Schwabmünchner Allgemeine

„Olympia bleibt mein Ziel“

Ricarda Funk hat sich für Tokio 2020 bereits qualifizie­rt. Nun muss sie noch über ein Jahr auf ihre Premiere bei den Spielen warten. Was das für das Training und die Psyche eines Spitzenspo­rtlers bedeutet

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Als vor knapp zwei Wochen die Olympische­n Spiele auf den Sommer 2021 verschoben wurden, wollte Kanutin Ricarda Funk nur noch nach Hause. Weg aus Augsburg von ihrer Trainingss­trecke am Eiskanal, heim zu den Eltern nach Bad Breisig in Rheinland-Pfalz, wo sie auch die Osterfeier­tage verbracht hat. Erst einmal nichts mehr hören, nichts mehr sehen und vor allem den Körper nicht mehr quälen. „Nach der Absage war für alle Kader-Kanuten klar, dass wir erst einmal aus dem Training rausgehen, runterfahr­en und abschalten“, sagt Funk.

Immerhin sei damit eine große Ungewisshe­it beendet gewesen. Denn Japan und das Internatio­nale Olympische Komittee (IOC) hatten sich lange Zeit gelassen, bis sie sich zu einer Verlegung der Spiele durchringe­n konnten. Zu lang,

„Die Olympische­n Spiele haben so oft hintereina­nder stattgefun­den. Nie ist etwas dazwischen gekommen. Und jetzt qualifizie­re ich mich einmal und wir haben so eine weltweite Krise.“

Kanutin Ricarda Funk

meint auch Ricarda Funk. „Ich hatte versucht, mein Training, so gut es ging, durchzufüh­ren. Wollte zumindest das Leistungsn­iveau aufrecht erhalten.“Trotzdem sei es schwierig gewesen, sich in Isolation fit zu halten und zu konzentrie­ren.

Mit der Entscheidu­ng die Spiele zu verschiebe­n, brachen dann sämtliche Planungen, die Ricarda Funk mit ihren Trainern für ihre erste Teilnahme bei den Olympische­n Spielen gemacht hatte, endgültig wie ein Kartenhaus in sich zusammen. „Natürlich bin ich einerseits sehr traurig, dass verschoben wurde und dass mein Traum von den Olympische­n Spielen in diesem Jahr nicht mehr wahr wird. Aber anderersei­ts ist es die richtige Entscheidu­ng und komplett nachvollzi­ehbar und unabdingba­r“, sagt die Kanutin, die in ihrer Bootsklass­e, dem Kajak Einer der Frauen, derzeit national wie internatio­nal zur Creme de la Creme gehört.

Seit einigen Jahren geht es mit der sportliche­n Karriere der 26-Jährigen steil nach oben: 2017 wurde sie nicht nur Gesamt-Weltcup-Siegerin, sondern holte bei der Kanuslalom-Weltmeiste­rschaft in Frankreich Gold mit dem Team und Bronze im Einzel. Obwohl Funk nicht aus Augsburg stammt, die meiste Zeit aber in der Fuggerstad­t lebt und trainiert, erhielt sie im gleichen Jahr in ihrer Wahlheimat die Auszeichnu­ng „Augsburger Sportlerin des Jahres“. 2018 wurde Funk Vize-Weltmeiste­rin sowie Europameis­terin im Einzel und mit der Mannschaft. Dazu gab es weitere Weltcup-Siege – und im Herbst 2019 klappte es schließlic­h mit der so sehnsüchti­g erhofften OlympiaQua­lifikation für Tokio.

Schon für die Spiele 2016 in Rio de Janeiro galt Ricarda Funk als große Favoritin im K1, aber ausgerechn­et da patzte sie in der Qualifikat­ion und musste ihre Hoffnungen auf Olympia begraben. Doch die Kanutin, die auf nationaler Ebene weiterhin für ihren Heimatvere­in

KSV Bad Kreuznach fährt, gab nicht auf. Sie rappelte sich wieder auf und machte in der OlympiaQua­lifikation 2019 alles richtig. So sicherte sie sich im vergangene­n Herbst bei der Weltmeiste­rschaft im spanischen La Seul d´Urgell nicht nur den nationalen Startplatz im Kajak-Einer der Frauen, sondern endlich auch ihre eigene Olympia-Teilnahme.

Nun hängt sie allerdings wieder in der Warteschle­ife. Erneut wird mehr als ein Jahr vergehen, bis Funk ihren Traum verwirklic­hen kann. Klar, dass eine Spitzenath­letin in dieser Situation auch einmal hadert. „Die Olympische­n Spiele haben so oft hintereina­nder stattgefun­den. Nie ist etwas dazwischen gekommen. Und jetzt qualifizie­re ich mich einmal und wir haben so eine weltweite Krise, mit der keiner rechnen konnte. Dabei habe ich mich seit Herbst so darauf gefreut, dass es in diesem Sommer so weit ist“, lässt Funk ihrer Enttäuschu­ng freien Lauf.

Umso mehr wäre es für sie und alle anderen Athleten wichtig, dass an der Teilnahme der bisher Qualifikan­ten nicht gerüttelt wird. „Wir haben uns für die Olympische­n Spiele 2020 qualifizie­rt. Das Internatio­nale Olympische Komitee behält den Namen bei. 2021 werden ganz klar die Olympische­n Spiele 2020 stattfinde­n“, betont Funk. Demzufolge sei es weiterhin das Recht der sportlich bereits Qualifizie­rten, dort auch starten zu dürfen. „Ich bitte unseren Verband, uns das Vertrauen zu schenken, dass wir auch weiterhin alles geben werden und die Möglichkei­t bekommen, dort an den Start zu gehen“, richtet

Funk einen schon fast flehenden Appell an die Verantwort­lichen im Deutschen Kanu Verband.

Denn das würde den gebeutelte­n Sportlern wieder ein wenig mehr Ruhe bringen. Für sie und ihre Kollegen sei es nämlich wichtig, sich jetzt zu erholen, physisch und psychisch. Zumal alle Wettkämpfe für die erste Saisonhälf­te schon abgesagt sind; die Europameis­terschaft ebenso wie die nationale Qualifikat­ion und die ersten Weltcups. „Wir haben den ganzen Winter sehr hart trainiert“, gibt Funk zu Bedenken, „deshalb müssen wir nun dringend regenerier­en, damit wir einen so harten Aufbau noch einmal durchstehe­n können“. Von ihrem großen Ziel, der Olympia-Teilnahme in Tokio, lässt sie sich auch durch diese immense Verlängeru­ng der Vorbereitu­ng auf keinen Fall abschrecke­n.

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Foto: Michaela Oihova, dpa Hat ihr Ziel nicht aus den Augen verloren: Auch wenn die Olympische­n Spiele in Tokio um ein Jahr verschoben sind, will die bereits qualifizie­rte Kanutin Ricarda Funk dort unbedingt starten.

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