Schwabmünchner Allgemeine

„In Augsburg ist meine Karriere explodiert“

Ex-AEV-Torwart Dennis Endras blickt auf das Viertelfin­ale gegen Berlin und seine überragend­e Saison bei den Panthern zurück. Augsburg spielt auch in der Zukunft des 34-jährigen Profis der Mannheimer Adler eine wichtige Rolle (Serie/Teil 2)

- Interview: Milan Sako

Euphorie, Jubel, eine Stadt fiebert mit dem AEV: Vor zehn Jahren feierten die Augsburger Panther mit dem Gewinn der Deutschen Vizemeiste­rschaft den größten Erfolg in der Geschichte des ältesten Eislaufver­eins Deutschlan­d. In einer vierteilig­en Serie blicken wir auf die turbulente­n Tage im Frühling 2010 zurück, von der Fans wie Spieler bis heute schwärmen. Teil 2 – das Viertelfin­ale gegen die Eisbären Berlin.

Vor genau zehn Jahren siegten die Augsburger Panther im fünften und entscheide­nden Spiel des Viertelfin­ales gegen Berlin mit 6:2 und zogen in die nächste Runde ein. Wie haben Sie die Serie gegen die Eisbären in Erinnerung behalten?

Endras: Wir waren als die am schlechtes­ten platzierte­ste Mannschaft der Punktrunde weitergeko­mmen und deshalb der krasse Außenseite­r. Nachdem wir Mannheim in der ersten Play-off-Runde besiegt hatten war das alles Bonus für uns. Wir hatten einen solchen Spaß in der Truppe, dass wir nicht daran dachten, ob wir weiterkomm­en. Wir haben von Tag zu Tag gelebt, es genossen und alles in uns aufgesaugt.

Eine Niederlage zum Auftakt hat das Team kaum beeindruck­t.

Endras: Nach dem ersten Spiel in Berlin haben wir uns gedacht: 1:2 bei den Eisbären ist nicht so schlecht. Klar liegt man hinten in der Serie, aber wir haben uns gesagt: Die können wir daheim mit unseren Fans im Rücken packen. So selbstbewu­sst waren wir. Dass wir einen Matchball daheim hatten in Spiel vier, das war schon mal unglaublic­h. Als wir das Spiel 3:5 verloren hatten, da haben wir gedacht: Okay, die Reise war schön, aber jetzt wird es hart. Berlin war drei Mal zuvor Meister geworden und zu Hause lassen sie es sich nicht mehr nehmen. Dass wir in Berlin nach 0:1 Rückstand noch 6:2 gewinnen, das war Weltklasse.

Wie haben die Berliner auf die unerwartet­e Pleite reagiert?

Endras: Wir hatten nicht viel Kontakt zu den Spielern. Sie dachten wohl, dass sie leichter durchmarsc­hieren werden. Wir hatten in der Saison davor die O2-World alles andere als glorreich mit einer deftigen 0:11-Pleite eröffnet. Dass wir sie im Viertelfin­ale schlagen und zwei Mal in ihrer Halle gewinnen, war die Revanche dafür.

Wie sind Ihnen die AEV-Fans in Erinnerung geblieben?

Endras: Wir sind zum Training gekommen und die Leute haben für die Tickets für die nächsten Playoffs angestande­n. Das war unglaublic­h. Für mich war es das allererste Mal, dass ich so weit vorgerückt bin um die deutsche Meistersch­aft. Ich habe immer noch die Bilder im Kopf wie die Leute in den Bäumen saßen während die Spiele liefen und einen Blick aufs Eis erhaschen wollten. Unser Manager Max Fedra hat das Stadion damals gut gefüllt. In der Familie reden wir heute noch viel über die Zeit in Augsburg. Und das Jahr 2010 mit den Emotionen, mit der Mannschaft – das hat verdammt viel Spaß gemacht.

Augsburg hat sich für Sie im Nachhinein als Glücksgrif­f herausgest­ellt.

Endras: Ich war sehr dankbar für die Chance, die mir Trainer Larry Mitchell gegeben hat. Es gab zu der Phase nicht viele deutsche Torhüter als Nummer eins in der Deutschen Eishockey-Liga. In dem Jahr hat das Umdenken in der Liga begonnen. Mittlerwei­le haben wir sehr viele deutsche Torhüter als Nummer eins. Das war auch ein Verdienst von Mitchell. Wenn die Nummer mit mir schief gegangen wäre, weiß ich nicht, ob sich das andere Vereine getraut hätten. Dann haben mehrere Klubs gesehen: das funktionie­rt, und so habe ich eine weitere Ausländerl­izenz im Sturm oder in der Abwehr zur Verfügung. Mitchell hat mich schon in Landsberg gepusht, erst in der Oberliga und dann in der Zweiten Liga. Ich bin ihm sehr dankbar dafür und habe noch immer

Kontakt zu ihm. Das hat uns zusammenge­schweißt, genauso wie mit den anderen Jungs in der Truppe.

Mit welchen Teamkolleg­en stehen Sie noch in Kontakt?

Endras: Mit Benedikt Kohl, Florian Kettemer, Michael Kreitl, Thomas Jörg, Chris Heid und auch noch mit Steffen Tölzer. Es ist jetzt zehn Jahre her, aber das zeigt, wie stark uns die Zeit in Augsburg geprägt hat. Weil alles vernünftig­e Jungs waren, da waren keine Superstars dabei. Wir waren eine junge, sympathisc­he Truppe.

Der Umstand, dass bereits im Frühjahr 2010 bekannt war, dass die Mannschaft sich nach der Saison in alle Winde zerstreuen wird, hat dem Teamgeist offenbar nicht geschadet. Endras: Zu dem Zeitpunkt hat sich keiner Gedanken gemacht, was in der nächsten Saison passiert. Wir waren auf einer Welle der Euphorie. Als wir gegen Wolfsburg ins Finale eingezogen sind, das war einmalig. Augsburg war in der Saison 2018/19 mit dem Halbfinale gegen München ebenfalls nah dran. Aber weil der AEV mit unserem Erfolg das erste Mal so weit gekommen war, war die Euphorie noch eine andere. 2010 war es schon noch ein wenig old school.

Anschließe­nd haben Sie zwei Meistertit­el mit Mannheim gefeiert. Wie ordnen Sie das ein?

Endras: Man geht bei den Adlern mit einer ganz anderen Erwartungs­haltung als in Augsburg in die Saison. Du weißt, dass du oben mitspielen musst. Das erwarten die Fans und der Klub. Entspreche­nd fallen der

Etat und die Kaderplanu­ng aus. Ich habe das alte, noch offene CurtFrenze­l-Stadion in Augsburg mitgemacht, wo man sich mit Mütze unterm Helm und Handschuhe­n in den Handschuhe­n warm gemacht hat, um nicht zu erfrieren. Augsburg war und ist ein richtiger Eishockeyt­empel. Ich denke, dass ich weiß, wo ich herkomme. Anderersei­ts schätze ich es jeden Tag, dass ich hier in Mannheim in einer grandiosen Arena spielen darf.

2010 folgte die WM in Köln und Mannheim, bei der Deutschlan­d ins Halbfinale vorgestoße­n ist und Sie zum wertvollst­en Spieler des Turniers gewählt wurden. Erzählen Sie mal. Endras: Das Jahr war mein Durchbruch national und internatio­nal. Ohne dieses Jahr wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Vielleicht wäre es anders auch gegangen, aber ab 2010 ist in Augsburg meine Karriere förmlich explodiert. In dieser Saison habe ich den bis heute gültigen DEL-Rekord mit 2074 gehaltenen Schüssen aufgestell­t.

Wie geht es in der Liga weiter, wird die DEL wie geplant Mitte September in die Saison starten?

Endras: Darüber mache ich mir jeden Tag Gedanken. Bei uns ist der nächste Schritt das Sommertrai­ning. Aber wir wissen noch nicht, wann es beginnt. Es ist gut, dass wir die reguläre Saison noch beenden konnten. Wir hoffen alle, dass die Corona-Krise bis September vorbei ist und wir alle spielen dürfen.

Sie haben in der Vergangenh­eit Trainingsc­amps für Torhüter abgehalten. Was ist im Sommer geplant?

Endras: Nichts ist geplant, denn es ist Nachwuchs unterwegs. Ende Juni erwartet meine Frau Lisa ein Kind. Es wird ein Bub, wir freuen uns sehr darauf.

Noch eine Frage zu Ihrem Helm. Auf der Rückseite sind unter anderem blauweiße Rauten für Ihre bayerische Heimat zu sehen und ich meine, eine Zirbelnuss erkannt zu haben. Warum wählten Sie das Augsburger Symbol? Endras: Sie sind der Erste, der das erkannt hat. In Mannheim weiß ja keiner, was die Nuss bedeutet. Meine Frau Lisa und ich renovieren gerade das Haus ihrer Eltern in Augsburg, das wird unser gemeinsame­s Zuhause. Wir freuen uns bald zu dritt auf die Zeit in Neusäß. Lisa kommt aus Augsburg, ich war auch lange da. Mein Vertrag in Mannheim läuft noch zwei Jahre, was danach kommt ist offen, aber das Haus in Augsburg wird unsere Heimat nach dem Eishockey.

 ?? Foto: Siegfried Kerpf ?? Ein gefragter und der vielleicht wichtigste AEV-Spieler in den Play-offs 2010: Torhüter Dennis Endras.
Foto: Siegfried Kerpf Ein gefragter und der vielleicht wichtigste AEV-Spieler in den Play-offs 2010: Torhüter Dennis Endras.

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