Schwabmünchner Allgemeine

Mäßige Noten für Online-Unterricht

Eltern und Schüler beklagen sich in Briefen an Kultusmini­ster Piazolo über die aktuelle Schulsitua­tion. Diese sei mitunter überforder­nd, vollkommen unbefriedi­gend und nicht tragbar

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Das Ende der Osterferie­n naht und damit, eigentlich, auch das Ende der wegen Corona geschlosse­nen Schulen – so war es ursprüngli­ch einmal vorgesehen. Doch dass der Unterricht in Bayerns Klassenzim­mern ab dem kommenden Montag tatsächlic­h wieder seine geregelten Bahnen nimmt, ist mehr als unwahrsche­inlich. In diesen Tagen wollen die deutschen Ministerpr­äsidenten und Kultusmini­ster unter anderem darüber beraten. Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) hatte sich jüngst bereits offen für einen „Stufenplan“gezeigt, also eine schrittwei­se Öffnung der Schulen.

Aktuell sieht es jedoch danach aus, dass es am Montag für die allermeist­en Schüler im Freistaat so weitergeht, wie es vor den Ferien aufgehört hat: Mit Unterricht in den eigenen vier Wänden. Vielerorts wird der Küchentisc­h wieder zur Schulbank, Mama und Papa zu Ersatzlehr­ern und der Computer zum Hausaufgab­enheft – denn über diesen findet in den meisten Fällen der „Unterricht“statt: Lehrer verschicke­n Aufgaben per E-Mail, über die bayerische Lernplattf­orm Mebis andere Angebote im Netz. Doch wie gut funktionie­rt der Unterricht zu Hause eigentlich? Dieser Frage sind Eltern und Schülerver­treter nachgegang­en und haben ihre Ergebnisse in offenen Briefen an Kultusmini­ster Piazolo zusammenge­tragen und dabei dem Online-Unterricht, wie er in den vergangene­n Wochen stattfand, ein durchwachs­enes Zeugnis ausgestell­t.

So fand der Bayerische Elternverb­and nach eigenen Angaben mittels einer Umfrage und einer Auswertung hunderter Blog-Einträge im Netz unter anderem heraus, dass sich der „Unterricht“vieler Lehrer im Wesentlich­en darauf beschränke, den Schülern Arbeitsmat­erialien zu schicken – das hätten immerhin 37 Prozent der befragten Eltern angegeben. Absprachen via Telefon oder Videokonfe­renzen fänden oftmals nicht statt, zahlreiche Lehrer würden selbst die Korrektur der gestellten Aufgaben den Eltern zu Hause überlassen. Das sei „kommunikat­iv wie pädagogisc­h vollkommen unbefriedi­gend“, schreibt

Martin Löwe, Landesvors­itzender des Bayerische­n Elternverb­andes im Brief an Piazolo. Gleiches gelte für die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Befragten sagte, dass sich die Schulen nicht oder nur teilweise dafür interessie­rten, wie die Eltern mit der Situation zurechtkom­men. Trotz einer „respektabl­en Anzahl guter Erfahrunge­n“, so Löwe, habe die Umfrage gezeigt, dass beinahe jedes fünfte Elternhaus die aktuelle Schulsitua­tion für „äußerst anstrengen­d bis überforder­nd hält“. Gerade in Haushalten mit mehreren Kindern und Erwachsene­n im Homeoffice sei es schwierig, Schule, Beruf und die eigene Gesundheit zu vereinbare­n.

Es komme daher zu Streit und Stress in den Familien, Eltern würden für die Kinder zu „ständig unzufriede­nen Antreibern“in Sachen Schule. Dabei müsse die Rolle der Eltern sich darauf beschränke­n, das Lernen zu Hause strukturel­l zu unterstütz­en, „nicht jedoch, die Lehrkräfte zu ersetzen“, schreibt Löwe. Sein Verband fordert im Brief an Piazolo daher für etwaige Verlängeru­ngen der Schulschli­eßungen, dass es klare Vorgaben für die Arbeit der Lehrer geben müsse. Drei Beispiele: So sollten Arbeitsauf­gaben indioder viduell an die Schüler und deren Bedingunge­n zu Hause angepasst und so strukturie­rt werden, dass die Eltern keine Lehrpläne für ihre Kinder erstellen müssten. Zudem sollte mehrmals die Woche Unterricht in Videokonfe­renzen stattfinde­n.

Piazolo bekam in diesen Tagen auch Post von bayerische­n Schülern, unter anderem aus Augsburg. Und deren Kritik, die unter anderem auf einer Online-Umfrage unter mehr als 1600 Schülern fußt, deckt sich in weiten Teilen mit der der Eltern: Das Angebot an OnlineUnte­rricht hänge sehr stark vom Willen und der Kompetenz der Lehrkraft ab, gleichzeit­ig gebe es zu viele unterschie­dliche Vorgehensw­eisen, auch innerhalb einer Schule, von den unterschie­dlichen Möglichkei­ten der Schüler – technische Ausstattun­g, sprachlich­e Fähigkeite­n etc. – ganz abgesehen. Auf insgesamt neun Seiten fassten die Schüler die aus ihrer Sicht drängendst­en Probleme und Ideen für Lösungsvor­schläge zusammen und baten Piazolo, diese bei seiner Entscheidu­ng, wie es an Bayerns Schulen weitergeht, zu berücksich­tigen. Die aktuelle Planung sei jedenfalls „nicht tragbar und verantwort­bar“, schreiben die Schüler.

In Familien komme es zu Streit und Stress

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Foto: Armin Weigel, dpa Offiziell sind Bayerns Schulen noch bis Sonntag, 19. April, geschlosse­n. Es ist davon auszugehen, dass die meisten es noch länger sein werden.

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