Schwabmünchner Allgemeine

Klinik-Mitarbeite­r fühlen sich im Stich gelassen

Nach anstrengen­den Wochen klagen Pflegekräf­te über mangelnde Vorsichtsm­aßnahmen im Umgang mit Corona-Patienten. Sie fühlen sich teils unnötig einer Ansteckung­sgefahr ausgesetzt. Das Klinikum widerspric­ht

- VON INA MARKS

Das Unikliniku­m Augsburg (UKA) sei ein Musterbeis­piel dafür, wie man sich rechtzeiti­g auf den Ernstfall vorbereite­t. Das hat Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler noch vor einer Woche bei seinem Besuch vor Ort betont. Doch nun regt sich intern Kritik am innerbetri­eblichen Ablauf im Krankenhau­s. Pflegekräf­te beklagen, sie seien zum Teil auf fahrlässig­e Weise der Ansteckung­sgefahr mit Covid-19 ausgesetzt. Die Vorwürfe sind massiv, unterstütz­t werden sie von der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi.

Mitarbeite­r aus unterschie­dlichen Bereichen des Unikliniku­ms haben sich an unsere Redaktion gewandt. Sie fühlen sich mit ihren Anliegen von den Verantwort­lichen der Uniklinik nicht nur ungehört, sondern auch unter Druck gesetzt. Man solle bei Kritik aufpassen, sonst könne es arbeitsrec­htliche Konsequenz­en geben, soll es am Klinikum heißen. Die Vorfälle, die die Pflegekräf­te anonym im Gespräch mit unserer Redaktion äußern, haben es in sich. So würden Kollegen, die direkten Kontakt mit Corona-Infizierte­n hatten, verpflicht­et, weiterzuar­beiten.

„Als Kontaktper­son A darfst du keine öffentlich­en Verkehrsmi­ttel

Steckte sich Personal bei der OP eines Patienten an?

mehr benutzen, aber am Krankenbet­t eines Patienten darf man schon noch stehen“, echauffier­t sich ein Mitarbeite­r. Es gebe Fälle, in denen zwar der Betriebsar­zt am Klinikum Kollegen in die Quarantäne nach Hause schicke, bis das Testergebn­is da sei. „Aber dann heißt es aus der Personalab­teilung, wenn der Kollege am nächsten Tag nicht zur Schicht erscheint, wird er auch nicht bezahlt.“Solche Fälle häuften sich inzwischen. Die Pflegekräf­te fühlen sich vom Klinikum im Stich gelassen. Berichtet wird zudem von einem Eingriff an einem Patienten, der offenbar nicht dringend notwendig gewesen wäre. Kollegen hätten sich dabei mit dem Coronaviru­s infiziert.

Die Uniklinik Augsburg hat in den vergangene­n Tagen einiges in die Wege geleitet, um sich für eine mögliche Welle an infizierte­n Patienten zu wappnen und für sie Kapazitäte­n frei zu halten. Dazu zählen auch, dass viele planbare Operatione­n, wie etwa das Beseitigen von Krampfader­n, verschoben werden. Elektive Eingriffe nennt man solche Operatione­n. Derzeit wird laut Klinikumss­precher Thomas Warnken evaluiert, wie viele derartige Operatione­n bislang verschoben wurden.

Vielen Mitarbeite­rn ist die Handlungsw­eise der Klinik nicht streng genug: Der elektive Eingriff an dem Patienten, der aus einem Risikogebi­et gekommen sei, habe dennoch stattgefun­den, ärgern sich Mitarbeite­r im Gespräch mit unserer Redaktion . Dabei habe sich vor dem Eingriff noch herausgest­ellt, dass der Patient Fieber habe und weitere Symptome aufwies, die auf das Coronaviru­s hindeutete­n.

Dies alles sei verschleie­rt worden, kritisiert eine Pflegekraf­t. Das Personal sei weder vorgewarnt noch mit einem Vollschutz ausgestatt­et worden. Der Patient wurde letztlich positiv auf Corona getestet.

Das Pflegepers­onal, das mit ihm Kontakt hatte, musste zunächst weiterarbe­iten, sagen die Mitarbeite­r. „Erst als einer nach dem anderen krank wurde, wurden sie auch getestet – zum Glück waren nur wenige infiziert“, so die Pflegekraf­t. „Meiner Meinung nach ist das grob fahrlässig.“Es gibt noch einiges mehr, das die Pflegekräf­te im Argen sehen. Etwa, dass Reinigungs­kräfte, die bei Verdachtsp­atienten sauber machen, angeblich keinen Mundschutz erhielten.

Auch wird kritisiert, dass nicht mehr Personal auf die Beatmungsg­eräte und den Umgang mit Patienten geschult werde, die beatmet werden müssen. „Noch hätte man

Zeit, darauf vorbereite­t zu werden“, so der Tenor. Teile des Pflegepers­onals stellen jetzt Forderunge­n. Man wolle vom Krisenmana­gement des Unikliniku­ms gehört werden und ein Mitsprache­recht erhalten sowie ausreichen­d vor möglichen Ansteckung­en geschützt werden. Zudem verlangen die Mitarbeite­r eine monatliche Gefahrenzu­lage, wie es sie in anderen Krankenhäu­sern oder im Einzelhand­el schon gebe.

Mit den Vorwürfen am Freitagnac­hmittag konfrontie­rt, hieß es von Seiten der Uniklinik, dass es in der Kürze der Zeit bedauerlic­herweise nicht möglich sei, auf die Vorwürfe eine detaillier­te und fundierte Antwort zu geben. Jedoch seien im Unikliniku­m alle erforderli­chen Maßnahmen eingeleite­t worden, um die Corona-Krise bestmöglic­h zu meistern. Eine Stellungna­hme zu den

Vorwürfen will die Klinikleit­ung dieses Wochenende geben.

Tim Graumann von der Gewerkscha­ft Verdi, die die Interessen des Pflegepers­onals vertritt, ist sich bewusst, dass man sich am Klinikum derzeit in einer Notfallsit­uation befinde. „Ein Betrieb kann in so einer Zeit auch Fehler machen und dazulernen“, sagt er. Aber wenn auf der einen Seite das Erlösinter­esse verfolgt werde, auf der anderen Seite aber auf Anmerkunge­n und Forderunge­n der Beschäftig­ten nicht eingegange­n werde, dann dürfe man sich über Kritik nicht wundern, meint der Gewerkscha­fter.

Derzeit werden am Unikliniku­m Augsburg rund 30 Corona-Patienten behandelt. Laut Stand Donnerstag lagen 13 von ihnen auf der Intensivst­ation und mussten beatmet werden.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? In Kliniken und Krankenhäu­sern arbeitet das Personal derzeit am Limit. Die Zahl der Corona-Patienten steigt, doch es gibt vielerorts zu wenig Personal und zu wenig Schutzausr­üstung. Mitarbeite­r der Uniklinik Augsburg haben ihre Sorgen jetzt öffentlich gemacht.
Symbolfoto: Alexander Kaya In Kliniken und Krankenhäu­sern arbeitet das Personal derzeit am Limit. Die Zahl der Corona-Patienten steigt, doch es gibt vielerorts zu wenig Personal und zu wenig Schutzausr­üstung. Mitarbeite­r der Uniklinik Augsburg haben ihre Sorgen jetzt öffentlich gemacht.

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