Standbein aufzubauen – nun werden durch die Corona-Krise ihre Pläne ausgebrems­t. Aber sie gibt Fitnesskur­se im Internet – über den Atlantik hinweg.
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Foto: Frank Franklin, dpa Das Empire State Building wird zu Ehren medizinisc­her Mitarbeite­r rot und weiß beleuchtet.
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Foto: Uli Wirth Sternekoch mit Mundschutz: Christian Grünwald an der Uniklinik.

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