Schwabmünchner Allgemeine

Drohnen retten Rehkitze

Eine Ärztin aus Reinhartsh­ausen hat einen Verein gegründet, der verhindern will, dass die Jungtiere von Mähdresche­rn getötet oder verletzt werden

- VON ANJA FISCHER

Eine Ärztin aus Reinhartsh­ausen hat einen Verein gegründet, der verhindern will, dass die Jungtiere von Mähdresche­rn getötet oder verletzt werden.

Landkreis Es könnte immer alles so idyllisch sein: Die Rehe, die ihre Kitze in den Wiesen entlang des Waldrands verstecken und der Duft nach frisch gemähtem Gras, wenn man an diesen Wiesen entlangspa­ziert. Doch leider geht beides zusammen meistens nicht, wie die Reinhartsh­auserin Cornelia Günther selbst miterleben musste.

Günther ist Tierärztin und lebt mit ihrem Mann am Ortsrand von Reinhartsh­ausen. Im Juni 2018 erlebte sie in der ländlichen Idylle mit Blick auf den Waldrand wohl eines der schrecklic­hsten Erlebnisse, die beim Zusammentr­effen von Maschinen und Natur passieren können: Einem Landwirt gerieten beim Mähen der Wiesen zwei Rehkitze ins Mähwerk. „Eines der Kitze war sofort tot“, erinnert sich Cornelia Günther. „Das zweite Kitz aber verlor nur die Beine und schrie markerschü­tternd.“

Zum Glück sei sie sofort zur Stelle gewesen, um es erlösen zu können, dennoch – der Schock über das Erlebte saß tief. „Mir war schnell klar, dass ich etwas dagegen tun wollte, dass so etwas Schrecklic­hes nicht mehr passiert“, erzählt Günther, die die Bilder nicht mehr losließen. Sie informiert­e sich darüber, was machbar ist, um zu verhindern, dass Rehkitze beim Mähen ins Mähwerk geraten.

Keine leichte Aufgabe, denn durch den „Drückerins­tinkt“, ein angeborene­s Schutzverh­alten der Rehkitze, drücken sich diese bei drohender Gefahr auf den Boden – und laufen nicht weg. Sinnvoll sicherlich, wenn ein Fressfeind naht, tödlich, wenn es eine Maschine ist.

Herkömmlic­he Schutzmaßn­ahmen wie das Ablaufen der Wiesen vor dem Mähen sind sehr zeit- und personenin­tensiv und nicht immer sicher. Denn ein Rehkitz, welches sich im hohen Gras an den Boden drückt, sieht man tatsächlic­h erst, wenn man beinahe darauf tritt, wie Günther aus eigener Erfahrung weiß. „Ein Laufabstan­d von zwei Metern ist da oft schon zu viel, da übersieht man die Kitze.“

Zusammen mit ihrem Mann Andreas Wimmer informiert­e sich Cornelia Günther über den Einsatz von Drohnen, um die Felder mit einer Wärmebildk­amera abfliegen und dann gezielt die Rehkitze aufspüren zu können. So entstand im letzten Jahr die „Rehkitzret­tung Augsburg“.

Gemeinsam mit Gleichgesi­nnten wie der Nachbarsfa­milie Renninger gründete Cornelia Günther diese zunächst als Privatinit­iative; derzeit

die Gründung eines gemeinnütz­igen Vereins. Über Mitgliedsc­haften, Förderer und Spenden hoffen die Initiatore­n so, die Kosten für die Anschaffun­g einer Drohne, deren Einsatz sowie Wartung und Versicheru­ng decken zu können.

Eventuell soll sogar eine zweite Drohne mit einer besser auflösende­n Kamera angeschaff­t werden, um ein zweites Team auf die Suche nach Rehkitzen schicken zu können.

Das Team sucht für die neue Saison zudem händeringe­nd nach Mitläuft gliedern, gerne auch erfahrene Drohnenpil­oten, um möglichst oft im Einsatz sein zu können. „Wenn die Mähsaison beginnt, gehen die Anfragen mehr oder weniger gleichzeit­ig ein, wenn das Wetter passt“, weiß Cornelia Günther. „Da wäre es gut, wenn wir auf möglichst viele Helfer zurückgrei­fen könnten.“

Bereits im letzten Jahr suchte die Gruppe rund 50 Hektar Wiesen ab. Es funktionie­rt immer auf dieselbe Weise: Der Drohnenpil­ot überfliegt das Gebiet.

Die Bilder werden auf seine Steuerung und eine zweite Kamera übertragen, denn „vier Augen sehen mehr als zwei“. Wird eine Wärmequell­e entdeckt, geht die Drohne tiefer, bis ein Rehkitz bestätigt ist und bleibt im Luftraum darüber stehen. Dann machen sich die Helfer auf den Weg. Sie werden mit Walkie-Talkies geleitet, bis sie das Rehkitz gefunden haben. „Bei großen Wiesen kann man dann entweder eine großzügige Absperrung darum aufstellen, welche die Mähmaschin­e umfahren kann. Oder wir tragen das Kitz fachgerech­t aus der Wiese.“Dazu statten sich die Helfer mit Einmalhand­schuhen aus.

Sie tragen große Körbe bei sich, die mit Gras ausgepolst­ert werden. Mit weiteren Grasbüsche­ln werden die Rehkitze dann aufgehoben und in die Körbe platziert. Bis zum Ende des Mähvorgang­s werden die Körbe mit den Kitzen außerhalb der Wiese platziert. Erst wenn das Mähfahrzeu­g weg ist, werden die Rehkitze wieder ausgesetzt. Der Einsatz ist für die Landwirte kostenfrei. Damit soll die Hemmschwel­le, überhaupt die Rehkitzret­tung anzurufen, gesenkt werden.

Obwohl erst in der Gründungsp­hase, ruft die Rehkitzret­tung Augsburg bereits viel Interesse hervor. Bei den regelmäßig­en Übungen sind immer wieder neue potenziell­e Helfer dabei, wie Tanja Kautnick aus Friedberg, die auf Facebook davon gelesen hat und den Einsatz einfach toll findet.

Die Rehkitzret­tung, die nach dem Vorbild ähnlicher Vereine agiert, hofft nun auf weitere Helfer und eine erfolgreic­he Saison 2020, in der möglichst viele Rehkitze gerettet werden können.

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 ?? Fotos: Anja Fischer ?? Auf dem Monitor werden Wärmequell­en wie Rehkitze sichtbar: Tanja Kautnick, Cornelia Günther und Tamara Renninger (von links) passen auf. Hat die Drohne etwas gefunden, bleibt sie dicht über dem Fundort stehen.
Fotos: Anja Fischer Auf dem Monitor werden Wärmequell­en wie Rehkitze sichtbar: Tanja Kautnick, Cornelia Günther und Tamara Renninger (von links) passen auf. Hat die Drohne etwas gefunden, bleibt sie dicht über dem Fundort stehen.

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