Schwabmünchner Allgemeine

„Der Ozean hat mich nie verschluck­t“

Schauspiel­er

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Ich frage mich oft, warum ich als konfliktsc­heuer Mensch ausgerechn­et Schauspiel­er geworden bin. Es macht Spaß, ja. Aber nicht immer. Mag sein, es ist sinnvoll für meinen Beruf, durchlässi­g und sensibel zu sein. Nur ob damit gemeint ist, dass alles an Launen und Emotionen durchschlä­gt, weiß ich nicht. Wenn der Spielfluss auf der Probe stockt, wenn jemand komplett blockiert ist – schon bin ich genervt und launisch. Dazu kommen versteckte, alte Programme in mir, deren Ursachen selten eindeutig auszumache­n sind. Außerdem bin ich immer noch dabei, passende Filter zu entwickeln, um nicht alles an mich heranzulas­sen. Eine Atemmaske für meine Seele. Für mich geht eine gewisse Ansteckung­sgefahr davon aus, dass ich mich sehr schnell mit Konflikten identifizi­ere, die eigentlich gar nicht meine sind.

Aber der absolute Stresstest für mein System der Selbstwert­regulierun­g sind meine existenzie­llen „künstleris­chen“Zweifel. In diesen kreativen Krisen, die im Extremfall Nervenkris­en werden können, stelle ich alles infrage: meine Erfahrung, meinen Beruf, meine Festanstel­lung, mich selbst durch und durch. Dann will ich nur raus aus allem, ohne zu wissen, wohin. Ich stehe mit einem Bein im totalen Nichts. Ich liege unten auf dem Grund eines Lochs oder hocke auf der Spitze eines sehr hohen Berges.

Mit diesen Zuständen habe ich inzwischen Freundscha­ft geschlosse­n, weil ich weiß, wie es da aussieht. Und weil ich weiß: Die Krisen hatten nicht die Kraft, mich festzuhalt­en. Es war wild, leer und einsam, aber dann ging es wieder hinauf oder hinab – zurück ins satte Leben. Wenn ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte, habe ich mich ganz diesen Erfahrunge­n hingegeben. Der Ozean hat mich nie verschluck­t, sondern immer getragen. Werde ich von wahnsinnig­en Stürmen davongetri­eben, gebe ich mich ratlos hin, tanze sinnlos auf den Wellen. Klingt dramatisch, war aber so. Im Herzen meiner größten Nöte konnte ich meinen „unkaputtba­ren“Kern spüren. Er ist körperlich spürbar, weil es dort ruhig ist, angstfrei und leicht. Tief in mir bin ich „connected“mit der intuitiven Gewissheit, dass es diesen alles umfassende­n Sinn gibt, den großen Geist. Ich kann nicht sagen, warum und wie, aber immer ging alles gut aus.

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