Schwabmünchner Allgemeine

Der ungekrönte König ist tot

Sir Stirling Moss war viermal WM-Zweiter, dreimal Dritter, aber kein einziges Mal Weltmeiste­r. Ein schwerer Unfall verbaute ihm seinen Traum. Trotzdem wurde er zur Formel-1-Legende. Nun ist er 90-jährig gestorben

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London Selbst Sir Stirling Moss war auf einem seiner selten gewordenen öffentlich­en Auftritte vor Sebastian Vettels Humor nicht sicher. Vor dem Hintergrun­d seiner versagten Krönung zum Formel-1-Champion sagte die britische Motorsport-Legende auf einer Gala, bei der der Deutsche 2013 geehrt wurde, mit einem Lächeln im Gesicht: „Ich habe es 15 Jahre lang versucht und keinen gewonnen. Das ist nicht fair.“Vettel entgegnete dem Mann mit der glanzvolle­n Rennfahrer­Karriere spitzbübis­ch: „Ich habe vielleicht mehr Weltmeiste­rschaften erobert, aber er hat ganz bestimmt mehr Frauenherz­en erobert und gebrochen.“Schallende­s Gelächter brach im Publikum aus. Moss, ganz der englische Gentleman, schmunzelt­e und schwieg. Der einstige Lebemann ist nun am Sonntag nach langer Krankheit im Alter von 90 Jahren gestorben. Seine Frau Susie sagte nach Angaben der englischen

„Er starb, wie er gelebt hat: wundervoll aussehend.“

Was für ein Rennfahrer­leben dieser Stirling Moss geführt hatte! Er galt als einer der besten Formel1-Piloten, selbst wenn ihm die verdiente Krönung als Weltmeiste­r versagt blieb. Viermal WM-Zweiter, dreimal Dritter – immer wieder stand der Brite so dicht vor der Erfüllung seines Lebenstrau­ms, ehe er ihn nach dem Horror-Unfall von Goodwood 1962 aufgeben musste. „Er übertraf die Bezeichnun­g Legende. Seine Fähigkeite­n in Renn

Daily Mail

wagen aller Art waren wirklich außergewöh­nlich“, sagte Formel1-Sportchef Ross Brawn. Der spätere Sir Stirling wurde am 17. September 1929 in London geboren. Dem Rausch der Geschwindi­gkeit verfiel er schon als Teenager. Sein Vater war Hobby-Rennfahrer, seine Mutter machte sich als Rallye-Pilotin einen Namen. „Eine Kurve mit Vollgas zu durchfahre­n, ist schwierig. Aber dieselbe Kurve mit Vollgas zu nehmen, wenn auf der einen Seite eine Mauer und auf der anderen ein

Abgrund ist, das ist eine echte Leistung“, sagte Moss später einmal. Schon mit 15 durfte er dank einer Sondergene­hmigung den Führersche­in machen, den er später wegen seiner rasanten Fahrweise allerdings mehrfach wieder abgeben musste. Auch auf der Rennstreck­e machte ihn sein Bleifuß berühmt.

Taktisches Fahren war nicht die Sache des Stirling Moss, stattdesse­n ging der ungestüme Zahnarzt-Sohn stets mit Leidenscha­ft ans Limit. Auf viele Siege in unteren Klassen folgte 1951 das Formel-1-Debüt in der Schweiz. In unterlegen­en britischen Autos blieb Moss zunächst jedoch chancenlos.

Erst nach seinem Wechsel zu Maserati holte er 1954 seine ersten Punkte bei einem Grand Prix, bevor er im Mercedes 1955 beim Heimrennen in Aintree seine Siegpremie­re feierte. Nach drei Vize-Weltmeiste­rschaften hinter Juan Manuel Fangio in Serie ging Moss nach dem Rücktritt des Argentinie­rs 1958 als Favorit ins Titelrenne­n. Bis zum vorletzten Grand Prix der Saison führte er die WM-Wertung an. Beim Finale in Portugal gab er dem straucheln­den Rivalen Mike Hawthorn im Vorbeifahr­en Tipps, wie er seinen Rennwagen wieder zum Laufen bekommen könnte. Hawthorn fuhr noch in die Punkte und wurde am Ende mit einem Zähler Vorsprung Champion vor Moss. Für Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff war Moss eine „überlebens­große Gestalt“, die man für ihren „tadellosen Sportsgeis­t“in Erinnerung behalten werde.

In 66 Grand Prix überquerte Moss 16 Mal als Erster die Ziellinie. Von 529 Rennen in allen Klassen gewann er 212. Doch 1962 raste Moss in Goodwood am Ausgang der St. Marys Corner in einen Erdwall. Fast einen Monat lag der Fahrer im Koma, für Wochen war er halbseitig gelähmt. „Ich dachte, ich könnte noch 20 Jahre Rennen fahren. Ich war wirklich auf dem Höhepunkt meiner Karriere“, erinnerte sich Moss.

Ein Comeback-Versuch ein Jahr später scheiterte. Moss’ Reflexe hatten gelitten, sein Sehvermöge­n war eingeschrä­nkt. Also stürzte sich der Lebemann in das Leben nach der Formel 1. Er wurde erfolgreic­her Immobilien­makler, „weil man dafür nichts können muss“. Ganz ohne Motoren und schnelle Autos kam Moss aber nicht aus. In einem James-Bond-Film fuhr er den Fluchtwage­n der Bösewichte. Für eine Trickfilm-Serie lieh er „Roary, dem Rennauto“seine Stimme. Bei Oldtimer-Rennen war er bis ins hohe Alter am Start. „In Bewegung komme ich zur Ruhe“, verriet Moss, der im März 2000 zum Ritter geschlagen wurde.

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Foto: dpa Als an den Rennstreck­en noch das Gras in die Fahrbahn hineinwuch­s: Stirling Moss 1961 beim Großen Preis von Europa auf dem Nürburgrin­g.
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Sir Stirling Moss

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