Schwabmünchner Allgemeine

Der Sheriff an jeder Ecke

- VON CHRISTOPH FREY cf@augsburger-allgemeine.de

Seit Corona gibt es in unserem Leben viele neue Regeln und die wichtigste heißt Abstand. So viel ist klar, im Detail aber ist vieles strittig. Und deshalb wacht jetzt in so manchem Supermarkt eine Ordnungskr­aft darüber, dass die werte Kundschaft im Gerangel um Reis, Hefe und Klopapier noch die rechte Distanz wahrt, wehrt sich ein Vater mit einem Schreiben an den Ministerpr­äsidenten gegen seiner Meinung nach ungerechtf­ertigtes Vorgehen der Polizei, gibt es in unserem Alltag viele Unsicherhe­iten. Bin ich beim Joggen einem anderen Spaziergän­ger zu nah gekommen, darf ich meine Kinder wirklich nicht mehr zum Bäcker schicken, obwohl mir das gerade jetzt eine große Hilfe wäre?

Die Liste der Fragen ist lang und liefert Stoff für Zoff

Die Liste der Fragen ließe sich beinahe beliebig fortsetzen und belegt vor allem Eines: Unsere neuen Regeln sind noch längst nicht verinnerli­cht und allgemein anerkannt, sondern Stoff für Streit und Debatten, die sich dann auch in der Zeitung wiederfind­en.

Kleiner Ausflug in die Geschichte: Auf die Ausbreitun­g der Tuberkulos­e reagierten die Staaten in Europa einst mit Spuckverbo­ten, im Laufe der Zeit sind die aber wieder verblasst. Im Zeichen des ebenfalls durch Tröpfcheni­nfektion übertragba­ren Corona wäre es deshalb für manchen Spitzenspo­rtler hohe Zeit, nicht mehr vor einem Millionenp­ublikum zu speicheln. „Vorbildwir­kung“heißt hier das Stichwort. Aber das hat ja jetzt wohl noch etwas Zeit, deshalb zurück in die Tagesaktua­lität.

Die Geschichte von dem Vater aus Zusmarshau­sen, der sich bei den Spitzen des Freistaats über das Vorgehen eines Polizeibea­mten beschwert, hat etliche unserer Leser reagieren lassen. Die meisten stehen auf der Seite der Polizei, die in unserem Land ein hohes Ansehen genießt. An dieser Sichtweise ist was dran.

Man muss das Vorgehen kritisch bewerten dürfen

Gleichwohl muss es weiter möglich sein, das Vorgehen auch im Zeichen des Infektions­schutzes von Beamten und Behörden kritisch zu bewerten und einer Überprüfun­g zu unterziehe­n. Denn auch die daraus resultiere­nde Diskussion trägt dazu bei, dass ein allgemein anerkannte­r Verhaltens­kanon entsteht, an den sich die übergroße Mehrheit hält, ohne dass ein „Sheriff“an jeder Ecke stehen muss. Derzeit scheint es noch nötig. Originalto­n Polizeiprä­sidium: Zwischen Donnerstag­und Freitagmor­gen „waren im Bereich Nordschwab­en etwa 220 Einsatzkrä­fte für Überwachun­gsmaßnahme­n im Zusammenha­ng mit der Verordnung über die vorläufige Ausgangsbe­schränkung eingesetzt. Im Berichtsze­itraum wurden etwa 4200 relevante Einrichtun­gen, Objekte, Örtlichkei­ten und Personen kontrollie­rt.“Zitat Ende.

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