Über einen Dauergast an dieser Stelle
Es gibt Menschen, die einem wie gute Bekannte vorkommen, obwohl man sie nicht persönlich kennt. Als Winnetou in den Armen von Old Shatterhand starb, weinte die Nation. Das war 1965. Längst ist Pierre Brice seinem Alter Ego in die ewigen Jagdgründe gefolgt. Diesbezüglich sind alle Tränen geweint. Es bedurfte neuer Helden.
Seit jener tragischen Szene, die das Bild vom edlen Wilden in die Köpfe einer ganzen Generation zementierte, ist viel geschehen auf dieser Welt. Winnetou fristet ein fast vergessenes Dasein auf verstaubten Videokassetten. Aus Helden wurden Superhelden, tragische Helden, Anti-Helden. Vorbei die Zeiten reinen Heldentums. Der Held von heute muss gebrochen sein, facettenreich, reflektiert. Wer blickt da noch durch?
Nur einer spielt nicht mit: Noriaki Kasai. Der Winnetou des Sports. Edel und heldenhaft. Klug und unbeugsam. Ein Held über Generationen hinweg.
Der nimmermüde Japaner war uns im Laufe der Jahre schon vier Randbemerkungen wert. Jedes Mal drehte sich alles darum, wie erstaunlich es doch ist, dass dieser kleine Mann mit dem schiefen Lächeln einfach nicht aufhört skizuspringen. 47 Jahre ist er inzwischen alt und ließ nun in einem seiner seltenen Interviews wissen, dass er fest mit einer Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking plane. „Wenn man ein Ziel hat, ist keine Zeit verschwendet. Ich werde weiterkämpfen“, ließ er sich zitieren. Zwei Sätze, wie sie Winnetou nicht besser hätte sagen können.
Also haben wir uns entschieden, Kasai eine fünfte Randbemerkung zu spendieren. In unbeständigen Zeiten lechzt der Mensch nach Beständigkeit. Und sei es nur die Absichtserklärung eines Mannes, dessen besten Jahre als Skispringer längst vorbei sind. Im vergangenen Winter flog er aus dem japanischen Team und verpasste zum ersten mal in diesem Jahrtausend die Vierschanzentournee.
Letzteres war ebenfalls Anlass für eine Randbemerkung. Sie handelte damals vom Scheitern, von Vergänglichkeit. Sinngemäß um einen Mann, der nicht loslassen kann. Da dem Sportredakteur Opportunismus aber nicht fremd ist, geht es jetzt an gleicher Stelle um Kontinuität. Und irgendwie um Winnetou. Warum auch immer.
Warten wir ab, wie sich Kasais Karriere entwickelt. Ob sie würdevoll zu Ende geht, mit einem Sprung in Peking. Oder ob er niedergestreckt wird von einem fiesen Schurken (Trainer), der ihn nicht mehr nominiert. So oder so: Es wird eine sechste Randbemerkung über Kasai geben. Versprochen.